Sie arbeiten viel und gerne, sind im “Flow”. Workaholics haben die nächste Beförderung vor Augen, den Pitch beim neuen Key Account und manchmal etwas ganz anderes. Gründe, gefühlt rund um die Uhr zu arbeiten gibt es viele. Johannes Schmeer berichtet aus seiner Coaching-Erfahrung…
Fragt man Menschen warum sie regelmäßig 50 bis 60 Stunden pro Woche arbeiten, bekommt man viele Gründe zu hören. Selten sind sie stichhaltig. Oft beschleicht einen der Eindruck, dass eine Dringlichkeit und Relevanz behauptet wird, die vor allem im Kopf des Angesprochenen existiert, aber nicht wirklich im Unternehmen. Killerargument: „Es geht nicht anders.“
„Ich kann nicht anders“
Würden diese Menschen sagen „Ich kann nicht anders“ wären sie der Wahrheit oft schon näher. Die meisten müssten allerdings ergänzen: „Aber ich weiß auch nicht warum, was es ist, das mich da so treibt.“ Und schon sind wir am Knackpunkt: den 24/7-Programmen ihres Unbewussten. Und die sind naturgemäß dem Verstand nicht wirklich zugänglich.
Kopfkino und Emotionen schlagen Logik und Sachverstand
Was da in vielen Menschen abläuft, hat es in sich. Denn es ist tatsächlich losgekoppelt von der äußeren Realität, wird innerlich aber äußerst real erlebt.
Der Grund: es sind Gehirnregionen beteiligt, die eben nicht mit Logik und Sachverstand arbeiten, sondern mit Bildern und uralten Erfahrungen. Und deshalb ist im Folgenden auch nicht die Rede von psychisch kranken Menschen, sondern letztlich von uns allen.
Welche Programme sind das nun aber, die eine so fatale Wirkung haben? Hier kann man in Coachingsitzungen oft einen Dreiklang beobachten, der das innere Kopfkino zum Horrorfilm werden lässt.
Galoppierende Gruselphantasien
Das können tief sitzende Ängste sein, den Job zu verlieren, die Auflösung der Abteilung, der Verkauf des Unternehmens, etc. Doch damit nicht genug: im Inneren bedeutet all das dann den Verlust von Ansehen und Status, das Ausgeschlossen werden aus vertrautem Umfeld, letztlich: die Isolation.
Einschränkende Grundüberzeugungen
Noch nicht genug an Horror, denn hinzu kommen oft verblüffende Denkweisen über sich selbst – anzufinden bis in hohe Management hinein. „Ich schaffe das nicht. Ich bin zu klein / zu doof. So wie ich bin, kann mich hier eh keiner leiden“… Alles keine guten Selbstbilder, die einen sicher und stark machen würden.
Superlativistischer Selbstanspruch
Sind das Bedrohungsszenario (1) und das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit (2) schon ein ziemlich fataler Mix, wird es mit (3) völlig aussichtslos. Diese Menschen haben von sich das Bild, jetzt mindestens die Welt retten zu müssen. Oder wenigstens das Unternehmen, bzw. die Abteilung. Alles hängt an ihnen. Ohne sie geht gar nichts. Da sind 50 Stunden Arbeitszeit pro Woche eigentlich noch zu wenig…
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Süchtig nach Arbeit sind diese Menschen also nicht.
Sie sind Getriebene ihrer unbewussten Programme.
Und verspüren eine Sehnsucht, da endlich einmal aussteigen zu können.
Über den Autor: Johannes Schmeer ist seit über 20 Jahren als Berater und Coach für Topmanager und Unternehmer tätig. Er unterstützt sie dabei, in allen Bereichen ihre Lebensqualität zu maximieren.
Artikelbild: Volt Collection/ Shutterstock