In der BILD-Zeitung und anderen Boulevards war er keine Unbekannte mehr: Josef Müller. Stets adrett gekleidet, mit Moshammer-Tolle und Schnauzbart, wahlweise an der Seite von prominenten Schauspielern, Politikern oder Sängern, immer im Rollstuhl. „Champagner Müller“ nannte ihn die Klatschpresse – finanziert durch Betrügereien im sechsstelligen Bereich. Die flogen nacheinander auf, er hat ausgepackt. Auszug aus Müllers Buch…
Müller ließ sich nicht lumpen: ein Maybach als Limousine, teure Wochenenden auf seiner Yacht. Hier mal einen Tausender für eine Flasche Dom Pérignon Schampus, da mal 10.000 Euro für neue Anzüge. „Wenn ich am Wochenende Party machte, nahm ich immer 20.000 Euro als Taschengeld mit“, sagt er. Die Sache hatte nur einen Haken: Meistens war es nicht sein Geld, das er da verjubelte. Für das Leben in Saus und Braus wurde Müller zum Millionen-Betrüger. Seine filmreife Geschichte hat der einstige Steuer- und Anlageberater der Münchner Schickeria aufgeschrieben. Wir haben ihn bereits interviewt, hier ein Buchauszug.
Der vitale «Dreadnought»
„A Hund is er scho“ – sagen die Bayern, wenn sie finden, dass jemand ganz besonders unangepasst, clever und stark ist. Ja, a Hund wollte er sein, der Josef Müller. Der vitale «Dreadnought», der Fürchtenichts und Kraftprotz im Rollstuhl, der es allen, allen, allen gezeigt hatte. Josef Müller, der clevere, unorthodoxe Geschäftsmann, der aus dem Nichts kam, aber einen untrüglichen Riecher für Geld und Erfolg besaß. Josef Müller, der Selfmademan, der ökonomisch durch jede Wand ging. Josef Müller, der Grandseigneur – Botschafter von Zentralafrika, Konsul von Panama, Mann von Welt –, der sich aus kleinen Verhältnissen in Fürstenfeldbruck bei München in den internationalen Jetset hochgebeamt hatte. Josef Müller, der Genussmensch und Frauenliebhaber …Es gab eine Zeit, da sah mein Selbstbild ungefähr so aus.
In meiner Jugend war der Märchenwald Grafrath in der Nähe vom Ammersee (und Chiemsee) für alle Familien im weiten Umkreis ein Begriff. Der kapitalfrohe Betreiber hatte eine Art Legoland im Kleinen geschaffen, ein Erholungsparadies für Kinder, vielmehr für Familien, die sich die horrenden Eintrittspreise und die kleinen Zusatzausgaben im Inneren des Paradieses leisten konnten. Leider war der Märchenwald nicht für alle Kleinen ein Paradies, denn ein paar Dutzend von ihnen, Kinder wie ich, unterhielten das Ganze in einem System von Kinderarbeit.
“2 Mark pro Stunde”
Heute würde ein solches Unternehmen innerhalb kürzester Zeit in die Luft fliegen. Im Alter von zwölf, dreizehn und fünfzehn Jahren schuftete ich einen Großteil meiner Freizeit im Märchenpark – für zwei Mark in der Stunde. Ich konnte mich allerdings nur schwer unterordnen. Irgendwie war ich schon immer gerne Chef. Ob im Märchenwald oder sonstwo: Ich dachte wie der Chef, rechnete wie der Chef, hielt Ausgaben gegen Einnahmen. Die anderen Kinder schauten auf mich: Was macht der Josef? Wie denkt der Josef?
Knallharter Verhandlungspartner
Josef dachte subversiv: Der Märchenwald-Betreiber sackt die Kohle ein ohne Ende. Und wir Kinder machen die Arbeit! Für zwei Mark pro Stunde. Das ging gar nicht. Also habe ich die anderen Kinder aufgewiegelt, hab mir Tricks ausgedacht, wie wir unser schmales Salär aufbessern konnten. Manchmal haben wir Billetts einfach zweimal verkauft. Aber das reichte mir nicht. „Der macht so a Rieseng’schäft an Ostern!“, hetzte ich gegen Mister Märchenwald, „jetzt mach ma a Rövolution!“
Am Ostersamstag baute ich mich vor unserem Herrn und Sklaventreiber auf und ließ ihn wissen: „Es gibt jetzt für alle Kinder einen Hunderter cash auf die Hand, oder Sie können Ihren Laden an Ostern alleine betreiben.“ Der Märchenonkel riss die Augen auf, bevor er platzte: „Saubande, elendige! Ich entlasse euch alle!“ Dann eben nicht. Ich ging. Aber ich wartete mal vor seiner Türe noch ein Weilchen. Kaum waren zehn Minuten vergangen, stürzte er aus seinem Büro: „Okay, gut, ich mach das, ich zahl’s euch am Abend aus!“
Ja, es war Erpressung, aber meine Forderung war andererseits auch nicht ungerecht. Auf eine Auszahlung am Abend ließ ich mich natürlich nicht ein – ich kannte die Schliche des Märchenonkels und forderte die hundert Flocken sofort, cash und auf die Kralle für alle vierzig mitarbeitenden Kinder, sonst würden wir alle die Arbeit niederlegen. Tausende von Besuchern waren bereits auf der Anlage. Innerhalb von zwanzig Minuten gab es tatsächlich die vereinbarte Sonderzahlung von hundert Mark, aber auch einen Rausschmiss erster Klasse für alle Kinder noch am gleichen Abend.
Am nächsten Tag, einem herrlichen sonnigen Ostersonntag, kam ein ebenso reu- wie kleinmütiger Anruf, ob wir denn, hm, nun ja … unter gewissen Umständen nicht doch wieder … Okay, ließ ich den Märchenwaldboss wissen, aber nur für eine Wiedereinstiegsprämie von hundert Mark. Wir bekamen sie, traten bald in Tarifverhandlungen und einigten uns später auf eine faire Summe.
„Haste was, dann biste was“
Seit meiner Jugend war ich der Logik des Geldes gefolgt. Anfangs ging es mir dabei weniger um das Geld an sich. Geld kam mir nur als ein Nebeneffekt gelungener Geschäfte vor. Wo immer ich hinkam, checkte ich die Lage und die Läden, sah ihnen meist auf den ersten Blick Erfolg oder Misserfolg an. Einmal besuchte ich eine Disco, blieb aber an der Küche hängen. Wie kompliziert die da die Schnitzel zubereiteten! Das ist ja total irrational! Ich fragte mich nach dem Geschäftsführer durch und wies ihn auf die ineffizienten Arbeitsabläufe hin. Mann, so konnte man doch kein Geld verdienen!
Der Gute schaute mich an wie ein Auto. Vor allem aber interessierte mich die Anerkennung, die sich in der Währung Geld ausdrückte, und das Machtspiel. Josef Müller, der ohnmächtige Mann im Rollstuhl, konnte Millionen bewegen.
Als Steuer- und Anlageberater belustigte mich heimlich die Gier, die meine Kunden hinter ihren Sonnenbrillen versteckten. Ich wusste, ich konnte sie befriedigen, konnte ihren Schotter vermehren, konnte sie reich machen. Das hatte einen satten Klang in meiner Seele. Der Spruch „Haste was, dann biste was“ wurde zu meinem Lebensmotto.
Und wo kam mein Reichtum her? Ich machte einfach dort weiter, wo ich in meiner Jugend begonnen hatte, getrieben vom Müller-Ehrgeiz, getrieben von der Lust, es meinem Vater zu zeigen – und allen anderen, die mich für einen lebensunfähigen Krüppel hielten. Mit zwanzig Jahren, 1975, besaß ich bereits genug Geld, um einen eigenen Schallplattenladen in Fürstenfeldbruck eröffnen zu können. Als die Firma wenig später richtig gut lief, stieß ich sie mit Gewinn wieder ab. So machte ich es häufig. Der erfolgreiche Betrieb des Unternehmens forderte inzwischen meinen ganzen persönlichen Einsatz. Aber ich hatte keine Lust, mich mit dem Klein-Klein, den Personalproblemen und Werbemaßnahmen, zu beschäftigen. Ich wollte mehr. Viel mehr. Diese Gier ließ mich zum Schurken werden…
Der Betrugstatbestand des Strafgesetzbuchs (§ 263 StGB) lautet in seinem Absatz 1: “Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.” Die Absätze 2 bis 7 regeln die Strafbarkeit des Versuchs, besonders schwere Fälle, Bandenbetrug, die Anordnung von Führungsaufsicht sowie entsprechend anwendbare Normen.
Über den Autor: Der Münchner Finanzjongleur Josef Müller bewegte sich Jahrzehnte lang in den Kreisen der Superreichen. Er gründete mehrere Steuer- und Wirtschaftsprüfungskanzleien mit insgesamt fünfzig Mitarbeitern. In seinem Buch „Ziemlich bester Schurke“ erzählt der Autor wie er vom angesehenen Steuerberater zum Betrüger wurde – und wie ein Gefängnisaufenthalt sein Leben für immer veränderte…
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