Lieber der schwarze kleine, der nur leicht vibriert und leise summt, oder doch den großen lauten mit viel Power? Solche und andere Fragen schnappte unser Reporter David Seitz auf. Eine Reportage aus den Sexshops der Innenstadt…
Um 9:30 Uhr im Beate Uhse Shop am Münchner Stachus. Eine junge Dame ist vertieft in die Suche nach dem richtigen Vibrator. Vorsichtig betastet sie ein Modell nach dem anderen – sie wirkt unentschlossen.
Der Filialleiter fragt diskret nach ob er helfen kann. Eine kurze Beratung, Minuten später hat die junge Frau gefunden was sie gesucht hat. Szenen wie diese werden seltener, das Internet tritt immer stärker als Konkurrenz für den Sexshop auf. Mit wenigen Klicks kann man heute Vibratoren, Puppen oder Latexanzüge bestellen. Damit spart sich der Käufer nicht nur den möglicherweise unangenehmen Gang in den Sexshop, meistens sind die Produkte auch billiger.
Auf den ersten Blick sprechen viele Faktoren für den Kauf im Internet, dennoch bleibt ein Massensterben der Erotikfachmärkte aus. Dafür gibt es verschiedene Gründe.
Mehr Anonymität im Laden als im Netz
Ein erster Ansatz: „Im Internet muss man seine Adresse angeben, vor allem die ältere Generation traut der Sache oft nicht,“ sagt Jakob Wälde vom Manhattan Media Store in Freiburg.Auf einer Fläche von 600 Quadratmetern verkauft er Erotikartikel.
„Im Sexshop trifft man höchstens ein paar Leute, das ist für viele aber erträglicher als nicht zu wissen was mit den Daten im Netz passiert.“ Die Angst, Bekannte oder gar die eigene Frau könnte vom Pornokauf Wind bekommen ist omnipräsent. Wälde sieht darin auch den Grund warum nach wie vor eine Nachfrage nach VHS Kassetten besteht.
„Viele von den älteren Kunden kennen sich mit der neuen Technik noch nicht aus. Beim Videorekorder müssen sie nur auf Eject drücken, dann ist das Bild weg.“ Das beruhigt offenbar die Nerven.
Dabei kann man Sexshopbesucher keinesfalls als homogene Gruppe erfassen. Es gibt die älteren VHS Kasettenkäufer, genauso wie junge Mädchen, die nur zum Unterwäsche-Shopping kommen. „Ich finde die Gespräche mit den älteren Damen toll, da habe ich das Gefühl, ich bereichere ihr Leben,“ erzählt Angela Maurer, die in München einen privaten Sexshop betreibt.
Hemmschwelle zum Sexshop-Besuch
Ihr ist bewusst, dass es für die meisten der Kunden beim ersten Besuch eine Überwindung ist, in den Shop zu kommen und dann auch etwas zu kaufen. Deshalb hat sie ein Bild von sich auf ihre Website gestellt. Eine lächelnde, attraktive Frau soll zeigen, dass man keine Angst vor Erotik haben muss. „Manche glauben ja wir hätten hier einen Folterkeller, die merken dann, dass wir ganz normale Menschen sind,“ sagt sie und lacht.
Die Kunden erst einmal in den Shop zu locken ist die erste Herausforderung für jeden Sexshop- Betreiber. Angela Maurer nutzt dafür ihre Website, andere werben mit „Sex für einen Euro,“ oder lassen den ganzen Tag die Türe offen stehen. Eine wichtige Strategie ist auch die Anordnung der Waren und die Einrichtung.
„Da mittlerweile immer mehr Damen kommen habe ich den Laden mit der Zeit heller und freundlicher gestaltet. Die Männer mögen es ja eher dunkel und verrucht“, erklärt Robert Weibelzahl, Sexshopbetreiber aus Freiburg. Bei ihm stehen Kleidung und Hygieneartikel im Eingangsbereich, im hinteren Bereich warten Pornos und Sexspielzeuge.
“Ist die erste Hürde geschafft, dann…”
Der Sex-Schock beim Betreten soll nicht allzu groß sein. Stöbert der Kunde dann im Laden ist die erste Hürde geschafft. Dann rücken neue Strategien in den Vordergrund.
„Wir können die Kunden hier beraten, sie können alles ausprobieren und anprobieren, das ist online nicht möglich.“ erklärt Allen Robinson. Ohne einen guten Service kann kein Sexshop überleben. Was Robinson als ausprobieren und anprobieren beschreibt, umfasst viel mehr als das Ausprobieren im Bekleidungsgeschäft nebenan. Oder Potenz, wo es auch Mittelchen ohne Rezept gibt.
Hygieneprodukte, Gleitmittel und Vibratoren
Bei Produkten, die mit intimen Bereichen des Körpers in Kontakt kommen ist der Mensch generell vorsichtiger. Einen neuen Vibrator schauen die meisten wohl genauer an als ein neues T-Shirt. Wer sich gut beraten fühlt ist eher bereit auch ein hochwertiges Produkt zu kaufen und kommt auch mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder.
„Ein Besuch im Erotikshop hat naturgemäß einen weitaus höheren Unterhaltungswert als der Besuch auf einem Onlineshop. Hier sehe ich auch die besonderen Chancen des stationären Ladenhandels gegenüber dem Onlineshop“ – die Meinung von Uwe Kaltenberg Sprecher vom Bundesverband Erotik Handel E.V. In seinen Augen sind vor allem die Spontankäufe ein Faktor dafür, dass die Erotikmärkte weiterhin existieren können.
„Im Internet sucht man etwas bestimmtes und kauft nichts was man vorher nicht wollte.“ Billige Produkte im Bereich um fünf Euro und hochwertige Hygieneartikel sind nach wie vor unter den beliebtesten Artikeln. Dazu kommen Sexspielzeuge – doch die hemmung einen Vibrator in die Hand zu nehmen ist weitaus größer als bei einem Päckchen Kondome. Das ist auch den Shopbetreibern bewusst, die Kunst besteht darin, den Kunden die Berührungsängste zu nehmen.
„Wenn jemand ganz sachlich über Vibratoren und Penispumpen spricht sind viele erst einmal total überrascht,“ erzählt Sigrun Oberacher von der Sexshopkette Orion. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass die Kunden sich in diesen Momenten kurzzeitig überrumpelt fühlen, dann aber langsam die Hemmschwelle sinkt. „Die Leute werden hier im Shop mit ihren ureigensten Instinkten konfrontiert, das muss erst einmal verarbeitet werden,“ sagt sie.
Sex-Themen in der Öffentlichkeit bleiben tabu
Noch immer ist Sex in der Öffentlichkeit ein Tabu-Thema. Obwohl in den Medien oft von einer Sexualisierung der Jugend durch das Internet die Rede ist – der direkte Kontakt mit Erotik und Sex ist nur bei den wenigsten reine Routine. Gerade deshalb sind Sexshopbetreiber zunehmend auch als Pädagogen gefragt, Social-Skills werden zur unumgänglichen Kompetenz.
Bei Allen Robinson und seinem Beate Uhse Shop läuft viel über Humor: „Wir verstehen viel Spaß und machen gern Witze mit den Leuten und den Produkten,“ sagt er. Sigrun Oberacher setzt auf Einfühlungsvermögen. Sie war früher Kindergärtnerin und weiß, wie man mit Menschen umgehen, die Angst oder Hemmungen haben. Sie führt potentielle Kunden sanft an die Produkte heran.
Es ist ein schmaler Grad, auf dem die Verkäufer wandeln. Zuviel Offensive könnte abschreckend wirken, zu wenig Engangement kann als schlechter Service ausgelegt werden. Jeder Erotikmarkt findet für dieses Problem seine eigene Lösung, ohne sensible Mitarbeiter mit Fingerspitzengefühl kann ein Sexshop heute jedoch nicht mehr überleben.
Artikelbild: pio3/ Fotolia.com
1 Kommentar
Für mich war es auch beim ersten Besuch eine Überwindung, in den Shop zu kommen und dann auch etwas zu kaufen. Danach ist das aber gar nicht mehr zu schwer. Mittlerweile gehe ich ganz normal in einen Shop für Erotik.