Die Arbeitswelt stellt heute an die Arbeitnehmer viel höheren Anforderungen als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Zeit- und Leistungsdruck wirken sich unterschiedlich aus. Fragen an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht…
Wer einige eine neue Herausforderung in den wachsenden Aufgaben sehen, leiden andere sosehr unter dem Wandel in der Arbeitswelt, dass sie psychisch krank werden.
Nikolaos Sakellariou ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er weiß, dass psychische Erkrankungen heute die zweithäufigste Ursache für die Fehlzeiten von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz ist. Wie Sie eine psychische Erkrankung erkennen, was dies für einen Arbeitgeber bedeutet und welche Rechte ein psychisch erkrankter Arbeitnehmer hat, erfahren Sie in dem folgenden Beitrag.
Wie lässt sich eine psychische Erkrankung erkennen?
Das Arbeitsschutzgesetz gibt mit § 4 Absatz 1 ArbSchG die rechtliche Vorgabe. Hiernach muss der Arbeitgeber darauf achten, dass von jedem Arbeitsplatz in seinem Unternehmen eine möglichst geringe Gefährdungslage für eine psychische Erkrankung seine Mitarbeiter ausgeht.
Um die Verpflichtung, die ihm der Gesetzgeber mit der Rechtsvorschrift auferlegt, erfüllen zu können, muss ein Arbeitgeber wissen, was sich hinter einer psychischen Erkrankung verbirgt und wie er diese erkennt. Hilfreich ist es für den Arbeitgeber, wenn er die m § 5 Absatz 6 ArbSchG definierte Gefährdungsbeurteilung für seine Arbeitnehmer vornimmt. Dies sollte ein Arbeitgeber in die Wege leiten, sobald sich bei einem Mitarbeiter die ersten Symptome für eine psychische Erkrankung zeigen.
Vorboten einer psychischen Erkrankung sind z. B. eine anhaltende Müdigkeit und permanente Erschöpfungszustände oder ein deutlicher Abfall der bisher kontinuierlichen Arbeitsleistung. Eine psychische Erkrankung lässt sich aber auch nicht ausschließen, wenn ein Mitarbeiter durch kurzzeitige Krankheitsphasen oder sich steigernden Kommunikationsdefiziten auffällt.
Psychische Erkrankung eines Mitarbeiters: Was bedeutet dies für den Arbeitgeber?
Gegenüber jedem Mitarbeiter, den ein Arbeitgeber beschäftigt, besteht eine Fürsorgepflicht. Diese im Arbeitsschutzgesetz verankerte Bestimmung kann ein Arbeitgeber erfüllen, wenn bei den ersten Anzeichen eine Gefährdungsbeurteilung für den betreffenden Arbeitnehmer vornimmt. Diese Gefährdungsbeurteilung beinhaltet mehrere Phasen, die mit der Analyse möglicher Gefahren für die psychische Gesundheit eines Mitarbeiters beginnen. Sobald sich eine ermittelte Gefährdungslage konkretisiert – der Arbeitgeber erkennt dies an den ersten Symptomen einer psychischen Erkrankung – muss er geeignete Schritte einleiten.
Welche Rechte kann ein Arbeitnehmer bei einer psychischen Erkrankung geltend machen?
Stellt ein Arbeitgeber fest, dass ein Mitarbeiter an einer psychischen Erkrankung leidet, muss er alle Schritte einleiten, um das Leiden des Arbeitnehmers so schnell wie möglich zu beenden. Dies kann auf der einen Seite das Anbieten eines Erholungsurlaubs sein. Psychische Erkrankungen – wie Depressionen oder Burnouts – lassen sich unter Umständen bekämpfen, wenn der Arbeitnehmer sich bei einer Luftveränderung erholt.
Auch die Möglichkeit, dem Mitarbeiter einen anderen Arbeitsplatz anzubieten, sollte der Arbeitgeber in Betracht ziehen. Hierbei ist speziell darauf zu achten, dass der Mitarbeiter mit einer Reduzierung seiner Verantwortung weniger psychisch belastet wird.
Ein Recht auf Weiterbeschäftigung kann der Mitarbeiter bei einer psychischen Erkrankung nicht in jedem Fall durchsetzen. Die Kündigung muss von dem Arbeitgeber allerdings gut begründet werden.
Schadenersatzansprüche können den Arbeitgeber durchgesetzt werden, wenn ein Arbeitnehmer den Nachweis erbringen kann, dass ein Arbeitgeber z. B. keine Maßnahmen ergriffen hat, um einer psychischen Erkrankung (z. B. Burnout) rechtzeitig vorzubeugen. Tu diesen Maßnahmen gehört, dass der Arbeitgeber – gegebenenfalls gemeinsam mit dem Betriebsrat – eine Lösung findet, die dem Beschäftigten hilft, seine psychische Erkrankung zu überwinden.
Fazit
Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz sind heute keine Seltenheit. Im Gegenteil. Sie sind die zweithäufigste Ursache dafür, dass ein Mitarbeiter seine gewohnte Arbeitsleistung nicht mehr abrufen kann und krankgeschrieben wird.
Damit ein Arbeitgeber rechtzeitig eingreifen kann, gilt es eine psychische Erkrankung zu identifizieren oder hinsichtlich der Arbeitsplatzgestaltung alles dafür zu tun, dass ein Mitarbeiter nicht psychisch krank wird.
Möchte der Arbeitgeber sich vor Schadenersatzansprüchen des Arbeitnehmers wappnen, sollte er ihm z. B. die Möglichkeit eines längeren Erholungsurlaubs oder das Versetzten auf einen Arbeitsplatz mit weniger Verantwortung anbieten. Letztlich steht ihm auch der Weg zur Kündigung offen. Dieser Schritt muss allerdings gut begründet sein.
Artikelbild: Anthony Tran/ Unsplash