Erfolgreiche Mitarbeiter arbeiten meist stundenlang, hetzen von Termin zu Termin, liefern super Arbeit und am Abend widmen sie sich voller Elan ihrer Familie. Ihr Tag scheint aus 26 Stunden zu bestehen. Schließlich treiben erfolgreiche Menschen auch Sport, kümmern sich um ihre sozialen Beziehungen – und geschäftliche Telefonate oder Mails am Abend oder am Wochenende gehören heute doch einfach dazu, oder?
Verhandlungsprofi Heiko van Eckert kennt das Dilemma, denn er steckte jahrelang selbst in diesem Hamsterrad fest. Wie er sich daraus befreit hat, verrät er euch im Interview.
Karriere-Einsichten: Burnout ist mehr denn je ein Thema. Wie kommt es, dass gerade die besten Mitarbeiter häufig davon betroffen sind?
Heiko van Eckert: Ich bin kein Psychologe, aber ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen: Die Anforderungen sind heute einfach extrem hoch. Ihr sollt bei der Arbeit Topergebnisse liefern, zu Hause der perfekte Papa oder die beste Mama sein, im Sportverein bloß kein Training verpassen und für den Basar am Sonntag noch zwei Kuchen backen … Wo bleibt da die Zeit, dass ihr euch um euch selbst kümmern könnt?
Karriere-Einsichten: Was genau bedeutet es für dich, sich um sich selbst zu kümmern?
Heiko van Eckert: Meist sind das ganz simple Dinge. Wenn ihr euch selbst kurz reflektiert, habt ihr die Antwort in der Regel innerhalb von Sekunden: Es sind die „Ich müsste mal …“-Punkte in eurem Leben:
Ich müsste mal wieder mehr als fünf Stunden schlafen …
Ich müsste mal wieder gesund essen …
Ich müsste mal nach acht Stunden Arbeit nach Hause gehen und meinem Körper eine Verschnaufpause vom Leistungsdruck gönnen …
Karriere-Einsichten: Also ganz simple Punkte, die wir anpacken müssten.
“Im Prinzip wissen wir alle ganz genau, was uns guttut und was wir brauchen. Aber wir tun es einfach nicht.”
Heiko van Eckert
Heiko van Eckert: Das ist ja die Sache: Im Prinzip wissen wir alle ganz genau, was uns guttut und was wir brauchen. Aber wir tun es einfach nicht. Wir seufzen nur und sagen: „Ich müsste mal …“
Karriere-Einsichten: Wie kommt’s, wenn wir doch eigentlich wissen, was wir anpacken müssten?
Heiko van Eckert: Das hat tatsächlich wenig mit Faulheit oder einem inneren Schweinehund zu tun. Ich glaube vielmehr, dass uns ein Stück Selbstverantwortung verloren gegangen ist. Wir haben geradezu verlernt, nach uns selbst zu schauen. Weil wir heutzutage jegliche Verantwortung für uns an andere delegieren.
Wenn wir im Unternehmen mit unserem Führungsstil nicht zurande kommen, holen wir einen Berater ins Haus, der es richten soll. Wenn unsere Gesundheit wackelt, machen wir den Arzt verantwortlich, dass keine Besserung eintritt. Wenn wir neue Kleidung brauchen, engagieren wir einen Stilberater, damit wir ihn beschuldigen können, wenn wir uns hinterher unwohl fühlen in den eigenen Klamotten.
Bloß nicht selbst in Verantwortung gehen, bloß nicht den eigenen Anteil sehen!
Dahinter steckt natürlich eine gewaltige Mischung aus äußeren und inneren Mustern. Vielleicht habt ihr euren Kindern versprochen, immer zu ihren Fußballspielen mitzufahren. Oder eurem Chef zugesagt, eine gewisse Performance unerschütterlich zu bringen. Ein solches Versprechen bricht man natürlich nicht gerne. Und das Muster lebt weiter.
Karriere-Einsichten: Wie schafft man es denn, häufiger an sich selbst zu denken und die Dinge zu tun, die man für sich tun will?
Heiko van Eckert: Ich persönlich habe den Wendepunkt geschafft, indem ich mir bewusst eine Pause genommen habe. Ich brauchte Zeit, um meine Muster klar zu erkennen und mich damit zu beschäftigen. Und dann habe ich angefangen, sie Schritt für Schritt durch neue Gewohnheiten zu ersetzen.
Denn Gewohnheiten sind der Schlüssel, um Selbstverantwortung in euren Alltag zu integrieren. Das kann bedeuten, dass ihr ein Morgenritual einführt, das euch und eurer Stimmung guttut. Oder dass ihr es für euch zur Regel macht, vor jedem Meeting drei tiefe Atemzüge zu nehmen.
Mein erster Chef hat damals, immer bevor er abends aus seinem Auto ausgestiegen ist, noch in der Garage drei Sätze in ein Tagebuch geschrieben: was an dem Tag gut war und was er sich für den nächsten vornahm. Das war sein simples Ritual, um an sich selbst zu denken.
Karriere-Einsichten: Welches Ritual hast du dir angewöhnt?
Heiko van Eckert: Mehrere. Besonders schwer fiel es mir am Anfang, „leere Zeit“ nicht zu füllen. Ich war gewohnt, sogar die Verantwortung für meine Auszeiten immer an andere zu delegieren, nach dem Motto: Gebt mir den nächsten Punkt auf der Tagesordnung, na los! Wirklich freie Zeit auszuhalten und sogar zu genießen, das war eine große Aufgabe für mich. Und gleichzeitig eine wunderbare neue Gewohnheit.
Über den Interviewpartner: Heiko van Eckert ist seit über 30 Jahren im B2B-Vertrieb und als Berater aktiv. Er kennt die Kunst des Verhandelns und weiß sie eindrücklich zu vermitteln. Ob als Berater, Trainer, Ausbilder, Coach oder Shadow Negotiator: Heiko van Eckert bringt das Ass mit in die Verhandlung – und weiß gleichzeitig, wie Vertriebler sich auch privat gesund halten…
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