Viele Studierende fühlen sich den Leistungsanforderungen im Studium nicht gewachsen. Um Stress und Leistungsdruck meistern zu können, greifen manche zu leistungsfördernden Mitteln. Interview mit Hanna Hardeland…
Früher haben Studierende ihre Konzentrations- und Leistungsfähigkeit durch Traubenzucker oder Studentenfutter „geputscht“! Heute wird neben Kaffee, Zigaretten und Energy-Drinks auch zu illegalen oder verschreibungspflichtigen Substanzen wie Kokain, Ritalin, Amphetamin gegriffen, um die Nacht am Schreibtisch überstehen zu können.
Karriere-Einsichten: Sind denn alle Studierenden Dopingsünder?
Hanna Hardeland: Das Thema Hirndoping wird gegenwärtig viel diskutiert und häufig von den Medien aufgegriffen. Es gibt jedoch nur wenige aussagekräftige Studien zu dem Thema, zumal von einer Dunkelziffer ausgegangen wird. In einer 2010/2011 durchgeführten Studie der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) gaben etwa fünf Prozent der Studierenden an, Hirndoping zu betreiben.
Sie nehmen beispielsweise verschreibungspflichtige Medikamente, Beruhigungs- oder Aufputschmittel ein. Weitere fünf Prozent gaben an, softere Dopingmittel zu konsumieren wie Koffein oder homöopathische Mittel.
Karriere-Einsichten: Sagt eine…
Hanna Hardeland: Forsa-Umfrage, die im Mai 2012 im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) durchgeführt wurde, nimmt jeder zehnte Student Psychopharmaka ein. Darüber hinaus suchten ca. zwei Prozent der männlichen Studierenden mindestens einmal einen Psychotherapeuten auf. Bei den Frauen waren es etwa sechs Prozent.
Konkurrenzdruck standhalten
Karriere-Einsichten: Was sind die Gründe für Hirndoper im Studium?
Hanna Hardeland: Viele Studierende fühlen sich dem Leistungs- und Konkurrenzdruck im Studium nicht gewachsen. Aufgrund der verkürzten Studienzeiten und der vermehrten Praktika geraten sie in Zeitdruck. Die Zeitknappheit versuchen sie durch nächtelanges Büffeln zu kompensieren. Es entsteht eine Art Teufelskreislauf, der partiell mit Schlafmangel und nächtlichen (stressbedingten) Grübeleien einhergeht.
“Dauerstress”
Um dann am Tag wieder leistungsfähig sein zu können, wird beispielsweise zu Koffein oder Energy-Drinks gegriffen. Eine Art chronischen Dauerstresses entsteht. Insbesondere Studierende mit schlechteren Noten greifen – dies beweisen verschiedene Studien – eher zu Hirndoping, um dem Konkurrenzdruck standhalten zu können.
Karriere-Einsichten: Hirndoping, was bringt`s?
Hanna Hardeland: Bisher wissen wir noch wenig über die Langzeitfolgen dieser Stimulanzien. Es wird vermutet, dass Hirndoping nicht die Denkfähigkeit, sondern vielmehr die Motivation verbessert.
Unumstritten ist, dass unser Gehirn zum Lernen einen ausreichenden Tiefschlaf braucht, um das Gelernte im Gehirn zu festigen und verankern zu können. Wird also nächtelang durchgelernt, so führt der Schlafmangel unweigerlich zu Konzentrations- und Leistungsschwierigkeiten.
Karriere-Einsichten: Wie kann ich denn „legal“ meine Leistung verbessern?
Hanna Hardeland: Wesentlich effektiver, gesünder und nachhaltiger – auch für das Berufsleben – ist es, wenn Studierende Strategien zum Umgang mit Stresssituationen erlernen. Dazu sollten sie zu allererst zur Wahrnehmung ihrer stressauslösenden Faktoren und Gedanken sensibilisiert werden. [pullquote align=”right”]”Dann können „legale“ Strategien zur Stressbewältigung wie positive Glaubenssätze, progressive Muskelentspannung erprobt werden.”[/pullquote]
Lernen lernen
Karriere-Einsichten: Und, was gibt es noch?
Hanna Hardeland: Des Weiteren tragen ein effektives Zeitmanagement und der Einsatz von Lernstrategien dazu bei, dass Studierende sich den Anforderungen des Studiums gewachsen fühlen. Wer neben den Anwesenheitszeiten in der Hochschule auch noch Zeitfenster für die Schreibtischarbeit, den Nebenjob und vor allem für seine Freizeit einplant, gerät nicht am Ende des Semesters in Panik und kann so nächtelanges Büffeln vermeiden. Nutzt der Studierende effiziente Lernstrategien, beispielsweise beim Schreiben einer Hausarbeit, so kann er viel Zeit etwa bei der Sichtung von Literatur sparen.
Karriere-Einsichten: Wo gibt es professionelle Unterstützung?
Hanna Hardeland: Studierende können beispielsweise, wenn sie unter Leistungs- oder Konkurrenzdruck leiden auch professionelle Unterstützung aufsuchen. Dazu kann klassischerweise die Studienberatung genutzt werden. Mittlerweile bieten einige Hochschulen, etwa die Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, auch Lerncoaching für ihre Studierenden an.
Teilweise ist ebenso die Unterstützung eines externen Lerncoaches oder Coaches ratsam, etwa wenn den Studierenden das Beratungsangebot an den Hochschulen nicht zusagen. Hier entwickelt der Coach bzw. Lerncoach gemeinsam mit dem Studierenden individuelle Handlungsstrategien zur Optimierung des Lernverhaltens.
Über die Autorin: Hanna Hardeland ist Berufsschullehrerin, Coach und Lerncoach. Als freiberuflicher Coach und Lerncoach begleitet sie Berufstätige und Lernenden auf ihrem Weg zu mehr Effektivität, Leistungsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit.
Artikelbild: Rawpixel.com/ Shutterstock
8 Kommentare
Gerade die Einnahme von Ritalin wird an deutschen Universitäten immer häufiger beobachtet. Grund dafür könnten die Zusatzbelastungen durch das Bachelor und Master System sein.