Rasch. Rasch. Schnell morgens in den Verkehr einfädeln, um den täglichen Pendlerweg zu absolvieren. Ein Kaffee im Gehen. Ein Frühstück zwischen Tür und Angel. Termine, Termine, Termine. Wie könnt ihr das ändern? Unser Gastautor Jürgen Alef sagt: durch Schlaulenzen…
Und nach der Arbeit? Pünktlich zum Date. Rechtzeitig zum Sport. Zwischendurch – oder gleichzeitig – auf dem Smartphone Tweets absetzen, die neuesten Kuchenbilder von Tante Gerda liken … Ja, Langsamkeit ist aktuell kein Zeichen der Zeit – und so verschwendet ihr eure Potenziale. Im Privatleben. In eurer Karriere. In der uns geschenkten Lebenszeit.
Selbst unsere „Erholungsurlaube“ sind vollgepfropft mit Wellness und Entspannungsmaßnahmen, so dass sich unsere Entschleunigungspotenziale in gepresster Form gar nicht entfalten können. Mit der Methodik, mit der wir den Alltag abarbeiten, managen wir auch unsere Ruhezeiten.
Wir schaffen es nicht, wirklich loszulassen. Unsere Spür-, Denk- und Kreativitätspotenziale nutzen wir zur Lösung dieses Problems augenscheinlich nicht. Erst wenn eine höhere Macht wirkt, dann ändern wir etwas. Die Negativschicksale mit den drei K sind solche Mächte: Krankheit, Konflikt und Krise. Sie zwingen uns brachial zu wesentlichen und nachhaltigen Entscheidungen, die unser Leben im Ganzen betreffen. Diese Veränderung geht auch schlauer …
Mit Sehnsucht aus der Tempo-Sucht
Langsamkeiten haben eine besondere Qualität. Das Gefühl dafür stellt sich ein, wenn es euch bewusst, gekonnt und regelmäßig gelingt, eure innere Ballmaschine der Pflichten und Fremdsteuerungen abzustellen. Diese Schwellen wirken ähnlich stark und unüberwindbar wie der Entzug von einer Sucht.
Erst wenn es euch gelingt, diese kuriosen Formen des Hektik- und vermeintlichen Produktivitätsentzuges auszuhalten, ihnen nicht wieder zu verfallen, die inneren Rufe nach Erledigung sowie die selbst gebastelten Befürchtungen vor der Meinung anderer zu überstehen, dann gebt ihr euch allmählich die Chance, neue Qualitäten in der Langsamkeit zu entdecken.
“Ihr müsst die Langsamkeit aus dem Tempo heraus planen und verteidigen, um sie zu ermöglichen.”
Das ist paradox: Ihr müsst die Langsamkeit aus dem Tempo heraus planen und verteidigen, um sie zu ermöglichen. Und zwar so lange, bis die Vielzahl der Erlebnisse und des Nutzens der Langsamkeitsmomente spürbar und wertvoll für euch geworden sind.
Erst wenn sich bei euch eine neue Selbstverständlichkeit sowie eine gesunde Gewohnheit von bewussten langen Weilen entwickelt, legitimiert ihr den gesellschaftlich eher negativ bewerteten Zustand von Langsamkeit.
Was wir brauchen, sind also neue und passende Arten von Entziehungskuren als Weg aus der Aktivitäten- und Konsumsucht. Das wäre doch was. Allerdings: Für eine „Kur zur Langsamkeit“ braucht ihr Zeit. Und damit den Lenz.
Der Lenz ist da …
Der Lenz ist da. Mit dem Wort und dem Satz kommen uns sofort schöne Bilder des Frühlings in den Sinn. Frühling steht wie keine andere Zeit für Energie, Freude, Kraft, Tatendrang und Überschwang. Die Explosion der Potenziale. Diese Zeit hat eine besondere Qualität. Das ist der Kairos. Der ist der griechische Gott, der für die Qualität der Zeit Pate steht.
Insofern bedeutet Lenzen: in eine wertvolle Zeit hineingehen, den Winter, Kälte und Kargheit hinter sich lassen. Lenzen ist die Zeit und der Weg zu einer neuen Zeitqualität.
Lenzen. Das macht man in der Schifffahrt mit Lenzpumpen. Diese pumpen nicht den Winter raus und den Frühling rein, sondern das schwere Wasser raus und die leichte Luft hinein. Das dient dem Auftrieb, der Schwimmleistung und der Stabilisierung des Schiffes.
Lenzen passt überaus gut zu den Spannungsfeldern aus Schnelligkeit und Langsamkeit, Hektik und Ruhe, Arbeiten und Besinnen, Schaffen und Bewundern, Nutzen und Forschen.
Mit Schlaulenzen eure Potenziale entwickeln
In seinem Buch gehen spannende Reiseberichte und einordnende Passagen Hand in Hand und kreieren so beim Leser augenöffnende Impulse für die persönliche Weiterentwicklung… (Foto: André Bakker)
Und das ist die schlaue Art, eure Potenziale zu entdecken – für euch eine Balance zu finden, mit der ihr aus den Spannungsfeldern Energie ziehen könnt. Denn es geht mir nicht nur um die Langsamkeit an sich und Langsamkeit als eine Dauerlösung.
Andauernd langsam, das würden wir Menschen mit unseren kreativen Gehirnen und unserer bewegungssuchenden Körperkonstitution nicht aushalten. Das wäre nicht typisch für uns.
Wir brauchen die gesunde Spannung aus den jeweiligen Antipoden. Wir brauchen das jeweils passende Intervall von Tun und Lassen, Körper und Geist. Wir brauchen Schlaulenzen, um in Karriere, im Privaten, in unserem Leben unsere Potenziale voll zu entfalten.
Zum Autor: Seine Erfahrungen als Personalmanager sowie Berater und Coach lehrten Jürgen Alef: Unentdeckte Talente zu fördern, erhöht nicht nur die Lebensenergie und Schaffenskraft des Einzelnen – es steigert auch die Wertschöpfung der Organisation maßgeblich. Deshalb unterstützt Jürgen Alef Unternehmen, Führungskräfte, Gründer, Lebensgestalter, also im Grunde alle, die spüren, dass mehr in ihnen steckt…
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