„Nehmen Sie die Menschen wie sie sind. Andere gibt es nicht“, hat Konrad Adenauer mal gesagt. Manche Kollegen machen es uns wirklich schwer, sie zu respektieren. Gibt Andrea Lienhart zu…
Wohl jeder hat bereits seine Erfahrungen gemacht. Da ist dieser unduldsame Chef – dieser unfreundliche Kollege – die unangenehme Kundin. Vielleicht denken Sie sich: „Schon wenn mein Chef / mein Mitarbeiter morgens hereinkommt, kriege ich Gänsehaut. Ich kann ihn einfach nicht leiden – und respektieren schon gar nicht!“
Ja, es gibt solche Situationen. Es sind echte Herausforderungen! Wenn Sie tatsächlich solch einen Kollegen täglich um sich haben – was können Sie tun? Erst einmal beobachten – und zwar zuerst sich selbst.
Gehen Sie zunächst in Selbstbeobachtung. Reflektieren Sie einmal in aller Ruhe Ihr Verhalten, Ihre Gefühle und Ihre Gedanken. Tun Sie dies, wenn Sie ungestört sind – also möglichst nicht im Büro, wenn das geschäftige Leben um Sie tobt, sondern besser in einer ungestörten Atmosphäre, wenn Sie für sich sind. Nehmen Sie sich eine halbe Stunde Zeit für die folgende Übung.
Fragenkatalog für schwierige Kollegen
- Was genau ist das, was mich an meinem Kollegen / meiner Kollegin so stört?
- Bin ich eher irritiert oder verärgert, aufgewühlt oder entsetzt?
- Fühle ich mich durch sie/ ihn verunsichert?
- In welcher Hinsicht – kann ich das näher einkreisen?
- Was genau ist es, was mich schier in den Wahnsinn treibt?
- Was kann oder macht er /sie nicht so gut?
- Wo steht sie / er sich manchmal selbst im Wege?
- Andererseits: Gibt es etwas, das mir an ihm / ihr durchaus gefällt?
- Wo liegen seine / ihre Stärken? Was kann und macht sie / er besonders gut?
- Für welche Aufgabe ist er / sie hervorragend geeignet?
Vielleicht denken Sie bei den drei letzten Fragen: „Ach, da fällt mir nun überhaupt nichts Positives ein!“ Aber weichen Sie bitte nicht aus – beantworten Sie diese Fragen trotzdem. Erst wenn Ihnen auch nach längerem Nachdenken kein Einfall kommt, wenden Sie sich an einen Kollegen oder an eine Kollegin, deren Urteil Sie vertrauen: „Hast du vielleicht eine Idee, was man über diesen sehr speziellen Menschen Positives sagen könnte?“
Die Antwort auf die Frage „Was macht mich an ihm oder ihr regelrecht wahnsinnig?“ ist besonders aufschlussreich… Denn wenn Sie sich selbst gut genug kennen, dann verstehen Sie, warum Sie bei manchen Menschen und in manchen Situationen leicht in Stress geraten.
Diese Frage verweist immer auf denjenigen zurück, der so empfindet. Daher lässt sie sich entsprechend umformulieren: „Wo genau dockt das Verhalten des Kollegen bei mir selber an?!“
Immer wenn mich etwas „wahnsinnig“ aufwühlt, heißt das, dass es an irgendeiner Stelle bei mir andockt. Vielleicht handelt es sich um eine Projektion, die ich habe? Vielleicht begegne ich in dem Wesen oder Verhalten meines Gegenübers der Spiegelung meines eigenen Wesens und Verhaltens.
Lob und Kritik – Zeichen von Respekt
Manchmal sind die schwierigen Kollegen auch nur deshalb so schwierig, weil sie sich permanent „unterlobt“ fühlen. Seien Sie großzügig mit Ihrem Lob!
Manchmal reicht schon eine kleine Wendung in der Formulierung aus, um Wertschätzung auszudrücken – etwa, indem Sie positive Erwartungen äußern anstatt Befürchtungen. Durch solche kleinen Signale wächst das gegenseitige Vertrauen – Vertrauen, ohne das auf Dauer kein Team funktionieren kann und auch kein Unternehmen.
Selbst Kritik kann ein Zeichen von Respekt sein, wenn sie ehrlich gemeint ist und glaubwürdig vorgetragen wird. Dann hat sie – ebenso wie aufrichtiges Lob – die Subbotschaft: „Ich nehme dich wahr, du bist mir wichtig!“ Dann wird sie zum Ausdruck von Achtsamkeit und Respekt. Nutzen Sie bewusst Gelegenheiten, um Ihrem „schwierigen“ Kollegen zu signalisieren: „Ihre / Deine Situation ist mir wichtig und liegt mir am Herzen.“
Sinn und Zweck – Frage nach dem Wozu
Stellen Sie sich auch einmal die Frage: Wozu ist es gut, dass sich Ihr Kollege so verhält? – Wozu ist es gut, dass Ihre Kollegin immer wieder diese schreckliche Art an den Tag legt, die Sie schier kaum atmen lässt, wenn Sie sich im selben Raum mit ihr befinden? Wozu – und nicht: Warum?
Die Frage nach dem Wozu hat es in sich … Wussten Sie, dass jede unserer Schwächen auch einen – mindestens einen! – Nutzen mit sich bringt. Und dass wir aus jeder einzelnen Schwäche auch Vorteile ziehen können? Jeder, der sich in irgendeiner Weise verhält, verspricht sich für sich einen Nutzen aus dem, was er tut oder was er sagt.
“Schwierige“ Kollegen gibt es nicht. echt jetzt?”
Nehmen wir zum Beispiel einen Menschen, der cholerisch ist. Welchen Nutzen zieht ein Choleriker aus seinem Verhalten? Nun, vielleicht kann er sich in manchen Situationen besser durchsetzen. Oder er nutzt es als Möglichkeit, um Stress abzubauen – zweifellos ein Vorteil im Vergleich zu anderen Menschen, die Stress in sich hineinzufressen pflegen …
Natürlich können Sie sich genau dasselbe fragen im Hinblick auf schwierige Zeitgenossen. Über die Frage: „Wozu macht er das – wozu ist das für ihn selber gut?“ können Sie möglicherweise dem Grund für seine Verhalten auf die Spur kommen.
Kennen Sie die Aussage: „Es gibt keine schwierigen Kunden?“ Genauso könnten Sie sich sagen: „Schwierige“ Kollegen gibt es nicht – nur solche, mit denen Sie noch nicht richtig umgehen können. Dahinter steht die Überlegung: Gerade dort, wo es „schwierig“ wird / wo der Kollege „schwierig“ ist – da gibt es immer einen sehr guten Grund für sein Verhalten. Jedenfalls aus seiner Sicht …
Rückblick – Lernen aus früheren Erfolgen
Eine gute Möglichkeit, den Respekt vor „schwierigen“ Kollegen zu erlangen oder wieder zu erlangen, besteht darin, sich an vergleichbare Situationen zu erinnern: Denn wenn Sie bereits einmal eine ähnliche Situation gut gemeistert haben, werden Sie sich bestimmt noch an das angenehme Gefühl erinnern, das damit verbunden war.
Dann können Sie sich überlegen: „Wann ist es mir denn bereits gelungen, den Respekt zu mit einem problematischen Kollegen wieder zu gewinnen? Wie habe ich das seinerzeit gemacht? Was davon könnte ich möglicherweise auf die jetzige Situation übertragen?“
Wenn wir uns über andere ärgern – dann ärgern wir uns im Grunde über die Verschiedenartigkeit der Menschen. Vermutlich kommt den anderen nämlich ihr Verhalten angemessen und ganz „natürlich“ vor. Sie sind durch Erziehung, Erfahrung, ihre Gene, ihre Herkunft, ihre Kultur oder ihr Lebensalter anders geprägt als wir selbst und schauen die Welt mit anderen Augen an.
„Respekt“ bedeutet deswegen in erster Linie: Andersartigkeit zu respektieren. Natürlich sind andere Menschen anders als ich! Wenn ich sie ohne Wenn und Aber annehme, so wie sie eben sind, dann brauche ich meine eigene Sichtweise keinesfalls aufzugeben.
Die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln und sich in eine andere Person hineinzuversetzen, ist eine Grundkompetenz für gutes und respektvolles Miteinander.
Autoreninfo: Andrea Lienhart ist Mitglied der GSA (German Speakers Association), der Vereinigung Deutscher Spitzentrainer. Ihre großen Idee: eine andere, menschenfreundlichere Unternehmenskultur. Ihr neuestes Buch „Respekt im Job. Strategien für eine andere Unternehmenskultur“ ist im April erschienen.
Artikelbild: baranq/ Shutterstock
2 Kommentare
Super Webseite,… werde hier auch in Zukunft zurückgreifen ;-) DANKE !!!! Liebe Grüße Mia