Hochbegabt. Die einen sind es, die anderen nicht – sie wären es aber manchmal schrecklich gerne. Mit einer Bewerbung auf dem Eliteinternat Schloss Hansenberg trennt sich die Spreu vom Weizen. Julia Bergner hat drei Anwärterinnen kennengelernt…
Elisabeth ist klein, extrem dünn und unscheinbar. Wer sie sieht, schätzt sie auf höchstens 13 Jahre. Elisabeth ist 16 und seit einigen Wochen hat sie es schwarz auf weiß: Sie ist überdurchschnittlich begabt und darf die Internatsschule Schloss Hansenberg im Rheingau besuchen, um dort mit den Besten der Besten zu lernen.
Für Elisabeth nicht erstaunlich. Sie weiß sehr genau, was sie kann. In der Schule habe sie schon seit Jahren die Klasse angeführt. Besonders leicht fallen ihr die Naturwissenschaften und Mathematik. Deswegen muss sie jetzt raus aus der „normalen Schule“, wie sie sagt.
Elisabeth: „Raus aus der ‚normalen Schule‘!“
Und rein ins Internat auf einem Hügel inmitten von Weinbergen, im Rheingau nahe der Kaderschmiede European Business School (EBS), gemeinsam mit rund 200 Schülern, die alle so schlau sind wie sie. Jeder, der hier ist, hat mindestens einen IQ von 130. Das wurde in einem Test ermittelt, der ganz am Anfang der Bewerbung stand. Natürlich wird hier der Konkurrenzdruck ungleich größer sein als auf ihrem Gymnasium zu Hause, formuliert Elisabeth gewählt. „Aber das macht mir nichts. Das ist nur positiv für mich. Die anderen werden einen guten Einfluss auf mich haben und mich zu weiteren Leistungen antreiben.“
Raus – das bedeutet für Elisabeth auch raus aus ihrem sozialen Umfeld. Bis zu ihrer Bewerbung war sie zwei Jahre lang engagiert in der Jugendarbeit ihrer Kirchengemeinde. Ob ihr wenigstens der Abschied von der ehrenamtlichen Arbeit und den Kindern schwer falle? „Nein“, sagt Elisabeth, „mich erwarten ja ganz viele neue Herausforderungen.“
Das Engagement habe ihre Spaß gemacht und ihr vor allem etwas gebracht für das Leben. Immerhin habe ihre Leitertätigkeit ihr unter anderem zu dem Platz auf Hansenberg verholfen. Zwei Jahre Mitarbeit. Hochbegabt. Weg. Andere machen das jahrelang. Nein, das braucht sie jetzt nicht mehr. Es habe gereicht. Vielleicht schaut sie in den Ferien ab und zu mal vorbei. Aber das weiß sie noch nicht so genau. Sie muss schließlich viel leisten jetzt, erklärt Elisabeth.
Marie: „Meine Eltern sind auch enttäuscht!“
Marie hat es nicht geschafft. Sie ist vor drei Jahren beim IQ-Test auf Schloss Hansenberg durchgefallen. Sie wurde von ihrer Direktorin in Absprache mit dem Klassenlehrer nach der 9. Klasse für die Internatsschule vorgeschlagen. Begeistert sei sie damals gewesen. Man sieht der heute 19-Jährigen an, wie stolz sie war, als hochbegabt eingestuft worden zu sein.
Die Internatsschule habe beim „Tag der offenen Tür“ einen tollen Eindruck auf sie gemacht. Freunde und Jugendgruppenleiter hätten ihren Enthusiasmus eher skeptisch gesehen. „Aber die haben sich das ja auch nicht selber angeschaut!“ Dass es dann doch nicht geklappt hat, bedauert sie immer noch ein wenig. Und ihre Eltern täten das auch. Mit dem Abschluss von Hansenberg hätte sie viel bessere Chancen im Leben gehabt, als mit dem „normalen Abitur“, sagt Marie.
Marie ist früh gefördert worden. Alles, was sie während der Schulzeit und nach dem Abitur in ihrem sogenannten „Gap Year“ in Südamerika gemacht hat, war wohl durchdacht. „Wenn es schon nicht mit Hansenberg geklappt hat, dann muss ich mich ja irgendwie anders abheben“, erklärt sie.
“Exklusive Studienwahl”
Auch ihre Studienwahl ist exklusiv: Die Universität Freiburg hat einen neuen Studiengang eingeführt: „Liberal Arts and Science“. Marie hat sich beworben und ist unter mehreren hundert Bewerbern als eine von 80 ausgewählt worden. Endlich hat es geklappt! „Ich bin stolz zu einem kleinen Kreis zu gehören, der ein ganz besonders Studium genießen darf!“
Hanna: „Das ist nichts für mich!“
Hanna ist nicht traurig. Auch sie wurde vorgeschlagen, hat sich das Internat Hansenberg angeschaut und schon vor dem IQ-Test beschlossen: Das ist nichts für mich. „Die Schule ist komplett auf Naturwissenschaften ausgerichtet. Ich wollte dort gerne eine dritte Fremdsprache machen. Man hat mir gesagt, das ginge nicht.“ Das habe sie enttäuscht. Hochbegabt nur, wenn man Chemie, Bio und Physik kann? Dann sei sie doch lieber „normal begabt“, erklärt Hanna. Mittlerweile ist die 19-Jährige zufriedene Besitzerin des Abiturzeugnisses einer staatlichen Schule.
Neben dem Unterricht konnte sie sich in ihrem Stadtteil engagieren, hat sich mit Orgelspielen Geld dazu verdient und die meiste Zeit mit ihrem großen Hobby, dem Singen, verbracht. Der große Erfolg: Ab Oktober wird Hanna Gesang studieren. Da hat sie es ganz alleine hingeschafft. Mit Fleiß und Beharrlichkeit.
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