Feliz Navidad! Craciun fericit! Streken Bozhik! Boas Festas! – Maike Puchert (28) beherrscht nicht alle Sprachen, die im Hamburger Hafen gesprochen werden. Aber sie weiß, wie wichtig den Seebären das Weihnachtsfest ist. Jedes Jahr veranstaltet die Diakonin der Seemannsmission eine Feier für die Seeleute, deren Schiffe über die Feiertage am Pier liegen. Julia Bergner hat die junge Seelsorgerin kennengelernt.
Der Hamburger Hafen gilt als Deutschlands Tor zur Welt. Der emsige Betrieb an der Unterelbe steht nie still – außer an Heilig Abend. Dann macht der drittgrößte Hafen Europas für ein paar Stunden die Schotten dicht und die Seeleute können Weihnachten feiern. Mitten unter ihnen ist Diakonin Maike Puchert.
Die 28-Jährige, die vor zwei Jahren die Leitung der Bordbetreuung bei der Seemannsmission übernommen hat, schätzt diesen Tag im Jahr am meisten: „Normalerweise ist im Hafen rund um die Uhr etwas los – und es ist laut. Am 24. Dezember ist nach der 12-Uhr-Schicht Schluss. Dann werden die Kräne hochgefahren, kein LKW ist mehr auf den Straßen unterwegs. Dann kehrt endlich einmal Ruhe ein.“
Seit 10 Jahren bei der Seemannsmission
Vor 10 Jahren ist die 28-Jährige zum ersten Mal in der Seemannsmission aufgeschlagen und hat seitdem Blut geleckt oder eher: Seeluft geschnuppert. „Damals war ich gerade 18 und musste aus der Schule einfach mal raus. Ich habe mir die Frage gestellt: Brauche ich wirklich das Abitur?
Ich wollte weg von zu Hause, um zu gucken, was ich will. Ich habe auf einem Bogen für ein Freiwilliges Soziales Jahr alles angekreuzt, was irgendwie am Wasser lag. So bin ich bei der Seemannsmission gelandet. Das war eine lebensverändernde Entscheidung.“ Der Seemannsclub „Duckdalben“, in dem sie ihr FSJ absolvierte, und die Arbeit mit den Seeleuten begeisterten sie auf Anhieb.
„Ich treffe hier jeden Tag so viele Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern. Man braucht überhaupt nicht mehr zu verreisen. Die Welt kommt zu einem.“ Diverse Schifffahrtsrouten verbinden den Hamburger Hafen mit mehr als 900 Häfen in über 170 Ländern.
Durch Kleinigkeiten viel bewegen
Das Abitur machte die gebürtige Wilhelmshafnerin dann trotzdem und studierte Soziale Arbeit und Diakonie. Nach der Ausbildung war Maike Puchert sofort klar, dass es zurück zur Seemannsmission gehen würde: „Man kann hier durch Kleinigkeiten unglaublich viel bewegen und es kommt sofort etwas zurück.“
“Über die Gangway…”
Eine Begebenheit ist ihr besonders im Kopf geblieben: „Als ich einmal an Bord eines Schiffes gegangen bin, hat mich ein Seemann an der Gangway begrüßt, der sehr grimmig wirkte.“ Maike Puchert fragte sofort, wie es ihm denn gehe. „Sein Blick veränderte sich schlagartig und er sagte: ‚Danke, dass du mich das fragst. Das hat mich seit Monaten keiner mehr gefragt.‘“
Die Seeleute verpassen einen Großteil des Familienlebens
Die meisten Seeleute sind monatelang von ihren Familien getrennt und müssen alles hinter sich lassen. Die Kommunikation mit der Heimat gelingt nur in einigen Häfen. Sie verpassen die Geburtstage, die Einschulungen ihrer Kinder oder Beerdigungen von Familienmitgliedern. „Weihnachten spielt da eine besondere Rolle“, erklärt Maike Puchert.
Denn dann fühlen sich viele noch weiter von ihren Angehörigen entfernt als sie es ohnehin schon sind. Die junge Diakonin versucht deshalb, den Abend für die rund 200 Gäste aus Griechenland, Marokko, Rumänien, Montenegro, den Philippinen oder Indien so schön wie möglich zu gestalten. Im Foyer haben die Mitarbeiter einen großen Baum geschmückt. Interessiert und
Beim Raclette-Essen werden die Seemänner zu kleinen Kindern
Gemeinsam lauschen alle der Andacht von Maike Puchert. Die Weihnachtsgeschichte wird in möglichst vielen verschiedenen Sprachen erzählt, damit jeder sich ein kleines bisschen zu Hause fühlen kann. Danach gibt es Raclette. „Das ist zwar typisch deutsch, aber es ist unglaublich süß, wie die Seemänner es ausprobieren wie die kleinen Kinder und sich freuen, wie es schmeckt.“ Zum leichteren Verständnis haben die Gäste das Raclette in „Indoor Barbecue“ umbenannt. „Später am Abend kann es dann noch vorkommen, dass sich einer mal eine Gitarre schnappt und landestypische Weihnachtslieder singt.“
Noch etwas später am Abend geht dann auch Maike Puchert nach Hause. Dort wartet die Familie und der eigene Weihnachtsbaum. Aber für nichts auf der Welt will die 28-Jährige ihren Beruf tauschen: „Ich will die Personen hier im Blick haben. Ich möchte, dass gerade an Weihnachten keiner das Gefühl hat, alleine oder vergessen zu sein.“
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