Jede dritte Affäre in Deutschland beginnt am Arbeitsplatz, so eine aktuelle Umfrage. Stimmt sie, finden viele heimliche Liebschaften zwischen Schreibtisch und Kopierer statt. Von wegen: Never fuck the factory…
34 Prozent aller Seitensprünge bahnen sich während der Arbeitszeit an, das ist das Ergebnis einer Umfrage der Seitensprung-Fibel.de unter 1.224 Websitebesuchern. Das Büro ist demnach einer der Hotspots für amouröse Intermezzi. Jeder fünfte Seitenspringer geht laut Umfrage zwar mittlerweile online auf die Suche, aber dennoch gehört der Arbeitsplatz zu den wichtigsten Orten, um mögliche Affärenpartner kennenlernen.
Jeder Fünfte hat sich schon mal im Büro verliebt
So belegt auch eine Forsa-Studie im Auftrag des Online-Netzwerkes XING: Jeder fünfte deutsche Arbeitnehmer hat sich im Büro schon einmal verliebt.14 Prozent der Berufstätigen hatten schon mal eine Affäre im Büro, 28 Prozent der Männer und 12 Prozent der Frauen sind offen dafür.
Ein Viertel der Affären haben Weihnachtsfeiern oder Sommerfeste als Ausgangspunkt, jeweils 10 Prozent der Befragten gaben an, ihr erotisches Abenteuer habe in der Mittagspause oder an einem langen Büroabend begonnen. Das Büro als Liebesnest nutzen immerhin acht Prozent der Arbeitnehmer – sie hatten schon einmal Sex am Arbeitsplatz.
Liebe on the job
Der Beruf ist neben dem Freundes- und Bekanntenkreis der zweitwichtigste Ort des Kennenlernens für Liebesverhältnisse, sagt Wolfgang Krüger. »Zwangsläufig beginnen hier auch viele Seitensprünge«, erklärt der Berliner Psychotherapeut und Autor. Neu ist das Phänomen ihm zufolge keineswegs. »Das gab es schon immer, der Einzugsbereich der Liebe war früher sogar geringer als heute – heutzutage sind wir durch das Internet und die größere Mobilität flexibler.«
Das Büro funktioniert als Kontaktbörse – schließlich verbringen wir einen Großteil unserer Zeit bei der Arbeit. Soziologen beobachten zudem, dass der Job eine immer wichtigere Rolle spielt: Für viele Berufstätige ist er sozialer Lebensmittelpunkt, ihr Freundeskreis setzt sich ausschließlich aus Kollegen zusammen. Kein Wunder, dass sich darunter auch der ein oder andere potenzielle Affärenpartner findet.
Der Chef als Amor
Was in der Freizeit mitunter Seitensprünge verhindert, ist im Job kein Problem: der Zeitfaktor. Wer neben Beziehung, Familie und Arbeit ein amouröses Abenteuer pflegt, muss sich erstmal Zeit im Terminkalender freischaufeln.
Im Büro geht die Kontaktanbahnung automatisch, mitunter vom Chef angeordnet. Enge Zusammenarbeit, gemeinsame Mittagspausen oder ein gepflegtes Feierabendbier sind erwünscht zur Förderung eines guten Arbeitsklimas, Betriebsausflüge und Firmenfeste oft Pflichtveranstaltungen für Mitarbeiter – und günstige Gelegenheiten, um mit Kollegen auf Tuchfühlung zu gehen.
Stress und workflow fördern Liebe
Besonders kleine Arbeitsgruppen sorgen für Intimität und begünstigen Büroromanzen. Jobstress schweißt sogar zusammen: Wer etwa ein kniffliges Projekt unter großem Druck abwickelt, entwickelt manchmal euphorische Gefühle auch für beteiligte Kollegen. Hinzu kommt, dass man sich regelmäßig sieht und neben demselben Arbeitgeber auch andere Gemeinsamkeiten hat.
»Zum einen verbringt man im Büro viel Zeit miteinander, und teilt oft gemeinsame Interessen. Wenn wir zusammen um Projekte ringen, wenn uns ähnliche Themen interessieren, entsteht häufig eine vertraute Nähe«, sagt Krüger. Dann kann es auch brenzlig werden.
Was Affären im Büro gefährlich macht
Ein Flirt unter Kollegen erhöht vielleicht die Arbeitsmotivation. Zuviel allerdings kann dem Betriebsklima schaden und sich negativ auf die Arbeitsleistung auswirken. Das Begrüßungsküsschen an der Kaffeemaschine ist legitim, Sex im Konferenzraum aber tabu.
Wer allzu offen herumpoussiert, kann seine Liebschaft kaum geheim halten und muss Teamtratsch in Kauf nehmen. Überhaupt ist es schwer, eine Affäre wirklich vor Kollegen verborgen zu halten. Neid und Häme, neugierige Blicke und süffisante Bemerkungen sind da vorprogrammiert. Vor allem, wenn das ganze Team die Ehefrau kennt.
„Kündigung nach Kuscheln“
Nicht nur Moralwächter stört Liebesgeplänkel beim Arbeiten, auch verständnisvolle Kollegen können sich durch zügelloses Flirten irritiert fühlen – was für Unmut unter der Belegschaft sorgen und sogar arbeitsrechtliche Folgen haben kann.
Darf der Chef Büroromanzen untersagen?
Ein Vorgesetzter darf sich in Beziehungen am Arbeitsplatz nicht grundsätzlich einmischen. Arbeitsrechtlich verboten sind Jobflirts und Büroromanzen nicht. Anti-Flirt-Klauseln im Arbeitsvertrag etwa verstoßen gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht.
Wenn allerdings die Arbeitsleistung unter der Affäre leidet, kann der Chef eingreifen und sogar eine Abmahnung erteilen. Diese muss aber jobrelevante Argumente anführen, eine Affäre an sich reicht als Abmahngrund nicht.
Kommt es wegen einer Büroliebelei zu Komplikationen am Arbeitsplatz, kann der Arbeitgeber auch eine Veränderung des Arbeitsortes veranlassen. Das muss aber sinnvoll sein, die Zuweisung von Mehrarbeit oder die Versetzung in ein abgelegenes Büro, um das Liebesverhältnis zu unterbinden, sind nicht rechtens.
Heikel wird es bei Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Hier gilt das gesetzlich verankerte Gleichheitsgebot: Ein Vorgesetzter muss alle Angestellten gleich behandeln, bevorzugt er seine Geliebte, kann das arbeitsrechtliche Folgen haben. In welcher Form ist allerdings vom Einzelfall abhängig.
Guter Rat ist teuer: Never fuck the company
79 Prozent aller deutschen Unternehmen tolerieren laut Umfrage des Magazins »Junge Karriere« Büroromanzen. Nur 21 Prozent befürchten, Leistung und Betriebsklima könnten darunter leiden. Aber zwei Drittel der Firmenchefs befürworten die Versetzung eines Partners, wenn durch eine Büroliebelei der Teamfrieden gestört wird.
Auswirkungen kann eine Jobaffäre immer haben, darum gilt etwa im prüden Amerika »no hanky-pank with the payroll« – kein Fummeln mit untergebenen Angestellten. Mehr als zehn Prozent aller Arbeitgeber untersagen laut »Wall Street Journal« im Anstellungsvertrag grundsätzlich eine »romance on the job«.
Auch wenn das in Deutschland nicht möglich ist, sollten sich verliebte Arbeitnehmer an gewisse Regeln halten. Das amerikanische Sprichwort »Never fuck in the factory« hat auch hierzulande Gültigkeit. Eine Liebesaffäre ist Privatsache – und sollte auch als solche behandelt werden.
Man solle unbedingt mögliche Folgen bedenken, rät Krüger. »Was mache ich, wenn es bei einer Affäre bleibt und es dann stressig wird, wenn ich mich trennen will? Kann ich dann der Kollegin aus dem Weg gehen oder muss ich mit ihr zusammenarbeiten? Wäre ich notfalls bereit, mich versetzen zu lassen oder zu kündigen? Ich muss mich also fragen: Was ist mir wichtiger – der Arbeitsplatz oder die Liebe?«
»So schön ein Techtelmechtel am Arbeitsplatz auch sein mag, oft wird es irgendwann kompliziert – etwa, wenn sich einer doch verliebt und entweder auf eine Partnerschaft hofft oder den Seitensprung beenden will«, erläutert Krüger. »Kränkungen und Enttäuschungen sind dann vorprogrammiert. Und das ist immer dann schwierig, wenn man sich weiterhin sieht und zusammenarbeiten muss.«
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