Manche Unternehmen müssen erst richtig unter Druck geraten, bevor sie ernsthaft erste digitale Schritte gehen. Nur: Was tun, wenn dann schon die Existenz in Gefahr ist? Wie soll eine Firma in dieser Situation noch ihre digitale Transformation schaffen? Gregor Heilmaier weiß, wie es gehen kann…
Erst kürzlich war ich bei einem angehenden Mandanten, dessen Situation in Sachen Digitalisierung ganz typisch ist für kleinere mittelständische Unternehmen. Die Firma ist sehr Techie-geprägt, nicht ganz klein, aber auch nicht riesig.
Die letzten Jahre haben Geschäftsleitung und Mitarbeiter schon ab und zu darüber nachgedacht, welche Prozesse sie digitalisieren könnten und welche Software die richtige wäre – aber letztlich sind alle Initiativen immer wieder eingeschlafen. Es ging ja auch so.
Entsprechend ist der Laden heute meilenweit davon entfernt, ein digitalisiertes Unternehmen zu sein: Die Systeme, mit denen sie arbeiten, sind an die 15 Jahre alt und nie upgedatet worden. Und das fällt dieser Firma gerade heftig auf die Füße.
Leck geschlagen
Seit gut 18 Monaten sind die Aufträge der Firma massiv eingebrochen, die Liquidität ist in Gefahr, die Banken beginnen nachzufragen: „Wie stellt ihr euch das mit dem Cashflow so vor die nächste Zeit?“ Der Druck ist also da, das Unternehmensschiff ist leck geschlagen, der untere Teil vom Schiffsbauch steht schon unter Wasser.
Tatsächlich sind der Firma drei klassische Kardinalfehler in Sachen Umsetzung der Digitalisierung unterlaufen – und vielleicht kommt euch der eine oder andere davon bekannt vor.
Erstens: Es herrschte die Überzeugung, dass Digitalisierung gleichzusetzen ist damit, sich moderne Software anzuschaffen.
Zweitens: Glaubten die Verantwortlichen, die Umsetzung müsse in einem Schritt passieren. Mit 50 % loslaufen und dann mal ausprobieren? Nein, das geht nicht.
Drittens: Das Thema Digitalisierung war keines, in das die Mitarbeiter miteinbezogen wurden. Die sollten sich ums Tagesgeschäft kümmern und die Geschäftsleitung würde ihnen dann schon die richtige Lösung präsentieren können.
Mit dieser Fehlertriade und ihren Folgen steht das geschilderte mittelständische Unternehmen nicht allein da.
Raus mit dem Wasser
Viele, die bisher die Digitalisierung nicht angepackt haben, vermelden solche Wassereinbrüche. Wohl dem Unternehmensschiff, dass über ein Kammersystem verfügt, so dass es erst einmal nur tiefer im Wasser liegt und nicht gleich untergeht. Dann ist noch Zeit, die Mitarbeiter an die Pumpen zu rufen …
Denn das erste Ziel muss natürlich sein, das Wasser aus dem Schiff zu bekommen, bevor alle darüber nachdenken können, wie sie das Schiff von innen so umrüsten können, dass es für die Zukunft gerüstet ist.
Das Allerwichtigste in dieser Situation ist aus meiner Erfahrung heraus, dem Prozess an sich von Anfang an eine Struktur zu geben. Wenn ihr in einer solchen Lage aktiv werden wollt, legt also fest: Was wollen wir erreichen? Mit welchem Format erreichen wir das? Welche Methode kann uns dabei unterstützen? Wen brauchen wir dafür? Setzt dafür ruhig eine Moonshot-Runde an.
Auf zur digitalen Mondfahrt
Der Begriff Moonshot geht auf Google zurück: In diesem Format gebt ihr euch ein fantastisches Ziel und überlegt, wie euer Weg dahin aussehen könnte. Nur bitte macht dieses Treffen zu einer echten Moonshot-Runde, das heißt, schafft einen kreativen Rahmen statt des üblichen Meeting-Settings: Zum Beispiel sollte sich niemand erst melden müssen, bevor er sprechen darf, oder nicht alle steif am Tisch sitzen. Gestaltet diese Runde mit Bedacht und ladet nur Mitarbeiter ein, von denen ihr wisst, dass sie auch dabei sein wollen.
Brecht anschließend eure „Reise zum Mond“ möglichst konkret herunter. Das heißt nicht, dass ihr jedes Detail ausplanen solltet – damit würdet ihr euch nur verzetteln. Viel wichtiger ist, dass ihr danach immer wieder zusammenkommt, schaut, was ihr schon geschafft habt und wo ihr jetzt steht. Solch ein agiles Vorgehen ist für die Umsetzung der Digitalisierung in mittelständischen Unternehmen hervorragend geeignet. Auch und gerade wenn das Wasser schon ins Unternehmensschiff eingedrungen ist.
Und noch ein Tipp: Nehmt schon in diese Iterationsschleifen immer wieder Kunden mit hinein, um wertvolles Feedback zu bekommen. Und macht lieber viele kleine als wenige große dieser Schleifen: Damit bekommt ihr schnelle und wirklich greifbare Ergebnisse. Das sind die wirklich wirksamen Pumpen!
Der Autor: Gregor Heilmaier weiß, welche Vielzahl an Chancen und Möglichkeiten die Digitalisierung und die damit verbundene Veränderung in der Zusammenarbeit dem deutschen Mittelstand bieten kann. Und so bringt der Wahl-Nürnberger mit seiner individuellen, experimentierfreudigen Herangehensweise Unternehmen und Teams ihrem Zukunftsziel näher. Erfahrt mehr: www.gregor-heilmaier.de
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