Bachelor und Master hast du mit Bravour gemeistert. Jetzt geht es ans Bewerben. Dabei kommt es darauf an, wie du dich und deine Persönlichkeit beim künftigen Arbeitgeber am besten in Szene setzt. Hier erfährst du, wie dich ein starkes Ego dabei unterstützen kann…
Du bist Konzertpianist und hast Musik studiert, willst dich aber beruflich jetzt anders orientieren? Dann kannst du ebenso wie der BWL-Absolvent bereits Anfang dreißig Partner einer Consultingfirma werden. Alles, was dabei zählt, ist deine Herangehenswei-se. In diesem Kapitel liest du, wie du realistische Ziele formulierst die zu dir passen. Erfahre, wie du übers Netz einen interessanten Job findest, ohne dich vorher bewerben zu müssen. Und wie du, falls du doch noch ins Auswahlverfahrens musst, dieses auf-recht und souverän meisterst.
Als ich mit meinem Diplomstudium in Heidelberg anfing, da waren Bachelor und Master noch der neuste Schrei aus dem Bologna-Prozess*. Mittlerweile weisen (fast) alle Unis straffe Stundenpläne auf. Das Ziel der Bildungsplaner ist, dass Studierende möglichst schnell und solide ihren Abschluss schaffen – mit von morgens bis abends verpflichtenden Kursen. Ein Theologiestudium wirkt da wie der letzte Hort für Generalisten. Meinen Stundenplan durfte ich mir hier noch selbst vollpacken oder eben ganz bewusst bestimmte Seminare wählen die mir Spass machten und den Rest der Zeit praktische Berufserfahrung und das nötige Kleingeld in Studentenjobs zu sammeln.
In Großbritannien oder den USA ist das übrigens nichts Ungewöhnliches, ein vom Berufsziel völlig abweichendes Fach zu studieren. Warum denn auch nicht, das weitet den Horizont! Warum nicht zuerst den Bachelor in Musikwissenschaft machen, dann ein paar Jahre bei einem IT-Dienstleister Software-Prozesse optimieren und später vielleicht noch einen Master in Computerlinguistik draufsetzen? Das ist möglich und Arbeitgeber hierzulande stellen sich langsam auf neue Bildungskarrieren ein, müssen sie auch.
“Keine Generation vor uns war so gut ausgebildet”
Denn keine Generation vor uns war so gut ausgebildet, mehrsprachig und international aufgestellt wie wir, die Generation Y. Nie zuvor hat eine Altersgruppe häufiger Abitur gemacht, so viel studiert und im Ausland gelebt wie wir.
Also von allem ein bisschen studieren und nur das machen auf das du Lust hast? Nun ja, so eine Generalisten-Karriere funktioniert in einigen Berufen, zum Beispiel in der kreativen Branche, besser als in anderen Bereichen. Wir brauchen ebenso Leute, die das Zeug zum Spezialisten haben. Wer als Arzt arbeiten will, sollte zuvor Medizin studiert und vor seiner ersten, eigenständigen OP sein Handwerk gelernt haben.
Ebenso möchte ich mit meinem Auto nur über solche Brücken fahren, die von einem bestens ausgebildeten Ingenieur konstruiert, gebaut und auf seine Funktionsfertigkeit hin getestet wurden. Spezialisierung und Fokus sind hier sogar überlebenswichtig. Wie vielseitig bist du, was macht dir alles Spaß? Was ist deine Expertise, wo bist du bereits richtig gut drin? Ich bin mir sicher, dass mehr Potential in dir drin steckt und (noch) schlummert als du denkst!
Reine Fachidioten haben es in der Wirtschaft schwer. Dort werden vor allem Menschen gesucht, die gesunden Menschenverstand haben. Um allerdings Gewinne zu machen, also möglichst günstig einzukaufen und Produkte möglichst teuer zu verkaufen, reicht das reine BWL-Wissen. Aber Innovationen, das Schaffen neuer Produkte und Angebote, findest du nicht im Lehrbuch, dafür ist das kreative Zusammenspiel unterschiedlicher Menschen notwendig.
Mehr als das Abhaken von Pflichtkursen
Mit einem Musikstudium lässt sich nichts verdienen, das ist eine brotlose Kunst? Nicht unbedingt. Germanistik oder generell Geisteswissenschaften kann ja jeder, führt zu nichts? Lass dir so etwas nicht einreden. Es kommt immer darauf an, was du selbst daraus machst. Selbst wenn aus deinem Traumjob als Musiker nichts wird, kannst du dich immer noch umorientieren und in einer anderen Branche erfolgreich durchstarten.
Viele Unternehmen sind Quereinsteigern mittlerweile gegenüber aufgeschlossener. Wer etwas anderes als BWL oder VWL studiert, hat während seiner Zeit an der Uni Methoden erlernt, mit der er sich schnell in fremde Themen einarbeiten kann. Und nicht immer ist das Berufsziel die Consulting-Branche. So gibt es durchaus Ärzte, die lieber Unternehmen beraten, aber auch Ingenieure, die eine Kindertagesstätte leiten oder Lehrer, die sich irgendwann lieber als Immobilienmakler verwirklichen.
Nutze die Freiheiten, die dir die Zeit des Studiums bietet. Mache möglichst viele, ganz unterschiedliche Dinge, die dir wertvolle Erfahrungen für den späteren Beruf bringen. Du bist jung, motiviert, gebildet. Vor allem aber bist du (noch) unabhängig. Du hast die einmalige Chance, mal für ein paar Monate etwas ganz anderes, vielleicht sogar Verrücktes und ganz und gar nicht Zweckgebundenes zu machen. Trau dich, dem ungeschriebenen Gesetz zu gehorchen: nicht fragen, machen. Nur wer macht, gewinnt.
Abgesehen von der Examensvorbereitung und dem ganzen Prüfungsstress der dich plagt: so frei wie im Studium bist du (vielleicht) nie wieder! In der Zeit an der Uni stellst du die Weichen für deine künftige Karriere. Dennoch solltest du nicht stur vor dich hin studieren und das, was dich sonst noch interessiert, außer Acht lassen. Nutze die Freiheiten, die du hast, um das zu tun, wofür du brennst und was deinen Werten entspricht. Das Schreiben von Bewerbungen, Führen von Vorstellungsgesprächen und Rackern im Job kommt früh genug.
Das oberste Gebot funktionieren zu müssen gilt heute bereits im Kindergarten und später in der Grundschule, am Gymnasium und an der Hochschule. Haben meine Mitschüler vor zwanzig Jahren noch Nachhilfe in Mathe oder Latein genommen, wenn die Versetzung gefährdet und mindestens ein »Ausreichend« auf dem Zeugnis nötig war, so gehen heute immer mehr Schüler zur Nachhilfe, um ihre »sehr guten« Leistungen zu halten. Ohne Einser-Noten und Leistung läuft im Leben nichts mehr, wird dir gesagt. Mittelmaß ist nicht mehr, diese Mitte ist uns irgendwie abhanden gekommen, schreibt Svenja Hofer in ihrem Karriere-Blog.
Dieser Leistungsdruck schürt Angst, im Vergleich mit der eigenen Peer-Group* möglicherweise zu kurz zu kommen. Dabei sind neben Leistung, Karriere und dem schnöden Mammon gerade innerhalb der Generation Y noch ganz andere Werte zur Selbstverwirklichung wichtig.
Beispiel: Julia Bergner (*1987), machte wie viele ihrer Mitschüler mit 19 Abitur, schrieb sich für Jura ein und stellte nur Wochen später fest, dass dieses Fach eigentlich gar nichts für sie ist – ihr Erststudium bricht sie av. Daraufhin nimmt sie sich ein Jahr lang Zeit, um ganz genau zu überlegen, was sie eigentlich will und wohin ihre Karriere gehen soll.
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