80% für alle! Meine Ideen, die Kreativität, das Potential – das sollte auch bei Teilzeit stets bis zu 100% verfügbar sein. Mehr Netto-Arbeitszeit hat was. Sie spart das Budget vom Arbeitgeber ebenso wie dem vom Kunden. Sie schafft mehr Freiheiten, weniger Stress und mehr Lebensqualität für alle Beteiligten. Rückmeldungen, Reaktionen, Widersprüche…
Reaktionen gab und gibt es viele, zu lesen hier unterm Beitrag auf XING, am 6. März erschienen. Keine Lust zu lesen, keine Zeit, müde Augen? Kein Problem. Meinen Beitrag könnt ihr auch hören auf iTunes. Ein heisses Eisen! Hier ein Leserbrief, über den ich mich besonders gefreut habe. Von Ann-Kathrin (Anm. d.Red., Name geändert).
“Danke für den genialen Bericht über Teilzeit, Jan! Es ist an der Zeit einen Arbeitszeitwechsel einzuführen, für Eltern sollten 80 % doch keine Schande mehr sein (vor meinen zwei Kindern habe ich insgeheim die “Teilzeit-Muttis” inhaltlich auch nicht so ernst genommen). Mein Mann Andreas hat auch länger Teilzeit genommen, aber nicht offiziell, er baute dann haufenweise Minusstunden auf, die er noch heute abbaut.
“Senior Marketing Managerin, aber Bitteschön Teilzeit”
Und ich möchte eine Stelle als Senior Marketing Managerin (30 Stunden) finden: trotz guter Eignung und stetigem up to date-sein: Impossible! Einmal hatte ich mich in Vollzeit auf eine Stelle beworben, die inhaltlich perfekt passte. Als Mitbewerber hatte ich…einen Mann. Ich bekam die Absage und der nette “fast-Kollege” hat mir am Telefon mitgeteilt, dass die Stelle mit einem Kind nicht so gut machbar ist.
Unglaublich. Ich erlebe so viel in dieser Hinsicht. Mein Bruder und seine Frau haben seit letztem Jahr ein Kind: beide mit Doktortitel, beste Arbeitgeber…wollen aber nun umziehen und finden keinen anspruchsvollen Job in Teilzeit.
Gesucht: anspruchsvollen Job, in Teilzeit
Mein Bruder kann in Vorstellungsgesprächen fröhlich vom Kind erzählen, meine Schwägerin verheimlicht das lieber ganz (weil der Arbeitgeber nicht weiß, dass auch mein Bruder sich um das Kind kümmert und weil vielleicht die Angst entsteht, sie könne ein zweites bekommen).
“Vollzeit oder Minijob, zwei Extreme”
Ich finde das skandalös! War das schon immer so? Warum hat das nie eine Generation vorher stärker thematisiert? Ich finde auch, es gibt einen Unterschied der Teilzeitkräfte: die “Vollzeitnahen” und die, die “nur abarbeiten” und deutlich weniger arbeiten. Ich arbeite so viel es geht, immer, wenn ein Kind krank ist, mache ich Homeoffice, obwohl ich mich krank melden könnte und war nach 2,5 Monaten nach der Geburt des zweiten Kindes wieder im Büro.
Mein Arbeitgeber dankt es mir einigermaßen mit flexiblen Arbeitszeiten, aber mein frisch eingestiegener Kollege ohne Berufserfahrung (ich mehr als 5 Jahre), der inhaltlich nicht mehr drauf hat, wird deutlich besser bezahlt! Und von mir werden ca. 550 € Kita-Gebühren abgezogen, ich racker mich so sehr ab (chronische Arthritis ignorieren) und habe das Gefühl, mich jeden Tag beweisen zu müssen, dass ich auch was kann.
“Arbeitszeitwechsel? jetzt. Sofort!”
Tatsächlich können das einige Kollegen ohne Kinder nicht verstehen, was das für ein Stress ist, alles einigermaßen zu vereinbaren. Aber: die beiden jüngeren Kollegen (24 m und 32 w) würden beide auch gerne reduzieren. Ich bin mir sicher, dass es mit der Zeit in einigen Branchen einen Arbeitszeitwechsel gibt. Viele Grüße, unbekannterweise, auch an deine Familie und viel Erfolg weiterhin! Beste Grüße, Ann-Kathrin”
Übrigens. Nur jeder zehnte Mann, zwischen 20 und 64 Jahre alt, arbeitet in Deutschland Teilzeit. So war das im Jahr 2015, gemäß Statistischem Bundesamt: immerhin 1.817.300 in Teilzeit arbeitende Männer (9% aller Erwerbstätigen). Damit belegte Deutschland Platz 8 im Vergleich mit anderen europäischen Ländern – die Niederlande mit 22% auf Platz 1, gefolgt von den skandinavischen Ländern. Hauptgrund für Teilzeit? Nicht die Familie…
Meist ging es um eine Aus- oder berufliche Fortbildung oder die Tatsache, keinen Vollzeitjob gefunden zu haben – je über zwanzig Prozent gaben das an! Also, die Männer die bewusst für Familie Teilzeit arbeiten rangieren bei drei, vielleicht vier Prozentpunkten. Auf Managementpositionen bestimmt nahezu im Promillebereich. Ich finde, das ist verschenktes Potential!
Beispielhafte Ausreden in der „C-Suite“:
- „Vergiss es, kriege ich bei meinem Chef niemals durch – sind ohnehin schlecht besetzt“
- „Ich arbeite bei 60 oder 80 % ja ohnehin weiter 100% und mehr“
- „Spinnst du, das ist das Ende meiner Karriere“
- „Weißt du eigentlich, wie viel Euro mehr im Monat mir da durch die Lappen gehen?“
- „Reduzieren? Grundsätzlich gern, aber später, später!“
Über den Autor: Jan Thomas Otte arbeitet als IT-Projektmanager bei der Swisscom – in Teilzeit. Zuvor arbeitete er mehrere Jahre bei Accenture, in der Managementberatung – in Vollzeit. Freiberuflich bloggt der gelernte Journalist seine „Karriere Einsichten“ im Netz und berät Manager als Coach bei ihrem nächsten Schritt. Otte hat Theologie in Heidelberg studiert und in Princeton/ USA ein post-graduales Masterstudium in Wirtschaftsethik abgeschlossen…
Artikelbild: Olesia Bilkei/ Shutterstock
1 Kommentar
Teil- und Vollzeit… Jeder entscheidet für sich selbst, was für einen im Moment das Richtige ist. Denn dann ist man happy und kommt weiter. Natürlich es ist schön viel Geld zu verdienen um später nicht viel arbeiten zu müssen. Manchmal geht das aber nicht auf und man bereut es dann, nicht mehr Zeit mit der Familie verbracht zu haben oder mehr gereist zu haben.