Jeder kennt diese Frage: “Und, was machst du so – ich meine, beruflich?” Und sie nervt! Tut sie das, weil du überlegst etwas zu ändern? Ein paar Entscheidungshilfen auf dem Weg, deiner Berufung zu folgen. Leseprobe von karrierebibel-Gründer und Bestseller-Autor Jochen Mai…
Wann immer sich zwei Fremde kennenlernen – auf einem Kongress, in einem Restaurant, an der Bar oder auf einer Party –, irgendwann fällt die obligatorische Frage: »Und was machen Sie so beruflich?« Eine Frage, mit der man eigentlich nie falsch liegen kann. Sie gibt dem Gesprächspartner die Gelegenheit, ein wenig über sich selbst zu erzählen, gleichzeitig zeigt man aufrichtiges Interesse, kann mehr über den anderen erfahren sowie neue Anhaltspunkte für das weitere Gespräch finden.
“Was machen Sie eigentlich beruflich?”
Viel spannender als die Frage: »Was machen Sie eigentlich beruflich?«, ist allerdings die nach dem Grund: »Warum machen Sie das beruflich?« Jetzt nicht unbedingt als Einstieg beim Smalltalk – das wirkt latent vorwurfsvoll –, aber durchaus gedanklich. »Ach, da bin ich einfach so reingeschliddert«, wäre vielleicht manchmal die ehrliche Antwort, wenn auch eine ziemlich unbefriedigende. Viel zu zufällig, passiv und unentschlossen wirkt sie.
Die meisten können sich noch gut daran erinnern, wie sie kurz vor dem Ende der Schulzeit von den Eltern oder auch von Freunden gefragt wurden: »Was willst du eigentlich mal machen, wenn du mit der Schule fertig bist?« Gute Frage! Viele stammeln dann irgendwelche Wunschvorstellungen, imaginieren Karrieren und Jobprofile, denken an finanzielle Freiheit und Selbstverwirklichung.
Irgendwas davon wird man schon finden. Heraus kommt dann leider oft ein Arbeitsplatz, an dem man acht Stunden täglich absitzt und sich anschließend wieder auf den Heimweg macht. Unser Leben ist dann wie ein Song von Rihanna: »Work, work, work, work, work« – und den Rest verstehen wir nicht. Dabei sollte der Beruf doch etwas sein, das die Persönlichkeit ausmacht und widerspiegelt – etwas, das man selbst ist.
Wir alle wollen einen Beruf finden, der uns langfristig glücklich macht und erfüllt, der uns vor Herausforderungen stellt, aber nicht überfordert, der unseren Vorlieben entspricht und Aufstiegsmöglichkeiten bietet, aber möglichst wenig Stress mit sich bringt und genügend Freizeit für Hobbys und die Familie lässt.
Bei so vielen Ansprüchen ist es eigentlich kein Wunder, dass uns diese vor eine der schwersten Entscheidungen stellen, die das Leben bereithält.
Aber nehmen Sie sich doch wieder einmal die Zeit für einen kurzen Selbsttest und stellen Sie sich gerade mal der Frage: »Was machen Sie beruflich?« Wie würden Sie antworten – ganz spontan? Welche Formulierung kommt Ihnen dabei instinktiv in den Sinn?
Arbeit oder “Status”, was überwiegt?
Die meisten antworten so was wie: »Ich bin Bürokauffrau«, »Ich bin Elektriker«, »Ich bin Immobilienmaklerin«, »Ich bin Einzelhandelskaufmann«, »Ich bin Lehrerin«. Sie werden ohne groß darüber nachzudenken diese Version wählen.
Und das ist auch gut so. Denn allein diese Wortwahl kann einiges darüber verraten, wie zufrieden jemand mit seiner aktuellen beruflichen Situation ist und ob wir wirklich für das brennen, was wir tun.
Wie das? Lassen Sie mich einen Alternativvorschlag machen, den man zuweilen auch hört: Statt »Ich bin Arzt« könnte die betroffene Person auch sagen: »Ich arbeite in der Stadtverwaltung« oder »Ich bin Angestellter«.
Merken Sie was? Genau: In der zweiten Variante wird die eigene berufliche Tätigkeit nicht mit der Persönlichkeit in Verbindung gebracht, sondern lediglich als Arbeit beschrieben – für jemand anderen. Die Art, wie wir auf die Frage antworten, sagt also schon viel darüber aus, wie sehr wir uns mit unserem Beruf identifizieren und diesen gar als Berufung empfinden. Oder eben nur als Job und Broterwerb…
Exklusiver Auszug/ Serie in 5 Teilen aus: Jochen Mai: Warum ich losging, um Milch zu kaufen, und mit einem Fahrrad nach Hause kam. Was wirklich hinter unseren Entscheidungen steckt, © 2016 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München – andere Teile der Serie hier lesen!
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