Karriere war lange Zeit ganz klar definiert: vom Azubi zum Festangestellten zum Teamleiter zum Abteilungsleiter zum Chef. Das Problem: Young Professionals und Berufseinsteiger spielen da heute nicht mehr mit. Wolfgang Feige erklärt uns warum…
Zahlreiche Studien und Umfragen haben ergeben, dass die gut ausgebildeten, technikaffinen Mitglieder der sogenannten Generation Y mehr Wert legen auf Flexibilität, Abwechslung und Arbeit in virtuellen Teams. Das verträgt sich nicht mit dem klassischen hierarchischen Aufstieg. Zeit, dass die Personalverantwortlichen das beherzigen!
Im Mittelstand gibt es Möglichkeiten zur individuellen Entfaltung. So kann ein Karriereweg horizontal verlaufen: Das passiert, wenn ein Mitarbeiter auf der gleichen Ranghöhe von einem Gebiet in ein anderes wechselt. Ein Beispiel dafür ist ein Mitarbeiter, der als Ingenieur zunächst zwei Jahre in der vorbereitenden Instandhaltung arbeitet, danach für ein oder zwei Jahre in den technischen Einkauf wechselt und dann wiederum eine andere Position ausfüllt.
Karriere hat eben gerade heute und bei der „Generation Y“ nicht nur eine formale, sondern auch eine inhaltliche Dimension. Sie umfasst etwa Wissens- und Horizonterweiterung. Leider fangen die Unternehmen erst damit an, auch solche Prozesse als Karriere anzubieten.
Diagonale Karriereschritte
Denkbar ist auch ein sogenannter diagonaler Karriereschritt. Hier wird zum Beispiel aus einem Mitarbeiter in der technischen Instandhaltung ein Gruppenleiter im technischen Einkauf. Ein diagonaler Karriereschritt umfasst also eine Wissenserweiterung (neues inhaltliches Feld), gepaart mit einem vertikalen Schritt (vom Mitarbeiter zum Gruppenleiter).
Diagonale Karriereschritte sind schon sehr anspruchsvolle Herausforderungen. Gerade hier kann sich ein Mitarbeiter beweisen und sein Potenzial zeigen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es natürlich auch eine fokale Karriere gibt. Diese Karriere wird auch Expertenkarriere genannt. Hier wird der Mitarbeiter immer mehr zu einem Spezialisten.
Eine weitere Möglichkeit: Projektlaufbahnen. Die gibt es gerade in technischen Unternehmen, die stark projektgetrieben sind, etwa im Anlagenbau oder in der IT. Die Laufbahn fängt hier zum Beispiel als Junior-Project-Manager an. Das bedeutet, dass jemand erst einmal nur in einem Projekt mitarbeitet. Danach wird er zum Projektleiter, der ein Projekt selbstständig führt. Die nächste Position ist dann der Senior-Projektleiter, der mehrere Projekte gleichzeitig koordiniert.
Gerade für die „Generation Y“ ist es sehr reizvoll, zwischen verschiedenen Karriereschritten zu wechseln. Sie kombinieren einen horizontalen Schritt mit einem vertikalen und dann vielleicht wieder mit einem horizontalen. Wichtig für die Akzeptanz solcher Karrieresysteme ist es daher, dass die verschiedenen Karrierestufen finanziell und statusmäßig ähnlich ausgestattet sind. Ansonsten wird die neue Position nicht als „Karriere“, sondern eher als „Abstellgleis“ interpretiert.
Augen auf bei der Jobwahl
Aktuell scheint das größte Problem darin zu bestehen, dass der Wertewandel hinsichtlich der Karrierevorstellungen der jungen Berufseinsteiger bei den Personalverantwortlichen der alten Garde des Mittelstands noch nicht angekommen ist. Für die „Generation Y“ bedeutet das: Augen auf bei der Wahl des richtigen Arbeitgebers. Und: Ruhig mal den Mund aufmachen. Persönliche Präferenzen und individuelle Karrieremöglichkeiten sollten bereits im Bewerbungsgespräch angesprochen werden.
„Arbeitgeberbenchmarking“
Eine erste Orientierung bietet die Seite www.top-arbeitgeber.de: Hier werden Unternehmen aus dem Mittelstand gelistet, die erwiesenermaßen gute Arbeitgeber sind. Grundlage der Listung ist das erfolgreiche Abschneiden beim Arbeitgeberbenchmarking „Top Job“. Das heißt, diese Betriebe haben bewiesen, dass sie die Bedürfnisse verschiedener Mitarbeitergruppen verstanden haben und auch in der Lage sind, sie zu erfüllen.
Sie können beispielsweise eine gelungene Entwicklungs- und Weiterbildungspolitik vorweisen, die richtige Balance zwischen Familie und Karriere oder auch eine individuelle Führung der Mitarbeiter. Kurz: Werteorientierte Personalarbeit wird hier großgeschrieben. So kann der erste berufliche Anlaufpunkt auch zur beruflichen Heimat werden.
Persönliche Voraussetzungen
Karriere – in welcher Form auch immer – passiert nicht von alleine. Man muss sie wollen, sich Ziele setzen. Um zu wissen, welche Karriere einem am besten liegen könnte, ist es wichtig, seine Persönlichkeit zu kennen. Natürlich ist Fachwissen heute immer noch die Basis einer Karriere. Gerade zu Beginn definiert das fachliche Wissen und Können die Einsatzmöglichkeiten.
In späteren Karriereschritten geht es dann mehr und mehr um methodische Kenntnisse und Fähigkeiten. Und je weiter man aufsteigt, desto mehr ist Sozial- und Managementkompetenz gefragt. Wichtig ist und bleibt dabei Flexibilität. Gerade in der heutigen globalen Welt mit all ihren Verflechtungen ist unter Flexibilität auch Mobilität zu verstehen. Längere Einsatzphasen im Ausland sind rechtzeitig und gut mit Partner und Familie abzustimmen und vorzubereiten.
Flexibilität beinhaltet auch, bereit zu sein: Karrieren sind heute nicht mehr so planbar wie früher, da die Welt dynamischer geworden ist. Deshalb ist derjenige im Vorteil, der zufällig vorbeikommende Angebote auch annehmen kann. Das heißt, dass man breit ausgerichtet sein sollte. Je stärker man sich auf nur einen Weg fokussiert, desto mehr Chancen sieht man nicht. Aber gerade in dieser Beziehung freut sich die „Generation Y“ über die zunehmende Dynamik der Arbeitswelt und der Arbeitsmärkte.
Ein Hilfsmittel zur Vorbereitung auf solche Chancen und zur Aufrechterhaltung der Flexibilität ist zum Beispiel das Absolvieren eines Trainee-Programms. Die sind in der Regel sehr breit angelegt und bilden somit eine solide Basis dafür, mit Veränderungen leicht mitgehen zu können.
Eine weitere Möglichkeit ist es, sich einen Mentor zu suchen. So kann man sehr früh an Erfahrungen partizipieren, und ganz nebenbei können aus Beziehungen, die der Mentor hat, Karrierechancen entstehen. Kurze oder auch längere Auslandseinsätze oder auch Job-Rotation im Inland sind ebenfalls gute Hilfsmittel zur Vorbereitung auf die verschiedensten Karrieremöglichkeiten.
Young Professionals steht heute also die Welt offen. Insbesondere dann, wenn sie sich ständig weiterbilden. Weiterbildung heißt hier aber nicht nur, das fachliche Wissen kontinuierlich auf den neuesten Stand zu bringen, sondern vor allem auch, in diverse Fachgebiete reinzuschnuppern.
Über den Autor: Wolfgang Feige ist Personalleiter und Managementberater bei der compamedia GmbH, der Organisatorin von „Top Job“. Seit 2002 bewertet „Top Job“ unter der wissenschaftlichen Leitung des Instituts für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen (Prof. Dr. Heike Bruch) die Personalarbeit deutscher Mittelständler und unterstützt sie in der Auswertung und Umsetzung der Benchmarkingergebnisse. Seither wurden rund 2.000 mittelständische deutsche Unternehmen analysiert und verglichen…
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