Eine Segel-Crew hat Teams im Unternehmen eines voraus: Alle sind involviert. Wie schafft ihr es also, euer Team im Job – und euch selbst – auf ein vergleichbares Commitment einzuschwören? Stefan Reutter verrät es im Interview…
Karriere-Einsichten: Lieber Herr Reutter, Commitment und Motivation beim Segeln – gut und schön, das macht schließlich Spaß. Wo sehen Sie da die Verbindung zum Job?
Stefan Reutter: Tatsächlich ist die Verbindung gedanklich gar nicht so weit entfernt. Segeln macht nur dann Spaß, wenn ihr eine geile Crew an Bord habt. Eine, in der alle ohne Diskussion zusammenspielen. In der jeder seinen Job macht. Und in der jedes Mitglied sein volles Potenzial einbringt.
Im Job ist das nicht anders: Teams sind dann richtig großartig – und leisten Großartiges –, wenn die einzelnen Personen darin gut eingespielt sind und jeder seinen Teil zum Erfolg beiträgt.
Karriere-Einsichten: Das klingt erst mal super. Aber ich muss natürlich sofort fragen: Wie schafft man das denn, dass alle im Team ihren Part beisteuern?
Stefan Reutter: Für mich hat das unheimlich viel mit der Grundeinstellung jedes Einzelnen zu tun. Nehmt das Beispiel vom Segeln: Auch dort gibt es, wie im Unternehmen, gewisse Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, damit der Laden läuft. Nun könnte ich mich jeden Morgen aufs Neue beschweren: ‚Ach Mist, jetzt muss ich mich wieder ums Ankerlassen kümmern.‘ Oder ich könnte jedes Mal jammern, wenn ich in der Backschaft eingeteilt bin, mich also um die Verpflegung der Crew kümmern muss.
Oder aber: Ich starte mit der Grundeinstellung: Ich bringe mich aktiv ein! Und wenn ich eine entsprechende Aufgabe übernehme, dann habe ich auch die Verantwortung dafür, dass die Aufgabe gelingt. Damit trage ich auch Verantwortung fürs Team.
Karriere-Einsichten: Verantwortung ist ein gutes Stichwort. Sie im beruflichen Kontext zu übernehmen, fällt nach wie vor vielen Menschen schwer.
Stefan Reutter: Das erlebe ich auch so. Denn Verantwortung zu übernehmen hat immer viel mit persönlicher Entwicklung zu tun. Wenn ich beim Segeln die Verantwortung für eine Aufgabe übernehme, verlässt sich die ganze Crew darauf, dass ich diesen Part richtig und gut erledige. Sonst klappt ein Manöver nicht oder es wird für die Crew gefährlich.
Ich darf also niemals leichtfertig sagen: „Ja, ich übernehme das!“, wenn ich mich bei einer Aufgabe nicht sicher fühle oder sie nicht zu einhundert Prozent erfüllen kann. Dazu gehört eine gute Portion Mut. Persönlichkeit eben.
Karriere-Einsichten: Wird ein Team in der Zusammenarbeit also besser, wenn jeder Einzelne die Eier in der Hose hat, Verantwortung zu übernehmen – bzw. sie auch mal ganz bewusst abzulehnen?
Stefan Reutter: Ja, das ist ein guter Anfang! Denn wenn ihr wisst, für welche Aufgaben ihr guten Gewissens Verantwortung übernehmen könnt und möchtet, geht ihr auch gleich mit einer ganz anderen Einstellung an sie ran. Wenn ihr euer Talent, eure Stärken, euer Potenzial einbringen könnt – dann macht Arbeit mindestens so viel Spaß wie Segeln!
„Arbeit, so viel Spass wie Segeln“
Denn ihr werdet ein wertvoller und starker Teil eures Teams. Und das Schönste daran: Mit einer solch aktiven Grundeinstellung zieht ihr automatisch auch immer andere mit.
Karriere-Einsichten: Puh, ich bin dann also nicht alleine derjenige in der „Crew“, der sich permanent abstrampelt!
Stefan Reutter: Im Gegenteil. Wenn ihr es schafft, dass alle im Team Bock darauf haben, ihre Stärken einzubringen und Verantwortung zu übernehmen, kommt nämlich der schöne Part: Ihr seid wirklich ein Team – das heißt, ihr müsst nicht rund um die Uhr den Allein-Entertainer und den Dauermotivierten geben.
Wenn alle mit der gleichen aktiven Grundeinstellung an ein Projekt oder ein Unternehmensziel herangehen, dann egalisiert sich der Einsatz von selbst. Der eine kann sich super beim Zahlenjonglieren einbringen, der nächste investiert viel Zeit ins Gespräch mit dem Kunden, der dritte übernimmt die Verantwortung für Deadlines und zeitliche Abläufe. Am Ende des Tages hat so jeder seine Stärken eingebracht – und den anderen den Rücken freigehalten in den Dingen, die sie weniger gut beherrschen.
Karriere-Einsichten: Dann ist der Zusammenhalt im Unternehmen also so gut wie auf einem Segelschiff.
Stefan Reutter: Ich finde schon. Das habe ich gemerkt, als ich in einer sechsköpfigen Crew vor Griechenland von Hafen zu Bucht und von Bucht zu Hafen gesegelt bin. Sechs Leute – das ist ein kleines Team auf einem Segelboot und noch dazu hatten wir eine segelunerfahrene Freundin dabei. Nun hätten wir das Ganze in Stress ausarten lassen können oder uns beschweren, wie viele Aufgaben jeder Einzelne von uns hatte. Stattdessen war am Ende bei uns allen eine große Zufriedenheit über einen gelungenen Törn. Weil jeder seinen Teil dazu beigetragen hatte.
Das werdet ihr auch im Unternehmen spüren: Wenn ihr euch selbstverantwortlich in Projekte einbringt und Aufgaben „an euch reißt“, ist die Zufriedenheit am Ende größer als jede Egomanie. Und das Ergebnis fürs Team und fürs Unternehmen auch gleich doppelt so gut.
Über den Interview-Partner: Stefan Reutter befeuert eure persönliche Entwicklung – und das ohne Rumgeeier, dafür mit Emotionen, Ehrlichkeit und Konsequenz. Aus eigener Erfahrung weiß der ehemalige angehende Profifußballer, dass persönliche Entwicklung eben meistens nicht geradlinig verläuft und nichtangenehm ist. Doch auf Dauer macht sie immer Freude. Und Sinn! Mehr über Stefan Reutter erfahrt ihr hier: www.stefanreutter.de
Sein aktuelles Buch: Für Bestsellerautor Stefan Reutter gibt es nichts Positiveres als Streiten! Doch leider fehlt unserer Gesellschaft eine Streitkultur. Die Menschen scheuen offene Auseinandersetzungen. Reutter sagt: „Schluss damit!“ In seinem Buch Wer Frieden will, muss streiten könnenbaut er auf Political Directness statt Correctness – das Ende der Meinungsunterdrückung und des Zwangs zu einer künstlichen gesellschaftlichen Einheit.
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