Unweit vom riesigen Hiltonkomplex, der bald fertig sein soll, hat Familie Schwarzmann ein Berghaus mit rund hundert Betten eröffnet. Und das unterjährig. Dank vieler Kontakte und Handwerkern aus der Region. Porträt eines Familiengeschäfts und was Hotelketten davon lernen können…
Ein Haus zu bauen, das war der allererste Plan, eins für die eigene Familie – wie alle anderen dutzende Familien in Schröcken auch. Und dann wurde es mehr im Leben von Jakob Schwarzmann, 25 Jahre alt. Nach Volksschule und Hauptschule, später Abitur und die Gesellenprüfung als Tischler, Kenntnisse in Innenarchitektur und Hausausbau im Rucksack. So wie sein zwei Jahre jüngerer Bruder Paul auch. Mitten im Corona-Lockdown planten die Brüder Plan B. Und waren damit nicht allein.
„Mama war bereits früh Feuer und Flamme“, berichten die beiden Ältesten vom Projektverlauf. Mutter Steffi, 55 Jahre alt, schmunzelt. „In dieser Lebensphase macht man kein Hotel mehr, das ist ein Projekt der Jungen“. Steffi organsierte einen externen Berater, „für so einen großen Schritt“. Ihr Ziel war es, gemeinsam als Familiengesellschaft zu investieren. Die vier Kinder sollten mit dem Hausbau nicht überlastet werden. „Unser Konzept hat der Bank gefallen, einen begleiteten Generationenwechsel zu haben. Und hat es schlussendlich rasch abgesegnet“, berichtet die gelernte Touristikkauffrau.
„Mama war bereits früh Feuer und Flamme“
Paul Schwarzmann
Letztes Frühjahr ging es dann endlich los, die Gelder zur Finanzierung bereitgestellt, alle Beteiligte im Boot, die wichtigsten Fragen geklärt: Aushub, Fundament legen und Hochbau. Verdichtung des Raums für ein Berghaus mit über hundert Betten verteilt auf drei Häuser. Kleiner als das bald ebenfalls fertiggestellte Komplex einer internationalen Hotelkette, die Passstraße aufwärts. Und dennoch ganz schön groß, im Verhältnis zu umliegenden Pensionen.
Wertschöpfung im Kreislauf
„Natürlich im Einklang mit der Raumordnung“, unterhalb des Hochtannbergpasses (1675m). Viele heimische Handwerker waren auf der Baustelle aktiv. Den beiden Söhnen, Jakob und Paul Schwarzmann war es wichtig, möglichst viele Arbeitsschritte dabei selbst zu erledigen – darunter dreihundert Türen, unzählige Fensterläden, Tische und Bänke aus heimischen Hölzern. Nicht nur um Kosten für sündhaft teuer gewordene Baustoffe zu sparen – auch fürs Klima sei das gut, im Tal und der Familienbande. Die Aufträge und die Wertschöpfung bleiben im Kreislauf, die Lieferwege kurz. Und so wurde das Berghaus in weniger als einem Jahr Bauzeit fertig.
Dieses Jahr Silvester können Steffi und Georg Schwarzmann als Unternehmerpaar und Eltern anstoßen. 2022 haben sie gemeinsam mit Isabelle (12), Lorenz (17), Paul (22) und Jakob (25) ihren Traum verwirklicht. Sie haben ein „Basecamp“ geschaffen für Menschen, die die Berge genauso lieben wie sie. „Besonders Familien sind willkommen – im Berghaus, das nicht Berghotel heißt“, unterstreicht Jakob. Bergfreunde sollen sich hier ganz zu Hause fühlen und das Leben in den Bergen in vollen Zügen genießen.
„Einfach ein x-beliebiges Hotel, das wollten wir nicht bauen“
Jakob Schwarzmann
„Einfach ein x-beliebiges Hotel, das wollten wir nicht bauen“. Restaurant und Saunabereich mit Outdoorpool bieten dennoch den erwarteten Komfort. Aktuell baut er im Erdgeschoss für sich und seine Freundin, Julia aus Dornbirn, seine eigene Wohnung aus – in den drei Etagen oben drüber wohnen die Gäste. Mittlerweile steht auch die Plattensammlung. Lorenz, sein jüngster Bruder, hat ihm gerade erst bei der Installation von Abspielgerät und Boxen geholfen. So wie sie sich auch sonst hier oben helfen, bei fast allem, im Dorf mit seinen vier Vereinen: Feuerwehr, Bergrettung, Musikkapelle und vis-a-vis der Kirche.
Gerade erst waren sie dort zu Allerheiligen, in der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Und auf dem umliegenden Friedhof. Die Dorfkirche war proppenvoll, jeder kennt jeden. „Irgendwie sind wir alle hier verbandelt“, sagt Steffi. „Ein richtiges Vereinsmeier-Dorf“. „Wir sind überall aktiv, in gleich mehreren Vereinen“, pflichtet Paul bei – wie Jakob staatlich geprüfter Skilehrer. Und natürlich Tischler.
Gemeinsam stärker
Gemeinsam sei man stärker – dieses Prinzip solle bleiben. Und wird in Schröcken sichtbar. Nicht nur bei Auftritten in den Sommermonaten, wie etwa der Kindertrachtengruppe, sondern auch im tiefen Schnee wissen sich die 200 Einwohner Schröckens gut aufgestellt. Seit zehn Jahren an das Arlberg-Skigebiet angeschlossen per „Auenfeld-Jet“ nach Lech rüber, nahe der Batzenalpe die im Herbst ihre Saison beendet hat. Die Senner haben ihre Zäune für den erwarteten Schnee abgebaut, die „Dorfabfahrt“ wird bald durch die Kommune präpariert – der Schnee fehlt noch.
Der Tourismus macht bloß vierzig Prozent aus, genauso viel wie das Handwerk, darunter Tischlereien wie die der Familie Schwarzmann – sie decken beides ab. Vater Georg ist mächtig stolz, dass die Tradition mit zwei weiteren Tischlern im Familienverband fortgesetzt wird. Die restlichen zehn Prozent Wertschöpfung im Bregenzerwald verteilen sich auf Land- und Viehwirtschaft. Die hielt ihre Großeltern-Generation ebenfalls noch am Laufen, berichtet Georg. Viel Freizeitprogramm gab es damals allerdings nicht – in Österreichs mittlerweile größtem zusammenlegten Skigebiet.
40-40-10-Regel: Tourismus, Handwerk, Landwirtschaft
„Sie stiegen mit Fellen auf einfachen Escheschiern die steilen Berghänge rundum das Dorf empor“. Aufregende Stürze habe es da gegeben, aber auch viel Spaß, so Georg Schwarzmann. Sein Großvater Alwin, vor 100 Jahren die Tischlerei Schwarzmann gegründet, engagierte sich ehrenamtlich im Gemeinderat und als Gründungsmitglied im SC Schröcken. Er war über vierzig Jahre im Zunftverein und wirkte sogar eine Zeit als Vizebürgermeister. Traditionen sind wichtig hier oben. Und das seit über 600 Jahren. Im 14. Jahrhundert kamen die Walser hierher, eine alemannische Volksgruppe. Und ihre Wege, Gebäude und Geschichten sind bis heute sichtbar bei Familien wie den Schwarzmanns, ihren Freunden, Verwandten und Geschäftspartnern hier im Bregenzerwald.
Abstürze und Aufschwünge
Familie Schwarzmanns liebster Platz in ihrem neuen Domizil ist direkt vorm Haupteingang, neben einem großen Sandkasten. Ihre Blicke schweifen dabei vom Trinkwasserbrunnen, am Apartment-Komplex vorbei, über die Kirchturmspitze hinaus. Dahinter ragt der Hochberg hervor, ein Grasberg der „Sieben Summits“ rundum Schröcken, auf welche Wanderguides Gäste gerne begleiten – auf ihrer Suche nach Erdung, Kreisläufen der Natur, Bergkräutern und dem einen (oder anderen) Stammbaum. Und natürlich einer rasanten Dorfabfahrt auf Skiern.
„Bergkompetenz ist uns wichtig“, heißt es an Alwins Stammtisch. Die Wälder, wie die Menschen sich hier nennen, bereiten sich vor. Sie wappnen sich für Zeiten grünerer Berge, auch im Winter. Der Hochgletscher an der Mohnenfluh, weithin sichtbar, ist im Sommer kaum noch als Schneefeld erkennbar. Familie Schwarzmann ist bereit für ihre erste Wintersaison.
Aus dichten Wolken schneit und regnet es mittlerweile, Anfang November, leicht bis mäßig. Endlich! Nach dem wärmsten Oktober seit Wetteraufzeichnungen. Und einem Weltcup-Skirennen im benachbarten Lech, geplant für dieses Wochenende (12./13. November). Ob es stattfinden kann, steht noch nicht fest. Doch die Schneedepots sind gefüllt und die Kanonen zur künstlichen Beschneiuung stehen bereit.
Die Schneefallgrenze liegt nun auf 1300m, genau oberhalb vom Berghaus. Es kann losgehen. Die Schwarzmänner mit ihren Mitarbeitenden haben sich aufgestellt für ihren ersten Saisonstart als Berghaus-Team: „Wir sind bereit“.
Mit über hundert Betten ist es eine der größeren Herbergen im Bregenzer Wald, das Berghaus Schröcken. Eröffnungsangebote für die Wintersaison online: https://www.berghaus-schroecken.at
Fotos: Jan Thomas Otte