Wer Karriere machen will braucht vor allem Abitur und Studium? Nicht immer: Eine Karriere über den zweiten Bildungsweg kann eine lohnende Alternative sein…
Nach dem Realschulabschluss will Markus K. Geld verdienen und Praxiserfahrung sammeln. Er macht eine Ausbildung bei einem Automobilhersteller, arbeitet danach für seinen Arbeitgeber in Werken in Ungarn, den USA und China.
„Mit meiner Auslandserfahrung wollte ich im Unternehmen Karriere machen“, sagt der heute 33-Jährige. Doch er erkennt: „Unter all den Akademikern hatte ich wenig Chancen, bei einer verantwortungsvolleren, höher dotierten Stelle berücksichtigt zu werden.“ Über den zweiten Bildungsweg will Markus K. schließlich zur gleichen Qualifikation gelangen, wie Mitbewerber mit Abitur und Studium.
Auslandserfahrung als grosses Plus
Der Baden-Württemberger beginnt eine nebenberufliche Weiterbildung zum technischen Fachwirt. Auf dem Lehrplan stehen Fächer wie Betriebs- und Volkswirtschaft, Recht und Steuern, Controlling oder Umwelt- und Qualitätsmanagement (QM). Bis dahin fehlende, kaufmännische Kenntnisse holt der ehrgeizige Schwabe schnell auf: „Der Unterricht war sehr nah an der Praxis, das hat das Lernen erleichtert.“
Nach einem Jahr besteht Markus K. die IHK-Prüfung zum technischen Fachwirt, meldet sich direkt für den nächsten Weiterbildungslehrgang an und absolviert zwölf Monate später die Prüfung zum technischen Betriebswirt. Noch während seiner Weiterbildung bewirbt sich K. auf eine interne Stelle als Qualitätsprojektingenieur – mit Erfolg. „Ohne meine Zusatzqualifikationen hätte ich den Job nicht bekommen“, ist sich der „Nicht-Akademiker“ sicher, der inzwischen als Projektleiter neue QM-Systeme mit entwickelt.
Dass Akademiker grundsätzlich besser verdienen, stimmt nur bedingt
Marcus K. ist mit seinem Karriere-Beispiel kein Einzelfall. Wer nicht studieren will oder kann, für den ist der zweite Bildungsweg eine gute Option. Viele Arbeitgeber wissen den Einsatz zu schätzen, den es für eine nebenberufliche Fortbildung braucht. Wer sich neben dem Job weiterbildet zeigt, dass er diszipliniert ist und sich gut organisieren kann. Es ist ein Klischee, dass nur Akademiker verantwortungsvolle und gut bezahlte Jobs kommen.
Julia Flasdick, DIHK-Referatsleiterin Hochschulpolitik, stützt diese These: „Das klassische Vorurteil, dass Akademiker grundsätzlich mehr verdienen, als Nicht-Akademiker, stimmt nur bedingt.“ Den höheren Gehaltsdurchschnitt bei den akademisch Qualifizierten heben Berufsgruppen wie Ärzte oder Informatiker an, während andere Akademikergehälter deutlich unter dem Schnitt liegen. Berufliche Bildung könne lukrativer sein, als ein jahrelanges Studium, erklärt Flasdick: „Denn der Trend zu Akademisierung hat teilweise zur Folge, dass Hochschulabsolventen in Jobs einsteigen müssen, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen und somit oft schlechter bezahlt sind“.
“Trend zu Akademisierung”
Perspektivisch könnte sich das Einkommensgefüge insgesamt zu Gunsten der beruflich Gebildeten verschieben: Auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen rund 1,3 Millionen MINT-Facharbeiter – allerdings nur 67.000 MINT-Akademiker, zeigt eine Studie des Münchener ifo-Instituts. Die Untersuchung kommt zu dem Fazit, dass die Chance, nach einem Studium eine unbefristete Anstellung zu finden, geringer ist, als mit einem Meister- oder Technikerabschluss. Bereits 2016 berechnete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung eine qualifikationsspezifische Arbeitslosenquote für Akademiker von 2,4 Prozent. Bei Fachkräften, die sich zum Meister- oder Techniker weiterqualifiziert haben, betrug diese im Vergleichszeitraum lediglich 1,7 Prozent.
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