Respekt und Anerkennung sind tief menschliche Bedürfnisse, aber wie erreichen wir sie? In ihrem Meinungsbeitrag enthüllt Iris Zeppezauer die raffinierten Spielchen, die Erwachsene oft spielen, um Aufmerksamkeit zu erlangen und Respekt zu ernten. Von der Opferrolle bis zum gnadenlosen Kritiker – diese Rollenspiele sind Teil eines unbewussten Dramadreiecks, das uns gefangen hält. Doch der Artikel bietet nicht nur Einblicke in diese psychologischen Mechanismen, sondern auch praktische Tipps, wie wir uns selbst davor schützen können. Bereit, die Masken fallen zu lassen und echten, respektvollen Dialog zu fördern? Lies mehr in Iris Zeppezauers aufschlussreichem Beitrag!
Wenn es darum geht, Respekt und Geltung zu erlangen, sind die Spielarten der Menschen mannigfaltig. Vom Kleinmachen der eigenen oder anderen Personen über vermeintlich wohlmeinende Ratschläge bis hin zu pessimistischen Warnungen begegnen uns alle denkbaren Varianten. Schnell ist man unfreiwillig im Spiel des Dramadreiecks (Täter – Opfer – Retter). Nur Reflexion und Klarheit über das eigene Verhalten können vor unliebsamen Spielen schützen.
Spiele der Erwachsenen
Um Aufmerksamkeit und Respekt zu bekommen, spielen viele Erwachsene noch immer Spielchen – oft genau dieselben, die sie bereits als Kinder gespielt haben. Aufmerksamkeit und Wahrnehmung durch andere ist ein psychologisches Grundbedürfnis des Menschen. Doch nicht alle äußern klar ihre Wünsche, sondern schwindeln, verschleiern oder stiften Verwirrung. Durch diese Rollenspiele schlüpfen sie je nach Vorliebe in die Rolle des Täters, des Opfers oder des Retters. Das Dramadreieck ist eröffnet und bietet nur Wissenden und Geübten die Möglichkeit des Entkommens. Alle anderen spielen unfreiwillig mit. Die häufigsten Spiele:
Spiel 1: Mir hilft ja keiner!
Eine häufig praktizierte Art, Aufmerksamkeit und Respekt zu bekommen, ist es, gleich von sich aus die Opferrolle einzunehmen, um andere zu Tätern zu machen. Vorwurfsvolle Aussagen wie „Ich wäre ja längst fertig, wenn ich nicht alles allein machen müsste!“ fallen dann im Büro immer häufiger. Gegenüber anderen wird gerne übertriebener Aktionismus gezeigt: „Zuerst kümmere ich mich um die Post, danach habe ich die Tagesplanung zu erledigen und Müller wartet auch schon auf seine Dokumente. Bis Mittag bin ich hoffentlich fertig, weil da muss ich …“ Körpersprachlich untermalen diese Menschen ihre Botschaft gerne mit hochgezogenen Schultern und einer vorwurfsvollen Stimme.
Spiel 2: Freu dich nicht zu früh!
Es ist ein Kommunikationsspiel, das Pessimisten mit Bravour beherrschen: Erzählt man ihnen etwas Positives oder ist man glücklich und berichtet über einen Erfolg, wird ihre Miene umgehend skeptisch. Bevor der freudige Bericht fertig ist, stellt man fest, dass das Gegenüber die Freude nicht uneingeschränkt teilt. Nun setzt es zum Tiefschlag an. „Freu dich nicht zu früh!“ ist eine verhärmte Aussage, die jegliches Vergnügen bitter macht. Wer dieses Spiel spielt, versucht, sich als Ratgeber Respekt zu verschaffen und mit vermeintlicher Lebenserfahrung auf das Schlechte im Menschen hinzuweisen.
„Ich bin ja nur ein kleines Rädchen im großen Getriebe“
Spiel 3: Ich bin blöd!
Und dann gibt es Menschen, die sich klein und dumm darstellen. Ein vermeintlich harmloses Spiel, um sich über das schlechte Gewissen der anderen Aufmerksamkeit und Respekt zu verschaffen. Typische Sprüche können sein: „Ich bin ja nur ein kleines Rädchen im großen Getriebe“, „Was kann ich schon beitragen?“ oder „Ich bin ja nur ein einfaches Kind vom Land!“. Der Akteur macht sich zum Opfer und damit die anderen zu Tätern. Daraus kristallisieren sich sofort Retter, nämlich jene, die Verständnis zeigen und den Akteur eine Schonbehandlung einräumen. Das Perfide an dieser Sache: Der in seine Rolle gezwungene Täter macht sich auch bei den Rettern unbeliebt, wenn er hart durchgreift.
Spiel 4: Du bist blöd!
Der Typ Scharfrichter sucht Fehler und Makel bei den anderen und hält sich nicht zurück, lautstark darauf hinzuweisen – in Paarbeziehungen, Eltern-Kind-Beziehungen, Freundeskreisen und am Arbeitsplatz. Während es Außenstehende schockiert, löst es bei wiederholter Anwendung bei den Betroffenen nicht nur Verlegenheit, sondern Scham und Kränkung aus. Ziel des Akteurs ist es, andere kleiner, ärmer oder dümmer darzustellen, um selbst größer, reicher oder klüger zu wirken.
Hintergründe aus der Psychologie
Verschiedene Spiele, die wir als Erwachsene spielen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen, identifizierte der Psychiater Eric Berne. Entgegen der in der Zeit der 1960er-Jahre verbreiteten Praxis, den Patienten einen Seins-Zustand vorzuschreiben, hörte Berne aktiv zu und versuchte, sich ein Bild von der Person zu machen. Dabei entdeckte er verschiedene Ich-Zustände, aus denen heraus Menschen kommunizieren und agieren.
Berne fand heraus, dass in jedem Menschen ein Kindheitszustand steckt, der ihn prägt – übrigens viele Jahrzehnte bevor der Trend rund um das »innere Kind« entstand. Nach außen gibt der Mensch meist den rationalen Erwachsenen-Zustand oder den lehrenden, zurechtweisenden Eltern-Zustand vor.
Seine Analysen zeigen, dass diese Rollenspiele aus der Gewohnheit, aus dem Kindheits-Ich heraus entstanden sind, in der Regel nicht hinterfragt werden und dass sie immer nach dem gleichen Muster ablaufen.
Was können wir tun, um nicht selbst hineinzugeraten?
Wenn man ein Spiel hinter einem Verhalten vermutet oder bereits durchschaut habt, kann man die agierende Person ansprechen, aber mit Respekt. So kann man deutlich machen, dass man bereit für direkte Aussagen ohne Verhüllung ist. Auch Fragen, was der Person wichtig ist und welche Lösung sie vorschlägt, helfen bei der Enthüllung des Spielchens.
Klar ist, es handelt sich um die Inszenierung anderer und man darf sich nicht zum Teil des Problems machen lassen. Den Blick für diese Spielchen zu schärfen ist der erste Schritt. Schwieriger wird es, den Blick auf sich selbst zu richten und zu hinterfragen, welche Spiele man den Kollegen oder der Familie gegenüber selbst einsetzt und was man damit erreichen möchte. Es wird Zeit, Klartext zu sprechen, statt Spielchen zu spielen – nur so entsteht nachhaltiger, positiver Respekt.
Artikelbild: Bret Kavanaugh/ Unsplash