Jobs gibt es viele. Die Frage ist aber, passen die auch zu dir? Oft ist es andersrum, Menschen zwängen sich in Rollenbeschreibungen die gar nicht zu ihnen passen. Ein paar Entscheidungshilfen auf dem Weg, deiner Berufung zu folgen. Leseprobe von karrierebibel-Gründer und Bestseller-Autor Jochen Mai…
Wie und warum wählen wir unseren Beruf überhaupt aus? Hier fallen den meisten auf Anhieb viele methodische Wege ein, indem sie ihre Stärken und Talente erforschen, dazu passende Berufsprofile, Arbeitsmarkt.
Chancen und Ausbildungswege analysieren und vergleichen und schließlich den für sie besten Weg wählen. Wirklich kein schlechtes und durchaus systematisches Vorgehen. Dazu steht Ihnen schließlich das gesamte Arsenal an Entscheidungstechniken und Auswahlmethoden zur Verfügung.
Allerdings, und das ist das Überraschende, ist unsere Berufswahl längst nicht so unabhängig, wie wir meinen. Natürlich steht es jedem grundsätzlich frei, den Beruf zu ergreifen, den er oder sie selbst ausüben möchte. Leider wählt dabei aber die sogenannte latente Prägung jedes Mal mit. Und zwar kräftig.
Abwägeprozess, harte und weiche Faktoren
Da sind zum einen ökonomische Kriterien: Sind die Aussichten für eine Branche oder einen Berufszweig alles andere als rosig, entscheiden sich viele im Zweifelsfall lieber opportun – gegen den Berufswunsch und für finanzielle Sicherheit. Blöd halt, wenn wir dabei einem Schweinezyklus aufsitzen und am Ende eine Profession ausüben, für die es inzwischen kaum noch eine Nachfrage gibt. Auch soziale Faktoren limitieren die Berufswahl. Wir betrachten ganz genau, welche Berufe in unserer Familie ausgeübt werden, nehmen auf, wie die Karrierepläne der besten Freunde aussehen und bekommen auch mit, was Schulkameraden nach dem Abschluss planen. Das alles prägt uns. Enorm.
Sogar wer sich bewusst von den anderen unterscheiden und abheben will, ist in seiner Wahl alles andere als frei – er schließt die Berufe der Personen aus, mit denen er eben nichts zu tun haben will, obwohl die vielleicht zu ihm besonders gut passen.
“(K)ein Klischee: Jungs was Kaufmännisches, Mädels was Soziales”
Ähnlich verhält es sich mit den typischen Geschlechterrollen: Zwar weichen die Grenzen zwischen Männer- und Frauenberufen immer weiter auf, doch zeigt sich gerade bei Schülern, dass die Verteilung im Denken noch sehr präsent ist. Danach sehen sich Jungen nach wie vor am ehesten in technischen oder kaufmännischen Berufen. Mädchen streben hingegen in medizinische, soziale und künstlerische Branchen.
Die latente Prägung zeigt sich sogar bei der Jobsuche selbst. Ich selbst betreibe ja mit Karrieresprung.de eine Jobbörse, auf der sich jeden Monat rund zwei Millionen Menschen nach neuen Jobangeboten umsehen. Die Anfragen sind natürlich komplett anonym, sie lassen sich aber trotzdem statistisch auswerten.
Und so können wir dort – wie unsere Kollegen in anderen Online-Jobbörsen sicher auch – jedes Mal beobachten, dass die Besucher ganz gezielt nach konkreten Jobprofilen suchen. In die Suchmaske kann man logischerweise aber nur die Begriffe eingeben, mit denen man – aus seiner bisherigen Erfahrung oder eben durch Freunde oder Familie – vertraut ist. Und so kann das Ergebnis eben auch nichts Neues bringen, sondern nur eine Entscheidung für oder gegen etwas sein, das einem schon bekannt war.
Kurzum: Durch die eigene latente Prägung erschließen wir uns keine neuen Horizonte, sondern schmoren regelrecht im eigenen Saft. Das Konzept der freien Berufswahl wird dadurch tendenziell ad absurdum geführt, zumindest aber enorm eingeschränkt. Wir wählen, was wir kennen.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Wollen Sie freier wählen und den Beruf finden, der am besten zu Ihnen passt, sollten Sie unbedingt Ihren Horizont erweitern – entgegen den bisherigen Interessen. Richten Sie in den Medien bewusst den Blick auf Jobs, von denen Sie noch nie etwas gehört haben, und lesen Sie darüber alle Artikel, sobald Sie irgendwo etwas entdecken:
Was macht ein XYZ? Wie sieht sein Alltag aus? Was benötigt man dazu? Gerade rund um die neuen Medien und die Digitalisierung entstehen gerade zahlreiche neue Berufe, an die wir vor fünf Jahren noch nicht einmal gedacht haben, geschweige denn einen Namen dafür hatten. Die Welt wartet vielleicht nicht unbedingt auf Sie (das tut sie sowieso für keinen von uns), aber womöglich haben Sie schon lange genau auf dieses Berufsprofil gewartet.Wäre doch schade, wenn Sie diese Chance verpassen, nur weil die latente Prägung zuweilen noch latente Ignoranz im Schlepptau hat…
Exklusiver Auszug/ Serie in 5 Teilen aus: Jochen Mai: Warum ich losging, um Milch zu kaufen, und mit einem Fahrrad nach Hause kam. Was wirklich hinter unseren Entscheidungen steckt, © 2016 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München – andere Teile der Serie hier lesen!
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