Besseres Klima im Klassenraum, spannenderer Unterricht, zusätzliche Angebote. Dies erhoffen sich Eltern, wenn sie ihre Kinder auf eine Privatschule schicken. Mehr als 70 Prozent wünschen sich das, nach den Schulferien. Einen Platz bekommt bisher nur jeder dritte Schüler. Wir haben uns umgehört…
Lockige Haare, ein Lächeln in den Augen, das Hemd sitzt perfekt in der Hose. Jonas Rosenbrück, 20 Jahre alt, ist weit gekommen, studiert im ersten Jahr an der Elite-Uni Yale im Nordosten der USA. „Ich bin unglaublich zufrieden, könnte mir nichts besseres wünschen“, sagt er. Zuvor besuchte er in Deutschland zwei Privatschulen.
Sein Abitur machte er am Internat Schloss Salem am Bodensee, bis zur 10. Klasse besuchte er eine kirchliche Schule. Die Matthias-Claudius-Schule in Bochum, eine evangelische Gesamtschule, habe sich vor allem durch die Integration behinderter Schülern einen Namen gemacht. „Hier habe ich gelernt, was Toleranz wirklich bedeutet und wie man sie im Alltag umsetzen kann“, sagt Jonas.
Was ihm von seiner Schulzeit in Bochum am meisten hängengeblieben ist? “Ein Ort, an dem ich mich wohlfühlen, in angenehmer Atmosphäre lernen konnte“, sagt der junge Student. Etwas, das nicht jeder Schüler an einer staatlichen Schule so sagen kann. Erfolg: Forderung und Förderung der Schüler Jonas spricht von einer „Erziehung zur Verantwortung“, die in der Praxis zum Beispiel mit Diensten beim Roten Kreuz umgesetzt würde.
Inspiration zum Fördern und Fordern
Manche Freunden aus der Schulzeit fühlt er sich auch jetzt noch, über den „großen Teich“ verbunden. Das Schulmotto in Salem sei anders, aber ebenso spannend: „Plus est en vous“. Es stecke mehr in den Schülern, Lehrern und Erziehern, so die Hoffnung. Sie „inspirieren und fordern“, sagt Jonas. Viele Privatschulen werben mit einem „starken Wertesystem“, im Internet. Was sie gegenüber staatlichen Schulen so attraktiv macht? Es seien die „unglaublich vielen extracurriculären Aktivitäten“, sagt der Blondschopf.
“Konfessionelle Schulen, ein Renner”
Von der Musik über Theater bis hin zu Politik und Journalismus. Die Rektoren deutscher Privatschulen rechnen zum Beginn des neuen Schuljahres mit einem “Run” durch ihre Pforten. Sie sind das bereits gewohnt, nur jeder dritte Bewerber bekommt in Deutschland einen Platz. Wolfgang Mayer, Öffentlichkeitsreferent am katholischen Internat St. Blasien im Schwarzwald sieht das eher gelassen. Die hohe Nachfrage zeige, dass auf „eine breite, umfassende Bildung“ immer mehr Wert gelegt werde.
Investments für die (berufliche) Zukunft
Extras: Angebote und weitere Aktivitäten Die katholische Schule denke auch über zusätzliche, „sinnstiftende Angebote“ nach. Zum Beispiel ein erweitertes Sozialpraktikum oder Besinnungstage mit Exerzitien – für diejenigen Schüler, die einen Platz bekommen. In den letzten Jahren sei viel Geld in der Privatschule investiert worden: ein neues Musikhaus, eine größere Bibliothek, sogar ein eigenes Schwimmbad hat man gebaut.
Mehr Lehrer für mehr Schüler werden jedoch nicht eingestellt. Man spricht von Strukturproblemen, will nicht unbedingt besser als die anderen, staatlichen Schulen sein. Den Verantwortlichen von „Schulen in freier Trägerschaft“ gehe es vielmehr um „eine andere, effiziente Schulatmosphäre“, so Mayer. Es gehe darum, die Schüler bestmöglich „beim Erreichen ihrer Ziele“ zu unterstützen. Gemeint ist mehr als der Schulabschluss. Motiviert sei dieses Engagement mit vielen Extras vor allem seelsorglich, weniger betriebswirtschaftlich. Es gehe um christliche Nächstenliebe, betont Mayer, die “cura personalis”.
Die Sorge um jeden Einzelnen, das sei das pädagogische Gepräge der Jesuiten. Verbunden mit dem Anspruch, sich sozial in die Gesellschaft einzubringen. Dies ist übrigens auch eines der Take-Aways vom Trigema-Chef Wolfgang Grupp, selbst einst Schüler in St. Blasien. Die Schule unterhält dazu einige Partnerschaften im Ausland, darunter China, Frankreich, Spanien und Litauen. 100 Schüler in St. Blasien kämen momentan aus dem Ausland, ingesamt 26 Nationen.
Demografie: Weniger Schüler, mehr Plätze
Manche Eltern hätten jedoch übertriebene Erwartungen an die Lehrer. „Schule kann nicht alles leisten“, sagt Mayer. Man wolle sie aber dabei unterstützen, „werteorientierte Erziehung“ in der Schule und zu Hause unter einen Hut zu bekommen. Kein Internat könn die Familie ersetzen, aber es biete Chancen, die so keine Familie bieten könne: „Leben und Lernen in Gemeinschaft, in Begleitung, in Vielseitigkeit und in einem christlich geprägten Umfeld“.
Künftig wird das Aufnahmeverfahren für Schüler einfacher, jeder zweite Schüler könnte schon bald einen Platz auf einer privaten Schulbank bekommen, so einige Prognosen. Wegen dem demographischen Wandel werden bis 2020 rund 25 Prozent weniger weniger Bewerbungen erwartet. Leistungsdruck: Viele Wünsche, mancher Mangel Journalisten wie Klaus Werle („Die Perfektionierer “ – Campus, 2010) oder Julia Friedrichs („Gestatten Elite“ – Hofmann&Campe, 2009) sehen den Erfolg von Privatschulen kritischer.
Scheitern sei weniger erlaubt, die soziale Auswahl umso größer. Werles Fazit: „Eine wuchernde Lebenshilfe-Industrie für den Wunsch, ein ganz besonders wertvoller, unersetzlicher und leistungsfähiger Mensch zu sein“. Effizienzdruck bereits auf der Schulbank? Werle hält eine solche Pädagogik wenig sinnvoll. Wer permanent seine Schwächen ausbügelt, könne irgendwann seine Stärken nicht mehr ausspielen.
In Deutschland gibt es mehr als 5.000 Privatschulen, zählt das Statistische Bundesamt. Darunter rund 3.000 allgemeinbildende (10 Prozent in Deutschland) und 2.000 berufsbildende Schulen (20 Prozent). Insgesamt gehen ca. eine Million SchülerInnen auf eine Privatschule. Unter den „Schulen in freier Trägerschaft“ sind rund 80 Prozent kirchlich organisiert, katholisch wie evangelisch.
Über den Autor: Jan Thomas Otte hätte, zugegeben, auch gerne auf einem Internat studiert. Vorausgesetzt, seine Eltern hätten dafür das nötige Kleingeld gehabt. Immerhin kostet ein Elite-Internat ein durchschnittliches Jahreseinkommen in Deutschland, Lebenshaltungskosten kommen “on top” …
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