Oft stehen Frauen mittleren Alters vor einem Neuanfang. Eine neue Lebensphase, die neue Chancen schafft. Die Kinder sind außer Haus und es wird Zeit für eine neue Standortbestimmung. Los geht’s…
Plötzlich gibt es Raum für Kreativität, neue Impulse können gesetzt werden und es herrscht Aufbruchstimmung. Jede von uns hat ein unvorstellbares Potenzial, das es zu erkennen und wecken gilt. Jetzt ist es an der Zeit, sich einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen, Neues anzugehen und sich neu aufzustellen.
Wir haben mit Stephanie Fuhrmann gesprochen. Sie ist Expertin für Persönlichkeitstraining, Lebens- und Business Coaching . Und ermuntert Frauen in der Lebensmitte. Sie weiß, wie man sich und seine Situation reflektiert und welche Schritte man gehen kann, um die Weichen zu neuen (oder vielleicht auch alten vergessenen) Zielen zu stellen.
Karriere-Einsichten: Frau Fuhrmann, ehe wir über Frauen in der Lebensmitte und ihre Chancen und Probleme reden, wollen wir wissen: Wie kamen sie dazu, sich darauf zu spezialisieren?
Stephanie Fuhrmann: Ich war schon immer sehr selbständig, habe über 25 Jahre im Vertrieb gearbeitet und bin seit mehr als 12 Jahren als Unternehmerin tätig. Zu viele Stunden, Tage und Nächte habe ich damit verbracht, an etwas zu arbeiten, das ich für mich (fälschlicherweise) als Erfolg definiert hatte.
Doch 2018 wurde ich schlagartig ausgebremst: Burnout. Für mich, aber auch für mein Umfeld war diese Situation – mich plötzlich verletzlich und schwach zu erleben – eine Herausforderung. Erst durch eine Therapie erkannte ich, dass ich mein Leben grundlegend ändern muss.
„Schlagartig ausgebremst: Burnout“
Insbesondere die Arbeit mit einem Coach, half mir meiner wahren Stärken bewusst zu werden und wie wichtig es war, sich von unnötigem Ballast zu trennen. Ich ergriff anschließend viele radikale Schritte und entfernte mich im Wesentlichen aus meinem alten Umfeld. Doch vor allem habe ich mein Potenzial und letztendlich meine Berufung entdeckt. Endlich kann ich meinen Herzenswunsch, Menschen zu helfen, wertvoll einsetzen.
Diese einschneidende Lebenserfahrung hat mich glücklicherweise dazu bewegt, selbst als Coach tätig zu werden. Dass Frauen mittleren Alters dabei meine Zielgruppe sind, ist natürlich meinen eigenen Erfahrungen geschuldet. Denn ich weiß, was sie bewegt und kann mit ihnen auf Augenhöhe kommunizieren. Nicht nur als Coach, sondern auch als eine, die am selben Scheideweg stand, wie so viele der Frauen, die mich aufsuchen.
Karriere-Einsichten: Was ist das typischerweise für einen Scheideweg? Sofern sich dieser auf etwas Typisches herunterbrechen lässt.
Stephanie Fuhrmann: Leider ist er durchaus typisch. Von Frauen wird noch viel zu oft erwartet, dass sie den Laden zu Hause in Eigenregie schmeißen. Je älter sie werden, desto mehr verfestigt sich diese Erwartungshaltung. Mit Mitte 30 oder gar Anfang 40 hat Frau schließlich mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen.
Da muss dann alles – und häufig sie selbst – funktionieren. Und die Kerze brennt von beiden Enden. Nicht nur, dass der Umfang dieser Erwartungshaltung (also was alles daran hängt) vollkommen unterschätzt wird. Dank und Lob fallen auch immer kleiner aus. Sind ja alles Selbstverständlichkeiten. So reiben sich viele Frauen zu Hause auf. Thematisiert wird es meist erst, „wenn es nicht läuft.“ Und das kann wahnsinnig verletzend sein.
Karriere-Einsichten: Wieso nehmen so viele Frauen das hin?
Stephanie Fuhrmann: Weil Frauen sich unter diesem Druck durch das familiäre Umfeld oftmals selbst dahingehend konditionieren. Sie reden sich ein, dass sie alles alleine schaffen müssen, damit der Haussegen ja nicht schief hängt. Doch diesen vermeintlichen Haussegen können sie natürlich nicht einseitig und bis in alle Ewigkeit stützen. Zumindest nicht wenn die Last, emotional und in der Alltagspraxis, in viel zu großen Teilen allein auf ihren Schultern liegt. Irgendwann brechen sie ein – und reden sich das schlimmstenfalls ein, dass sie schwach oder gar schuld sind. Bis eben nichts mehr geht.
Karriere-Einsichten: Was müssen Frauen sich in einer solchen Lebenssituation eingestehen, um wieder zu einer Perspektive zu kommen?
Stephanie Fuhrmann: Das lässt sich so allgemein nicht sagen, da die individuellen Umstände und das Umfeld natürlich extrem volatil sein können. Doch in so ziemlich jedem Fall geht es wesentlich darum, dass Frauen in einer solchen Situation wieder Selbstvertrauen fassen – und dieses anschließend sinnvoll kanalisieren. Es geht also eben nicht darum, sie emotional zusammen zu flicken und sie dann wieder der alten Situation auszuliefern.
Karriere-Einsichten: Es muss sich also etwas ändern?
Stephanie Fuhrmann: Selbstverständlich! “Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“(Harrison Ford) Die große Herausforderung besteht darin, den Mut zur Veränderung zu haben, dann dieses Ziel genau zu identifizieren und zu definieren. Doch wenn die familiären Lebensleistungen von Frauen notorisch gering geschätzt werden, richtet das oftmals großen Schaden an.
Denn selbst wenn Frauen in derart verfahrenen Lebenssituationen eigentlich erkannt haben, dass ihnen diesbezüglich Unrecht getan wird (wenn auch längst nicht immer aus Bösartigkeit), dann fühlen sie sich oft immer noch als vom Leben abgehängtes „Heimchen“. Dabei sind sie die Manager eines Familienunternehmens. Doch der Mangel an Wertschätzung färbt auf ihr Selbstbild ab. Viele Frauen streben, etwas mehr noch als Männer, nach Lob und Anerkennung. Doch wenn diese Bestätigung permanent fehlt, leidet das Selbstwertgefühl.
Karriere-Einsichten: Wie lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen?
Stephanie Fuhrmann: Indem solche Frauen ein Bewusstsein dafür vermittelt bekommen, dass ihre Lebensleistung sehr viel mehr und Positiveres über sie aussagt, als dass der Zug abgefahren wäre. Haushaltsführung und Kindererziehung sind eben nicht einfach nur mit „daheim bleiben“ verbunden. Sozialkompetenz, Durchsetzungsfähigkeit, Organisationstalent, durchaus auch kaufmännische Überlegungen, Konfliktmoderation, Kontaktpflege, Alltagsorganisation und Termintreue etc.
Da gehört so viel dazu! Und durchatmen können sie dann nur in den Ferien, wenn endlich nicht an die Termine aller gedacht werden muss. Doch familiär und leider auch gesellschaftlich, wird das viel zu wenig anerkannt. Das ist bedauerlicherweise noch oft so. Umso wichtiger, dass man sich emotional nicht davon abhängig macht. Und genau dieses Selbstverständnis, die Anerkennung der eigenen Lebensleistungen diesbezüglich, gilt es zu wecken. Dann merken Frauen nämlich, dass sie gar nicht so machtlos sind.
Karriere-Einsichten: Und dann heißt es auf zu neuen Ufern?
Stephanie Fuhrmann: Im besten Falle: Ja! Das muss natürlich nicht bedeuten, dass nun mit allem gebrochen wird und Frau mit Sack und Pack verschwindet. Außer wenn es eben nicht anders geht. Wie gesagt, hier kommt es extrem auf das Umfeld und dessen unmittelbaren Anteil an der Situation an.
Doch sobald der Mut zur Veränderung da ist und Klarheit darüber besteht, worin diese Veränderung bestehen muss, familiär sowie beruflich, dann muss dieser Schritt gegangen werden. Und der schönste Moment ist für mich immer jener, wenn meine Klientinnen das begreifen – und endlich auch selber fühlen und leben. Ein wunderbarer Moment, diese Frauen aufblühen und wachsen zu sehen.
Über die Gesprächspartnerin: Stephanie Fuhrmann hat 54 Jahre Lebenserfahrung und 37 Jahre Berufserfahrung, davon über 25 Jahre im Vertrieb und mehr als 12 Jahre als Unternehmerin mit Leib & Seele. Sie ist gebürtige Fränkin, Kosmopolitin, glücklich verheiratet und stolze „Hundemutter“. In den Coachings von Stephanie Fuhrmann geht es um sehr persönliche, mitunter intime Themen, die Frauen in ihrer Lebensmitte betreffen. Diskretion und Integrität sind ihr deshalb ausgesprochen wichtig. Aus diesem Grund bietet sie nur 1:1 Coachings an, die entweder per Telefon, via Zoom oder auch von Angesicht zu Angesicht stattfinden. Mehr unter: https://brilliant-coaching.de/
Artikelbild: Denys Nevozhai/ Unsplash