Bei allen Klagen über die Corona-Maßnahmen und dem Lärm um die Spaltung der Gesellschaft entdecken viele Unternehmen auch ein verstärktes Wir-Gefühl ihrer Mitarbeiter. Jens Gieseler hat sich umgehört…
Elmar Czeko, Leiter Covid-19-Taskforce bei Leoni stellt fest: „Natürlich machte und macht das Sicherheitskonzept manches umständlicher. Aber so, wie ich es erlebe, ist jeder und jedem klar, dass wir Covid-19 nur mit gegenseitiger Rücksichtnahme meistern werden.“
Während IT-Unternehmen ihre Mitarbeiter nahezu komplett ins Homeoffice schicken können, standen produzierende Unternehmen, die nun tatsächlich Hand in Hand arbeiten und zwar an diversen internationalen Standorten und dementsprechend unterschiedlichen staatlichen Vorgaben, vor ganz anderen Problemen. So umfasste das Hygiene-Konzept bei Leoni einerseits grundlegende Verhaltensregeln wie zum Social Distancing, besonderen Hygienevorschriften oder auch Reisebeschränkungen.
Mobilität mit Abstandsgebot
Andererseits stellte der Automobilzulieferer seinen Mitarbeitern Schutzmaterialien wie Masken zur Verfügung und achtete beim Transport und der Mobilität der Mitarbeiter, dass Abstandsgebote eingehalten wurden, indem beispielweise mehr Busse eingesetzt wurden. Oder die Nürnberger halfen ihren Mitarbeitern durch Impfaktionen in Deutschland oder Russland, in Ägypten oder Brasilien.
Branchenübergreifend ist die Mehrheit der Mitarbeiter deutschsprachiger Unternehmen (57 Prozent) beeindruckt von dem Engagement und der Fürsorge ihrer Führungskräfte – ob Homeoffice, Arbeitsmöglichkeiten oder Technik, Homeschooling, Kontaktbeschränkungen wegen Eltern oder überhaupt Zusammenspiel von Familie und Beruf. Drei Fünftel der Beschäftigten haben den Eindruck, dass ihr Unternehmen ein besseres Verständnis für sie entwickelt hat. Das ist das Ergebnis der zweiteiligen Studie „Corona und die Folgen“ des Personaldienstleisters Hays. Einerseits wurden 1000 Beschäftigte befragt, andererseits 755 Führungskräfte.
“Mitarbeitende honorieren die offene Kommunikation ihres Unternehmens”
Knapp zwei Drittel der Mitarbeiter honorieren die offene Kommunikation ihres Unternehmens über die jeweils aktuelle Lage und Prognose, selbst wenn die Geschäftsführung nur die eigene Unsicherheit oder Genervtheit über die wechselnden Verordnungen mitteilen konnte. Auch der kommunizierte Kontrollverlust stärkt die Gemeinsamkeit. Grundsätzlich fühlen die Mitarbeiter durch den Austausch mehr Wertschätzung und Anerkennung.
“Balanceakt zwischen Vertrauen und Kontrolle”
Allerdings gibt es auch Kritik am Führungsverhalten. Das betrifft einerseits die engmaschige Kontrolle und andererseits fehlende Empathie. So beklagen 48 Prozent der Mitarbeiter den gestiegenen Druck, knappe zwei Fünftel registrieren Führung von oben herab und 36 Prozent, dass sie sehr genau kontrolliert werden, wann, wie viel und wie sie arbeiten. 45 Prozent fühlen sich stärker austauschbar und weniger wichtig und mehr als ein Drittel ist sogar nachhaltig enttäuscht von seinem Unternehmen.
Führung sei ein Balanceakt zwischen Vertrauen und Kontrolle, so Dirk Hahn. Der CEO der Mannheimer Hays AG weiter: „Die Aussagen zur zunehmenden digitalen Kontrolle und dem in der Realität nur teilweise umgesetzten partizipativen Führungsstil sollte Führungskräfte aufhorchen lassen. Hier zeigen sich wichtige Stellschrauben zur Mitarbeiterbindung, gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels“.
„Wir kommen, wenn ihr weg seid“, so das Motto. Obwohl inzwischen viele Maßnahmen gefallen sind, arbeiten lediglich rund 20 Prozent der Mitarbeiter im Büro. Vier Fünftel bleiben gegenwärtig noch zu Hause. Nach mehr als sechs Stunden Hackathon bis in den frühen Morgen hatten die Programmierer eine neue Idee ausgetüftelt, um die Software für Personalentwicklung und Ausbildungsorganisation weiter zu optimieren.
Als es im März 2020 mit Corona losging und Andreas Nau seine 90 Mitarbeiter ins Homeoffice schickte, machte sich der Geschäftsführer des Software-Entwicklers Easysoft unter anderem Gedanken, ob die Innovationsfähigkeit des Unternehmens auf dem hohen Niveau bleibt. Der spontane Ideenaustausch und das schnelle Zusammenhocken auf den Schaukeln oder Kommunikationsinseln im Büro waren schließlich unmöglich geworden. Seine Mitarbeiter haben ihn in den vergangenen zwei Jahren immer wieder überrascht. Erst kürzlich lief das gesamte Entwickler-Team in der Metzinger Niederlassung ein – freitags um 18 Uhr.
Wissen auf dem “kleinen Dienstweg”
Auch dem Service und der Beratung fehlte zunächst der unmittelbare Kontakt. Denn: Viel Wissen wird auf dem kleinen Dienstweg vermittelt, weil man das Telefongespräch des Kollegen mithört, eine kurze Frage über den Schreibtisch hinweg stellt oder ad hoc gemeinsam überlegt, wie man mit einem speziellen Problem umgeht. „Wir haben unser internes Wiki drastisch ausgebaut“, erzählt Nau, vor allem sind wesentlich mehr kurze Tutorials und Videos zu finden und werden auch häufiger als früher genutzt.
„Wenn die alten Wege nicht funktionieren, finden wir neue“, erklärt er lapidar. Neue Lösungen hätten schlicht andere Vorteile und andere Nachteile: „Wenn wir mal wieder corona-unbelastet zusammensitzen, werden wir mehr Möglichkeiten haben. Radio, Kino, Fernsehen und Streamingdienste existieren auch parallel und werden von allen zu unterschiedlichen Zeiten genutzt.“ So werde es mit Online- und Präsenzmeetings, Büroarbeit und Homeoffice künftig auch sein.
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