In der digitalen Ära rücken Benutzererfahrungen (User Experience, UX) ins Zentrum der Technologieentwicklung. Unternehmen erkennen zunehmend, dass erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen nicht nur technologisch fortschrittlich, sondern auch intuitiv und benutzerfreundlich sein müssen. Aber was passiert, wenn die Technologie selbst beginnt, sich anzupassen und zu lernen? Künstliche Intelligenz (KI) ist dabei, das Feld der UX zu revolutionieren, indem sie maßgeschneiderte, proaktive und immer intuitivere Nutzererfahrungen bietet. Interview mit Ivan Kutanin, CEO von Skylum …
Die Verbindung von UX-Design mit KI eröffnet eine Fülle von Möglichkeiten, birgt aber auch Herausforderungen. Für Fachleute, die eine Karriere in diesem spannenden Schnittbereich anstreben, bedeutet dies, dass sie nicht nur Kenntnisse in Design und Benutzerforschung, sondern auch ein tiefes Verständnis für KI und deren Möglichkeiten benötigen.
In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die sich verändernde Landschaft von UX in der KI-Ära, die Fähigkeiten, die heute gefragt sind, und wie man sich in diesem innovativen Bereich behaupten kann. Willkommen in der Zukunft des Nutzererlebnisses. Nicht zuletzt wegen der jüngsten Fortschritte in der KI-Entwicklung sind KI-basierte Programme kaum noch aus dem (Arbeits-)Alltag wegzudenken. KI wirkt in den verschiedensten Bereichen wie beispielsweise derKonzeptentwicklung und der Texterstellung mit. In der Bildbearbeitung kann eine gezielt eingesetzte KI eine besonders positive User-Experience (UX) schaffen, die sich durch eine intuitive, leichte Bedienbarkeit auszeichnet. Mit der zunehmenden Nutzung von KI müssen allerdings auch ihre tiefgreifenden Auswirkungen und Problematiken beleuchtetwerden.
Zum Thema KI in der UX kann Ivan Kutanin, CEO von Skylum und führender Anbieter KI-basierter Bildbearbeitungssoftwares wie Luminar Neo, viel berichten. Er hat die Vorteile von KI-Technologie früh erkannt. Und diesefür die Luminar-Fotoeditor-Reihe laufend weiterentwickelt, um ein intuitives Programm für die Fotobearbeitung zu liefern –mit leicht verständlichen Begriffen und Werkzeugen, die Laien wie Profis die kreative Bildbearbeitung erleichtert.
Karriere Einsichten: Wo kommst du ursprünglich her?
Ivan Kutanin: Ich komme ursprünglich aus Kyiv in der Ukraine. Mein Interesse an Technologie und Innovation wurde während meines Studiums über Informationssysteme und Netzwerke an der Nationalen TechnischenUniversität Kiew geweckt. Bevor ich bei Skylum (früher Macphun) einstieg, habe ich im Bereich Lieferkettensysteme und IT-Kommunikation gearbeitet und in Unternehmen die App-Entwicklung von der frühen
Konzeptphase bis zur Produktion geleitet. Dann startete ich bei Skylum als Head of Development und baute bald dieAbteilung für Produktmarketing auf, bei der ich insbesondere für die Wachstumsstrategien unserer Bearbeitungssoftware-Reihe Luminar zuständig war. Dabei konnte ich zeitaufwendige Prozesse im Unternehmen deutlich minimieren.
Karriere Einsichten: Wann ist dir KI erstmals begegnet?
Ivan Kutanin: Mit KI kam ich Anfang 2015 in Berührung als wir mit unserer Forschungs- und Entwicklungsabteilung die Segmentierung von Objekten im Bild untersuchten. Bei der Bildsegmentierung wird jeder Pixelwert eines Bildes einer Klasse zugeordnet, z.B. bei der Segmentierung von Gesichtern oder der Identifizierung verschiedenerObjekttypen. So erhält man detaillierte Informationen über ein Objekt. Aus dieser Untersuchung ist unser erster intelligenterKI-gestützter Fotofilter Accent AI entstanden. Er kann herkömmliche Steuerelemente wie Schatten, Licht, Kontrast, Ton, Sättigung, Belichtung oder Details ersetzen.
Karriere Einsichten: Wie schätzt du die ethischen Fragen rund um KI ein? Wie stehst du zu sogenannten Deep Fakes?
Ivan Kutanin: KI wird oft mit generativer KI gleichgesetzt. Dabei ist der Begriff ‘Künstliche Intelligenz’ ja Oberbegriff für eine Computersoftware, die nach dem Vorbild menschlicher Kognition komplexe Aufgaben erfüllt und dabei erfahrungsbasiert lernt. Das sogenannte maschinelle Lernen (ML) nutzt innerhalb der KI dann Algorithmen, diewiederum auf Daten trainiert werden, um anpassungsfähigere Modelle zu bilden. So können komplexere Aufgaben gelöst werden. Diese Algorithmen wurden bereits vor dem Aufkommen der aktuellen ‘Gen-KI’-Modelle jahrelang in Fotosoftware integriert. Meiner Meinung nach liegt das moralische Problem der KI im Bildbearbeitunsgbereich eher darin, dass viele Motiveaus dem Internet mithilfe von KI-basierten Bildbearbeitungssoftwares genutzt werden, ohne dass die Urheber:innen dazuihre Zustimmung gegeben haben.
Wenn es um die Echtheit der Motive geht, muss man zwei Arten von Fotografie unterscheiden: Fotorealistische wie im Fotojournalismus, mit dem Ziel, den Moment zu dokumentieren. Da ist kaum Retusche erwünscht (die frühen Fotografen vom ‘National Geographic’ durften z.B. gar nicht retuschieren). Bei der kreativen Fotografie hingegen haben Künstler:innen die völlige Freiheit, ihre Vision mit allen Mitteln auszudrücken. Solange KI-generierte Bilder nicht dazu verwendet werden, Menschen gezielt zu hintergehen, sehe ich aber nicht unbedingt Grund zur Sorge. Es kommt darauf an, WIE die Menschen die Technologie einsetzen.
Wenn es darum geht, Authentizität festzustellen und zu sichern, müssen Kontextinformationen ran: Die Quelle, der Zweck des Bildes, möglicherweise die mit dem Bild verbundenen Metadaten (Zeitstempel, Kameraeinstellungen) oder Geolokalisierung. Mit KI wächst zwar die Möglichkeit, äußerst realistische Bilder zu erzeugen, aber das gilt jaglücklicherweise auch für die Werkzeuge, die zur Erkennung von KI-generierten Inhalten dienen.
Karriere Einsichten: Wie wird sich KI entwickeln? Wird menschliche Kreativität irgendwann ersetzbar?
Ivan Kutanin: KI hat das Potenzial, einen tiefgreifenden Wandel in allen Branchen zu bewirken. Man kann das mit der maschinellenAutomatisierung in den Fabriken des 20. Jahrhunderts vergleichen. In dem Maße, wie KI repetitive und manuelle Aufgabenübernimmt, kann sie Menschen die Möglichkeit geben, ihre Energien auf andere Aufgaben zu lenken. Ich bin davon überzeugt, dass KI menschlichen Einfallsreichtum fördern kann. Kreative Menschen werden noch mehr Wege finden, sich zu entfalten. KI ist die Unterstützung dabei und kein Ersatz.
Karriere Einsichten: Warum hast du dich entschieden, Skylum-Produkte auf KI-Technologie aufzubauen?
Ivan Kutanin: Bei Skylum wurden Kreativität und Technologie immer eng verbunden. Unser erstes Kernentwicklungsteam kam aus der Spieleentwicklung. Wir haben die Innovation unserer Software also quasi wie ein neues Spiel bearbeitet.
“Voreingenommenheit gegenüber KI-Modellen”
Mittlerweile sind KI-Technologien seit über 5 Jahren Teil unserer Bearbeitungssoftware. Wir legen Wert auf einenpraxisorientierten Ansatz, indem wir die Anwendungen selbst testen und sicherstellen, dass die KI-Modelle für die Benutzer:innen gut funktionieren. So verstehen wir auch die ethischen Bedenken, die sich aus den Auswirkungen der KI auf den kreativen Prozess und der potenziellen Voreingenommenheit gegenüber KI-Modellen ergeben. Ich denke, es ist die Verantwortung von Unternehmen, durch sorgfältige Datensammlung und Auswertung für transparente KI-Modelle zu sorgen, um Befürchtungen auszuräumen.
KI-gestützte Tools wie Luminar Neo können mühsame Aufgaben automatisieren und die Effizienz des Workflows verbessern. So kann die Arbeit mit unseren KI-basierten Softwares beispielsweise Anfänger:innen helfen, professionellere Ergebnisse zu erzielen, indem sie bestimmte Einstellungen (Komposition, Helligkeit, Kontrast) an den Kontext des Bildes automatisiert anpassen können.
Einsteiger:innen können hochwertige Bilder kreieren und ihre Ideen zum Ausdruck bringen, ohne wochenlang Tutorials anzusehen und die Details der Bearbeitung lernen zu müssen.
Karriere Einsichten: Wie hängen KI und Benutzererfahrung zusammen?
Ivan Kutanin: Manchmal kann KI Kund:innen tatsächlich besser verstehen als manch Ingenieur:in. Und dadurch, dass bei Skylum mehrals die Hälfte der Mitarbeiter:innen selbst Fotograf:innen sind, verstehen wir die Bedürfnisse der Nutzer:innen bestens.Wenn es um das Nutzererleben innerhalb der App geht, kann uns KI helfen, indem sie Verhaltensmuster erkennt, uns beim Onboarding unterstützt, wiederholte Anfragen verfolgt und ein maßgeschneidertes Erlebnis erzeugt.
Karriere Einsichten: Was sind die Trends der Zukunft? Wie wird sich die Technologie verändern?
Ivan Kutanin: Wir beobachten eine beeindruckende technische Entwicklung in der sogenannten Computer Vision, also dem Gebietinnerhalb KI, das für die Sammlung, Verarbeitung und Weiterentwicklung aller visuellen Elemente verantwortlich ist. KIverändert zurzeit Branchen, die in hohem Maße noch auf menschliche visuelle Wahrnehmung angewiesen sind. Branchen wie Medien, Logistik, Transport und Gesundheitstechnologie und auch die Kreativwirtschaft befinden sich im Wandel. Einigen Prognosen zufolge wird der weltweite Markt für Computer Vision bis 2027 ein Volumen von 19,1Mrd. USD erreichen bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 7,6 %. Deshalb sollten KI-Technologien reguliert werden, um eine sichere, ethische Nutzung zu gewährleisten. Mein Wunsch wäre, dass dieTechnologien zugunsten der Menschheit und ihrer Kreativität genutzt werden. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zu finden, um das Potenzial von KI nutzen zu können und zugleich etwaige Risiken zu mindern.
Karriere Einsichten: Wie wird die Welt in 50 bis 100 Jahren mit KI aussehen?
Ivan Kutanin: Ich denke, dass sich die KI-gestützte Robotisierung in 50 bis 100 Jahren massiv weiterentwickelt hat. Um ein paarBeispiele zu nennen: Die Fortschritte könnten Sektoren wie das Gesundheitswesen revolutionieren, indem KI-gesteuerteDiagnostik und Behandlungsplanung zur Routine werden und zu einer verbesserten Patientenversorgung beitragen.Auch die städtische Infrastruktur und das Verkehrswesen sind durch KI-gesteuerte Systeme optimiert, sodass Verkehrsstaus und Umweltbelastungen minimiert werden. Roboter könnten wahrscheinlich Kellner, Kassierer und sogar Taxifahrer ersetzen. Hinsichtlich Kreativbranche glaube ich, dass KI eine Obergrenze hat. Die KI besitzt schließlich nicht das, was wir alsmenschliche Vorstellungskraft bezeichnen. Daher halte ich es für unwahrscheinlich, dass KI die menschliche Intelligenz in absehbarer Zeit gänzlich übertreffen wird.
Karriere Einsichten: Was macht die Software von Luminar Neo einzigartig im Vergleich zum Markt?
Ivan Kutanin: Luminar Neo ist unsere Fotobearbeitungssoftware der neuesten Generation und verfügt über rund 40 komplexe KI-Modelle, was es enorm leistungsstark macht. Die Anwendungen von Skylum sind vor allem für ihreBenutzerfreundlichkeit bekannt, den mühelosen Einstieg für Anfänger:innen. Wir haben uns bei Luminar Neo sehr aufdie Benutzeroberfläche konzentriert und sie so einfach wie möglich gestaltet, wofür wir auch mehrere Awards gewonnen haben. Wir entwickeln die Bildbearbeitungssoftwareständig weiter, damit sich in wenigen Klicks ein beeindruckendes Bild erstellen lässt. Wofür unsere Nutzer:innen imVergleich zu anderen Softwares auf dem Markt kaum Bearbeitunsvorkenntnisse benötigen. Wir wollen, dass Fotograf:innen jeden Levels mehr Zeit für den kreativen Prozess finden und weniger Zeit in den manuell technischen Prozess der Nachbearbeitung stecken müssen.
Karriere Einsichten: Was möchtest du als CEO von Skylum mit dem Unternehmen noch erreichen?
Ivan Kutanin: Wenn ich nach unseren Geschäftszielen gefragt werde, ist meine langfristige Vision für Skylum eine Reihe kreativerSoftwares und Tools zu erschaffen, die Millionen von Fotograf:innen weltweit zu mehr Kreativität inspiriert. Basierend auf unserem Hauptprodukt Luminar Neo und unserer Kernkompetenz im Bereich der Fotografie, ist Skylums Ziel, dass noch mehr Menschen die Fotografie als Hobby entdecken und ihre kreative Seite nutzen. Denn dieFotografie kann Menschen an Orte, die sie vorher niemals besucht hätten, bringen.
Artikelbild: Michael Dziedzic/ Unsplash