Gebüffelt, viel gelesen, Nächte am Schreibtisch gehockt. Und trotzdem hat es nicht für die Bestnote gereicht, um den Einstellungstest beim neuen Arbeitgeber zu bestehen? Wir haben unterschiedliche Lerntypen zusammengefasst und uns mit neuen Ansätzen für effektiveres Lernen beschäftigt…
Angefangen hat alles bei einer simplen Beobachtung in der Schule: Dem Nachbarn fällt das Lernen leichter als einem selbst, vorausgesetzt er hat nicht abgeschrieben und kein heimlicher Streber der noch nachts nach der Party für die anstehende Klassenarbeit büffelt. Immer mehr Pädagogen fordern, dass statt Frontalunterricht auf die unterschiedlichen Typen von Schülern eingegangen werden muss. Von “Blended Learning” und anderen Konzepten sprechen Bildungsexperten.
Klar ist: Nur begrenzt können wir die wesentlichen Merkmale aus der Informationsflut im Netz filtern und nachhaltig aufnehmen, um diese Ergebnisse zur gegebenen Zeit wieder parat zu haben. Hilfestellungen im Netz versprechen, das Lernen zu lernen. Jedoch lernt faktisch jeder Mensch anders. Weder ist ein Mensch wie der andere vom Typ, noch lernt ein Mensch wie der andere. Zu unterschiedlich sind die persönlichen Interessen, das Tempo und die Lernvoraussetzungen, um für alle Menschen eine maßgeschneiderte Lernmethode zu entwickeln.
Entsprechend dem jeweiligen Lerntyp wird ein bestimmter Lernstoff auf verschiedene Weisen gelernt, wobei allgemein folgende Typen bestimmt werden – nicht in Stein gemeißelt, aber als Orientierung gedacht:
Auditiver Lerntyp
Lernt hauptsächlich über das Hören und Sprechen, indem er beim Lernen den Lernstoff laut oder leise vor sich hersagt und diesen durch ausgedachte Gedichte und Melodien schnell einprägen kann.
Visueller Lerntyp
Nimmt Informationen besonders gerne durch Bilder, Notizen und Skizzen auf, welche er gründlich wiedergeben kann. Seine Sprache ist bilderreich, farbig und voller Details.
Motorischer Lerntyp
Packt an und denkt nicht lange nach. Spontan lässt er sich von seiner Intuition leiten, setzt theoretische Ideen in praktische Aktionen um und lässt beim Erzählen gerne seine Hände sprechen, Er kaut gerne Kaugummi und spielte in seiner Kindheit gerne mit Experimentierbaukästen.
Kommunikativer Lerntyp
Kann sowohl gut reden als auch zuhören. Er stellt durchdachte Fragen, hinterfragt Glaubensgrundsätze und wird gerne wegen seinem sympathischen Wesen von Kollegen um Rat gefragt. Der kommunikative Lerntyp lernt überwiegend im direkten Austausch mit anderen Menschen.
Personenorientierter Lerntyp
Braucht einen sympathischen Partner, der ihn spürbar anregt und konstant ermutigt. Sein Lernerfolg hängt entscheidend von dem persönlichen Verhältnis zum Dozenten ab. Ist die Beziehung gesund, so lernt er fast alles gut und gründlich – kommt es aber zu Spannungen, so neigt er zu Leistungsschwankungen und Selbstzweifeln.
Medienorientierter Lerntyp
Begreift die meisten Lehrinhalte allein durch virtuelle Dozenten, begeistert sich für technische Zusammenhänge und nutzt audiovisuelle Medien wie den eigenen Computer nicht nur als Spielzeug, sondern nutzt sie aktiv zum Lernen. Soweit die theoretische Vorstellung eines „Schubladendenkens“ von bestimmten Lerntypen.
[td_smart_list_end]Mehr-Kanal-Methode für müde Birnen
Die Lerntypen-Theorie geht seit dem Forscher Frederic Vester, durch sein Buch „Denken, Lernen, Vergessen“ bekannt geworden, allgemein von verschiedenen Wahrnehmungskanälen unserer Sinne aus, welche im Kopf zusammenlaufen.
Eine große Menge an Erfolg versprechenden Lerntheorien spiegelt sich in geistreichen Sprichwörtern, berühmten Zitaten, sowie neuen Methodenbüchern und beliebten Praxisratgebern wieder. Aber wie schaffen wir das in der Praxis, effektiv und nachhaltig zu lernen? Ist das Lernen mehr als nur reines Abspeichern und Reproduzieren?
Im Klartext: Können wir Wissensstoffe auf diese definierten Lernweisen in unser Gedächtnis einprägen? Vester argumentiert: „Je mehr Kanäle der Wahrnehmung benutzt werden, desto fester wird das Wissen gespeichert, desto vielfältiger wird es verankert und auch verstanden.“ Diese Theorie erscheint simpel, ihr Ansatz leicht nachvollziehbar. Dennoch wird sie in der neueren Forschung immer wieder auf ihre innere Logik hin überprüft und außerordentlich kontrovers kritisiert.
Im Unterschied zu den recht einfach dargestellten „Lerntypen“ handelt es sich hier um relativ komplexe Konstrukte des Lernprozesses. Höchstens von „Lernstilen“ ist die Rede, wenn wir in verschiedenen Situationen ähnliche Strategien anwenden, welche als aufrufbare Handlungspläne im Gedächtnissystem funktionieren. Beispielsweise ist das eine Kombination von einzelnen Maßnahmen, mit denen wir versuchen, ein bestimmtes Problem zu beheben.
Multikomplexe Lernprozesse
Isoliert betrachtet haben die erwähnten Sinne des Lernenden keine besondere Bedeutung auf den allgemeinen Lernprozess. Denn wenn der Schüler von seinem Lehrer gelernt hat, dass dreimal vier zwölf ergibt, ist das etwas, was rational greifbar ist. Erst der Lernende selbst verleiht seinen guten Sinnen ihre entscheidende Bedeutung, indem eigene Vorstelllungen und Interpretationen mit eingebracht werden.
“Lernen, (k)eine Strapaze”
Die Vestersche Lerntheorie bietet uns Hinweise, in welcher Weise die Köpfe der Studierenden beim Lernen strapaziert werden. Denn sie lernen meist fixiert für einzelne Prüfungen mit Hinblick auf eine einmalige und kurzfristige Belohnung, die erhoffte gute Note. Die Wissensvermittlung des Dozenten wird von Studi-Seite durch vielerlei Gründe nicht immer mit der notwendigen Kritik zur Kenntnis genommen, um die mehr oder weniger gelernten Substanzen auf ihre Plausibilität hin zu untersuchen.
Das Vokabel-Lernen verdeutlicht, dass die meisten Begriffe nur gepaukt und nicht systematisch durch irgendwelche neuen Modelle gelernt werden können. Begreifen und Behalten sind nicht dasselbe, gehören aber immanent zusammen. Diese Erkenntnis kommt Studierenden spätestens bei der ersten Klausur, wenn eine Formel nicht auswendig gelernt wurde, anstatt sie im Prinzip verstanden zu haben.
Die Hamburger Akademie für Fernstudien ist einer der Anbieter im Netz, die sich mit dem Konzept “Smart Learn” dem schnelleren Lernen verschrieben hat. Auf der Seite wird auch ein kurzer Test angeboten, um zu schauen welcher Lerntyp man ist.
In staatlichen Schulen mit einer Klassengröße von bis zu dreißig Schülern ist das leichter gesagt als getan. Bei der Hamburger Akademie sei das bereits selbstverständlich, sagen die dortigen Pädagogen: “Die Orientierung am individuellen Lerntyp ist wichtiger Bestandteil des Fernstudiums und damit ein spürbarer Vorteil auf dem Weg zum Abschluss”, sagt Kirsten Huter, die pädagogische Leiterin der Hamburger Akademie. Studierende werden mit Hilfsmitteln, Tipps und Hinweisen versorgt, zugeschnitten auf den jeweiligen Lerntyp im Lehrgang.
Teilnehmerin Margareta Weishaupt aus Stockach hat die smartLearn-Methode weitergeholfen: Motivation und hilfreiche Tipps zur Festigung der gelernten Inhalte führt sie als Plus an.
Mehr Struktur im Kopf
Ein tiefergehendes Detailwissen ist in vielen, meist mündlichen Prüfungen nicht gefragt. Die eigene Erfahrung lehrt, dass man vielmehr durch eine schnelle und sichere Reproduktion von faktischen Mustern erfolgreich sein kann, um eine gute Bewertung zu bekommen.
Nicht in jedem Fall wird also eine reflektierte Tiefenverarbeitung durch bessere Leistungen honoriert. Die Anforderung der Lernumgebung bestimmt also wesentlich auch die Lernorientierung. Je unterschiedlicher wir uns aber den Lernstoff aneignen, desto vielfältiger sind die Möglichkeiten des Erinnerns und Behaltens. Diverse Umfragen haben ergeben, dass nur 20 Prozent aller Befragten ausschließlich auditiv, rein visuell nur 30 Prozent lernen können.
Nur die Hälfte der Befragten merkt sich den Lernstoff durch eine Verbindung von Hören und Sehen. Den größten Anteil haben mit über 70 Prozent aber diejenigen, welche die geforderten Inhalte nicht nur sehen, hören und diskutieren – sondern auch versuchen, ihn in der Praxis deutlich zu machen.
Untersuchungen haben ergeben, dass wir den Lernstoff besser aufnehmen und länger behalten, wenn wir die Informationen durch mehrere Wahrnehmungskanäle aufnehmen. Wenn der Lehrer seinem Schüler etwas erzählt, hat dieser seine Worte nach kurzer Zeit zu etwa 80 Prozent wieder vergessen.
Wird ein Text gelesen oder ein Bild betrachtet, werden immer noch 70 Prozent vergessen. Daher ist ein Multikanalsystem zur effektiveren Wissensaufnahme unumgänglich, indem Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben kombiniert werden. In diesem Fall können 90 Prozent des Lernstoffes wieder abgerufen werden.
Wer seinen Lerntyp über den Daumen gepeilt einschätzen kann, beim Lernen kontinuierlich berücksichtigt und verschiedene Modelle ausprobiert, kann Informationen schneller und nachhaltiger aufnehmen. Die für das reine Lernen aufgewendete Zeit wird verkürzt und verbessert erheblich die Chancen, den Lernstoff im richtigen Moment wieder parat zu haben.
Durch gezieltes Beobachten und kreatives Ausprobieren verschiedener Lernstile werden neue Wege gefunden, um erforderliches Wissen effektiver aufzunehmen, zu speichern und mit bereits bekannten Lernstoffen zu verknüpfen.
Über den Autor: Jan Thomas Otte hat sich unter anderem mit “Brain Tuning” beschäftigt und findet, dass jeder seinen eigene Lernmethode findet – ohne Mittelchen, ohne grossartige Ratgeber. Bei Spiegel Online berichtete er über verschiedene Lernoasen. Fazit hier: “Beim Lernen kann ich meinen kreativen Gedanken freien Lauf lassen”…
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