Bereits in der Vergangenheit hat sich Karriere Einsichten mit dem Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz beschäftigt. Philipp von Bülow erklärt im Folgenden, wie Unternehmen bei ihren Mitarbeitern das Bewusstsein hierfür schärfen und Grenzüberschreitungen verhindern…
Ein Grabscher an die Brust oder den Hintern, ein anzügliches Bild im Bikini oder ein unmissverständliches Angebot per Mail – so stellen sich viele Menschen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vor. Doch geht die Definition, was zur sexuellen Belästigung gehört, weiter: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG, umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt), zählt sämtliches unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten dazu:
Nicht nur unerwünschte körperliche Berührungen und das Anbringen „pornographischer Darstellungen” gehören laut AGG dazu, sondern jedwede Bemerkung mit eindeutig sexuellem Inhalt kann als Belästigung aufgefasst werden. Nicht zuletzt die Enthüllungen um Filmproduzent Harvey Weinstein haben das Bewusstsein dafür in der Gesellschaft geschärft.
In der Reportage „Sexuelle Belästigung” hat Karriere Einsichten die persönliche Geschichte einer jungen Hotelfachfrau wiedergegeben, die an ihrem Arbeitsplatz, Opfer sexueller Belästigung durch einen Kollegen wurde. Insbesondere das Fehlverhalten ihrer Vorgesetzten und Mitarbeiter und Unwissenheit darüber, welche Rechte sie als Mitarbeiterin hatte, ließen die Frau verzweifeln: Nachdem ein Kollege sich ihr ungebührlich genähert hatte, wurden ihre Bitten, ihm zukünftig aus dem Weg gehen zu können, von Vorgesetzten ausgeschlagen. Sie wurde sogar absichtlich auf gemeinsame Schichten mit besagtem Kollegen eingeteilt, ihre Beschwerden blieben folgenlos.
Unternehmen haften zuerst bei einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz
Unternehmen sind im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht für die körperliche und psychische Unversehrtheit ihrer Mitarbeiter verantwortlich. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) schreibt hier grundsätzlich vor, dass Arbeitgeber Vorkehrungen zur Wahrung der Gesundheit und Sittlichkeit zu treffen haben. Weitere Gesetze wie das Arbeitsschutzgesetz, Beschäftigtenschutzgesetz und das AGG präzisieren die Fürsorgepflicht weiter. Mit der Fürsorgepflicht kommen auf Arbeitgeber verschiedene Anforderungen zu, wie sie ihre Belegschaft am Arbeitsplatz vor sexueller Belästigung schützen. Im Präsenzmodus genauso wie hier im Internet mit diversen Angeboten für Pillen, Potenzmittel und anderes.
Unternehmen müssen allgemeinverständlich bekannt machen, dass sexuelle Belästigung verboten ist und auf das AGG verweisen. Zudem muss eine unternehmensinterne Beschwerdestelle informieren, die allen Mitarbeitern bekannt und zugänglich ist. Außerdem hat das Unternehmen dafür Sorge zu tragen, dass sowohl die Räumlichkeiten, als auch die Kommunikation frei von anzüglichen Darstellungen bleibt, denn: Kommt es zu einer Belästigung am Arbeitsplatz, haftet zuerst die Organisation. Prominentes Beispiel ist hier Julian Reichelt, Ex-Chefredakteur der BILD-Zeitung, beziehungsweise dessen ehemaliger Arbeitgeber, der Axel-Springer-Verlag. Diesem droht jetzt ein teurer Rechtsstreit in den USA, meldete der „Spiegel„.
„Von Versetzung bis Abmahnung“
Im konkreten Fall der Hotelfachfrau aus der Reportage hätte das bedeutet, dass ihre Beschwerden ernst genommen, ihren Bitten um getrennte Schichten nachgekommen und Konsequenzen für ihren Kollegen eingeleitet worden wären. Ist nach Prüfung eine Beschwerde berechtigt, reichen die dienstrechtlichen Maßnahmen von der Versetzung bis zur Abmahnung und Kündigung der belästigenden Person. Außerdem hätte die Einteilung in gemeinsame Schichten mit ihrem Kollegen, wider besseren Wissens, auch zu Konsequenzen für ihre Vorgesetzten geführt. Als Teil der Fürsorgepflicht für seine Arbeitnehmer hätte das Hotel schon im Vorhinein auf das Verbot sexueller Belästigung am Arbeitsplatz hinweisen und eine eigene Beschwerdestelle einrichten müssen.
Was E-Learnings zur Prävention von sexueller Belästigung leisten können
Unternehmen stehen in der Pflicht, ihre Mitarbeiter dafür zu sensibilisieren, welche Handlungen als sexuelle Belästigung aufgefasst werden können. Das Thema sexuelle Belästigung ist sensibel, da es jede und jeden betreffen kann. Um alle Mitarbeiter zu erreichen, sollten Organisationen sich deshalb mit E-Learnings und ihren Vorteilen auseinandersetzen.
Interaktive E-Learnings sensibilisieren die Belegschaft nachhaltig zum Thema, was alles als Belästigung zählt und wie Betroffene und Zeugen reagieren können. Den Anfang macht etwa die Aufklärung darüber, wie es zu Grenzüberschreitungen kommt. Meist liegt nämlich ein Machtgefälle belästigender und belästigter Person vor – und zwar nicht nur etwa zwischen der Geschäftsführung und Untergebenen, sondern auch innerhalb einer Abteilung oder unter Kollegen. Bei einer Belästigung nutzen Mitarbeiter dieses Abhängigkeitsverhältnis aus – oftmals sogar unbewusst. Betroffenen fällt es somit aber schwerer, sich gegen die Belästigung zu wehren, da sie berufliche Nachteile sowie (je nach Betriebsklima) Stigmatisierung und Ausgrenzung fürchten.
Didaktisch sind E-Learnings so aufgebaut, dass sie mit der Frage beginnen, was unter sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz fällt und was die Folgen sind:
Lebensnahe Situationen aus dem Arbeitsalltag erklären anschaulich, warum bestimmte Taten und Aussagen als belästigend empfunden werden. Dabei ist die empathische Herangehensweise auf die Sicht der Betroffenen wichtig, die erklärt, welche körperlichen und psychischen Folgen eine Belästigung am Arbeitsplatz haben kann.
Welche Grenzen existieren? Grenzen, ab wann eine Handlung als belästigend empfunden wird, sind subjektiv und durch Umfeld und Kultur geprägt. Deshalb ist es wichtig aufzuklären, wie Betroffene kommunizieren können, um eine Grenzüberschreitung deutlich zu machen. Konkrete Tipps, wie man das eigene Handeln hinterfragen kann und wie man sich in konkreten Situationen verhält, erweitern den eigenen Blickwinkel: Ist der Witz, den man erzählen möchte, wirklich angebracht oder läuft man Gefahr, Grenzen zu überschreiten und einen Menschen zu verletzen? Kommt es doch zu einem Fauxpas, kommt es auf die passenden Worte einer aufrichtigen Entschuldigung an.
Die Rechte von Betroffenen gilt es deutlich zu machen und in dem Zusammenhang zu erklären, welche Schritte einzuleiten sind, sollte es zu einer Belästigung gekommen sein. Im zweiten Teil der Reportage zu sexueller Belästigung auf Karriere Einsichten weiß die Betroffene anfangs nicht, an wen sie sich wenden soll und ob ihre Beschwerde überhaupt berechtigt ist und Erfolg haben wird. Auch hier gilt es ganz konkrete Tipps an die Hand zu geben, wie Betroffene Beweise sammeln, Vorkommnisse an Vorgesetzte eskalieren und welche betriebsinternen und rechtlichen Konsequenzen eine Belästigung für Täter:innen hat.
Betroffene unterstützen: Werden Mitarbeiter Zeuge, wie eine Kollegin oder ein Kollege belästigt wird, sollten sie sofort eingreifen. Wie solche Situationen im Arbeitsalltag auftauchen könnten, wie man sich solidarisch verhält und sexuelle Belästigung – auch wenn sie nicht so gemeint sein sollte – richtig anspricht, sollte ebenfalls Teil einer nachhaltigen Online-Schulung zum Thema sein. Dabei sollte sowohl auf die Kommunikation mit dem oder der Betroffenen als auch mit Tätern eingegangen werden.
Fazit
Sexuelle Belästigung gehört leider und trotz #Meetoo immer noch zum Alltag – auch in Unternehmen und auch dann, wenn das eigene Unternehmen scheinbar nicht betroffen ist. Umso wichtiger ist es deshalb, die Belegschaft für sexuell belästigendes Verhalten zu sensibilisieren, aufzuklären, zu informieren und letztendlich für korrektes Verhalten zu befähigen. E-Learnings schulen Mitarbeiter zu diesem mitunter auch schambehafteten Thema nachhaltig, wie sie Belästigung bei sich und Kollegen erkennen und welche Maßnahmen sie ergreifen können, um Kollegen zu helfen.
Über den Autor: Philipp von Bülow, ist CEO und Mitgesellschafter von lawpilots, dem führenden und mehrfach ausgezeichneten E-Learning Anbieter in rechtlich-regulatorischen Themen. Die Online-Schulungen sind in mehr als 35 Sprach- und Länderversionen verfügbar und verknüpfen rechtliche Lerninhalte mit einer Mischung aus praxisnahen Beispielen, Gamification, Erklärvideos, Experteninterviews und Infografiken.
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