Angestelltenjob, Eigenheim auf Pump, Leasingauto und ein bisschen Spekulieren an der Börse. Ein Hamsterrad, das ein Leben lang unfrei macht, findet Gerald Hörhan. Kurzweilig, provokant und schonungslos. Wie du bald zu den Gewinnern gehörst und die bisherige Ökonomie auf den Kopf stellst…
Wenn ich an der Wiener Wirtschaftsuniversität Vorträge halte, fällt mir immer wieder ein merkwürdiger Umstand auf: Die wenigstens Studenten dort wollen lernen, wie man Geld verdient, wie man damit umgeht und wie man auf diese Art wirtschaftlich unabhängig wird. Mein Eindruck ist viel eher, dass sie die ökonomischen Konventionen der Mittelschicht möglichst genau zu verstehen versuchen, damit sie es später im Berufsleben genauso wie alle anderen machen können.
Ich sage ihnen dann, dass sie auf diese Art in einem ökonomischen Hamsterrad aus Angestelltenjob, Eigenheim auf Pump, Leasingauto und ein bisschen an der Börse spekulieren landen. Ein Hamsterrad, das ein Leben lang unfrei macht und das ich zum Beispiel nicht ertragen würde. Oft genug habe ich den Eindruck, dass sie das nicht hören wollen. Nicht einmal in Zeiten wie diesen, in denen immer klarer wird, dass es am Ende immer die Mittelschicht ist, die abgezockt wird. Sie vor allem hat während der Finanzkrise geblutet und sie ist es auch, die jetzt für die Rettung des Euros zahlen muss.
Mittelschicht am Tropf der Banken
Auch ohne Finanz- und Eurokrise ist das Leben der Mittelschicht schon lange nicht mehr erstrebenswert. Meist auf Schulden aufgebaut führt es in die Abhängigkeit, auch wenn die Banken und unser ganzes ökonomisches System gerade der Mittelschicht das Schuldenmachen noch so sehr nahelegen.
Die Unfreiheit, die dabei entsteht, hat es im Prinzip immer gegeben. Am Anfang nannte man es Sklavendienst. Danach nannte man es Frondienst. Jetzt heißt es Schuldendienst. Sklavendienst funktioniert mit Ketten. Frondienst mit Abhängigkeit. Schuldendienst funktioniert vor allem durch mangelnde ökonomische Bildung. Der Schuldendienst zwingt die Menschen, zu bücken und zu dienen und den ganzen Tag bitte und danke Herr Chef zu sagen.
Wer dieses Leben führt, hat am Ende vielleicht sein Eigenheim abbezahlt, was ihm die ganze Zeit über als höchstes ökonomisches Ziel verkauft wurde, aber die Frage ist, wie viel es dann noch wert ist und ob er es überhaupt noch brauchen kann. Und jetzt wird es immer enger für die Mittelschicht. Die typischen Mittelschichtjobs werden immer weniger und als Folge davon werden dort der Druck und die Restriktionen immer größer, das Leben wird immer schlechter und die alten Sicherheiten sind weg.
Wegfall geglaubter Sicherheiten
Die Wahrheit ist: So wie bisher wird es nicht weitergehen. Das globale ökonomische Grundprinzip hat schon immer vorgesehen, dass es wenige gibt, die viel haben, und viele, die wenig haben. Eine breite Mittelschicht, wie wir sie kennen, ist ein historisch und geografisch begrenztes Phänomen, das durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und den Wiederaufbau entstanden ist und das ein klares Ablaufdatum hat. Mit jeder ökonomischen Erschütterung wird das alte Grundmuster ein bisschen mehr wieder hergestellt.
Die Mittelschicht reagiert völlig falsch darauf. Sie schafft sich Feindbilder, zum Beispiel Unternehmer oder Investmentbanker wie mich. Sie sieht mich an und denkt: Der fährt einen Audi mit 510 PS und dann noch einen Aston Martin, er geht auf angesagte Partys in London und New York, hat eine schöne Wohnung am Stephansplatz und kauft sich Immobilien wie andere Leute Bücher.
Investmentbanker, alles “Arschlöcher”?
Also ist er ein Arschloch, gierig und arrogant. Sie werden als Schuldige an der Finanzkrise hingestellt, obwohl in Wirklichkeit die Mittelschicht selbst daran schuld ist, zumindest die amerikanische Mittelschicht. Sie hat über Jahre hinweg gegen die wichtigste ökonomische Grundregeln verstoßen, indem sie mehr ausgegeben als eingenommen hat, was irgendwann eben nicht mehr funktioniert.
Paradox dabei ist, dass es durch die Möglichkeiten der Globalisierung und des Informationszeitalters nie leichter war als jetzt, von denen, die wenig haben, zu denen aufzusteigen, die viel haben. Mit diesen Möglichkeiten meine ich zum Beispiel, dass Anleger jetzt Zugänge zu Informationen haben, die vor ein paar Jahren nur Profis wie etwa Brokern zur Verfügung standen, und dass es noch nie so einfach war, ein Unternehmen zu gründen wie jetzt.
Bloß nützt die Mittelschicht diese Möglichkeiten nicht, weil es dafür eben nötig wäre, sich gegen ihre eigenen Konventionen zu stellen und im Kopf ein bisschen Punk zu sein. Es liegt in der Natur der Mittelschicht, dass alle lieber mit der Herde traben, selbst wenn die ins Feuer trabt. Wenn jemand etwas anders macht, gilt er als verrückt oder schräg und wird ausgegrenzt.
Durchbruch ökonomischer Logik
Die ökonomischen Konventionen, die sie immer ärmer machen, werden der Mittelschicht unaufhörlich vom Bildungswesen, den Finanzberatern, den Massenmedien und allen möglich anderen Quellen eingetrichtert. Nehmen wir die Börse. Als alle Aktien teuer waren, hieß es überall: Jetzt musst du kaufen. Als alle Aktien billig waren, hieß es: Jetzt musst du auf Sicherheit setzen. Dabei müsste doch eigentlich jedes Kind wissen, dass man verkaufen soll, wenn alles teuer ist, und kaufen, wenn alles billig ist.
“Warum ihr schuftet und wir reich werden”
Oder bleiben wir beim Beispiel mit dem Eigenheim. Ich zeige in meinem Buch Investment Punk – Warum ihr schuftet und wir reich werden“, wie man mit der gleichen Belastung, die für ein durchschnittliches Haus am Stadtrand anfällt, viel komfortabler zur Miete wohnen kann und dabei ein halbes Dutzend Wohnungen in guter Lage an– und von Mietern abzahlen lassen kann. Aber dieses Verhalten entspricht nicht den ökonomischen Konventionen der Mittelschicht. Man tut es nicht. Ich habe es schon getan. Ich wohne zur Miete und halte derzeit bei fast 70 Eigentumswohnungen, die meine Mieter für mich abbezahlen.
Statusymbole ohne Nutzen
Oder das simple Beispiel Auto: Ein neues Auto kaufen zu müssen, das beim Verlassen des Autohauses bereits dreißig Prozent seines Wertes verliert, ist lediglich ein Mittelstandsprestige, nichts anderes. Ich kenne selbst sehr vermögende Unternehmer, die niemals ein neues Auto kaufen würden, weil es gegenüber einem drei Jahre alten gebrauchten Auto nicht den geringsten Mehrwert an Lebensqualität bring und deshalb schlicht und einfach dumm ist. Mein Audi zum Beispiel wurde in einer limitierten Auflage von 999 Stück gebaut, lässt fast jeden Porsche stehen, er beinhaltet jeden erdenklichen Luxus, und er kostete mich trotzdem nicht mehr als ein neuer VW Passat.
Das Grundübel bei der systematischen Abzocke der Mittelschicht ist das Bildungswesen. Es wurde von einem ökonomischen System hervor gebracht, das natürlich kein Interesse daran hat, dass viele, die wenig haben, zu den wenigen aufsteigen, die nichts haben. Dort lernen schon die Kinder vor allem, was man anziehen und was man tun muss, um dazu zu gehören. Später werden ihre Köpfe mit obskuren Dingen wie Latein oder Darstellender Geometrie vollgestopft, aber sie lernen nicht, wie man wirtschaftlich unabhängig wird. “Später werden ihre Köpfe mit obskuren Dingen wie Latein oder Darstellender Geometrie vollgestopft, aber sie lernen nicht, wie man wirtschaftlich unabhängig wird.”
“Fuck the Establishment”
Mein Buch heißt nicht deshalb Investment Punk, weil ich gerne auf Punk-Festivals gehe, eine Vorliebe für Punk-Klamotten habe und auf Punkmusik stehe. Ich habe in der Schule irgendwann begriffen, dass der Aufstieg zu denen, die viel haben, etwas mit Rebellion gegen das System zu tun hat. Über die Konventionen der Mittelschicht hinweg vermögend zu werden, das war und ist meine Art von Fuck the Establishment.
Noch ein paar Infos zum Buch von Gerald Hörhan, „Investment Punk – Warum ihr schuftet und wir reich werden“. Ein sicherer Angestelltenjob, ein Eigenheim auf Pump, ein Leasingauto und ein bisschen an der Börse spekulieren: Wer in diesem Hamsterrad strampelt, wird immer nur abgezockt. Investmentbanker Gerald Hörhan zeigt den Weg in die wirtschaftliche Unabhängigkeit: Wahre Aufsteiger müssen bereit sein, die ökonomischen Konventionen der Mehrheit hinter sich zu lassen.
Infos über den Autor: Gerald Hörhan holte als Jugendlicher bei der Mathematik-Olympiade eine Silbermedaille für Österreich. Später schloss er in Harvard Studien in angewandter Mathematik und Betriebswirtschaft magna cum laude ab, arbeitete für McKinsey & Co (Frankfurt) und sammelte bei JP Morgan (New York) Wallstreet-Erfahrung…
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