Ob Taxifahrer, Feuerwehrmann oder Pfarrer. Ihnen vertrauen die Deutschen. Managern dagegen nicht. 15 Sozialunternehmer quer durch die Republik wollen dies ändern. Fair, öffentlich und direkt…
Geschäftsentwicklung, Wachstum und Innovation. Das sind die Steckenpferde von Clemens Brandstetter. So baute der Manager Ende der 90er Jahre einen eigenen Bereich für E-Commerce bei DaimlerChrysler auf. Später arbeitete er als Stratege bei der T-Systems.
Momentan optimiert Brandstetter den Kundenservice der Deutschen Telekom. Doch neben dem beruflichen Erfolg hat er auch die Schattenseiten kennengelernt.
Wenn er mal nicht am Schreibtisch sitzt, telefoniert der Manager viel mit seinen neuen Teamkollegen von „Managerfragen“ – im Auto zur Arbeit, auf der Autobahn zwischen Düsseldorf und Bonn. Meistens morgens so zwischen 7 und 9 Uhr.
Sie verbindet die „tiefe Überzeugung, dass Manager vielfach ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht werden“, erklärt Brandstetter. Es gehe um die „Rückgewinnung von verlorenem Vertrauen in die Wirtschaft und ihre Manager“.
Kein Doppelleben: „Weltverbesserer“
managerfragen.org ist eine Plattform im Netz, die nach dem Wunsch der Sozialunternehmer Manager mit Bürgern in einen direkteren Dialog bringen will.
Die Idee dahinter: Die wechselseitige Wertschätzung kommt vor der Wertschöpfung. Auch im managerfragen-Team, das zu Beginn nahezu ausschließlich auf ehrenamtlichem Engagement basiert. Daher ist ein fairer Umgang miteinander besonders wichtig. Die Ehrenamtlichen teilen sich anfallende Aufgaben rund um die Plattform in ihrer Freizeit.
Der Aufbau des sich künftig selbsttragenden gemeinnützigen Geschäftsmodells kommt dabei für die Beteiligten nicht zu kurz. Auch beruflich soll sich diese Zusatzbelastung für die Ehrenamtler im Team auszahlen. Viele der Ehrenamtler hätten zwei bis drei alternative Jobangebotein der Tasche, so Vincent Menken, Co-Gründer von managerfragen.org e.V. Dennoch hätten sich alle für eine langfristige Mitarbeit bei managerfragen entschieden.
Manche arbeiten in ihrem Job als Unternehmensberater, als Journalist oder Social-Media-Manager. So haben sie bereits Einblicke in Marketing, Vertrieb und Personalwesen, was innerhalb von Unternehmen sowie zwischen Managern und Bürgern gut, was weniger gut läuft. Der Altersdurchschnitt im Team ist Mitte 30.
Die Mitstreiter verbindet, dass sie sich in Parteien, Stiftungen und Vereinen ehrenamtlich engagieren. Darunter einige „Surfer zwischen den Welten“, so Menken. Beim Bewerbungsgespräch würden sie wohl kaum in eine bestimmte Schublade passen, vermutet der 36jährige.
“Team im Internet- und Social Media-Zeitalter”
Die Gründer wollen mit ihrem Projekt nicht nur durch Bürgerbeteiligung eine neue Form des direkten Dialogs initiieren, sondern auch das Team dem Internet- und Social Media-Zeitalter entsprechend managen. Das erklärte Ziel, wenn auch langsam wachsend: ein „stabileres und gleichzeitig flexibleres“ Geschäft als üblich entwickeln. Die Vision ist der Aufbau eines „Social Enterprise 2.0“.
managerfragen ermögliche ihm, seine Vorstellungen alternativer Marktwirtschaft zu realisieren, so Brandstetter.
Unternehmenskultur: „Du bist was du teilst“
Die intrinsische Motivation, sich ohne monetäre Anreize für das Gemeinwohl einzusetzen, wollen die beiden Gründer Menken und Brandstetter fördern. Ein paar Schritte in diese Richtung haben sie bereits unternommen. Neben dem „Fit“ der Mitarbeiter verzichteten sie auf den gewöhnlichen Weg von Start-Ups, nach ausschließlich renditeorientierten Risikokapitalgebern zu suchen.
„Venture Capital“ lehnen sie nicht ab, wollen aber den Kern ihres Vereins unabhängig stellen. „Es soll zudem immer für das Team die Möglichkeit bestehen, eigene Schwerpunkte zu verwirklichen“, erklärt Menken.
Erstes Ziel sei im Team, an „persönlichen Entwicklungszielen“ zu arbeiten. Geld komme später. Vincent Menken beschreibt den frisch gegründeten Verein „managerfragen“ als besondere Wertegemeinschaft, die auch bei Widerständen trägt. Wichtig ist ihm, dass Team-Kollegen das „Nervenkostüm“ haben, am gesellschaftlichen Problem der Manager zu arbeiten. Jeder müsse für jeden im Team einspringen und Aufgaben übernehmen.
Das virtuelle Zusammenarbeiten läuft über das Projektmanagement-System „basecamp“. Hier tauschen sich die Kollegen ihre To-Do-Listen aus, halten sich über die Entwicklung ihrer Aufgaben auf dem Laufenden. Man hilft sich dabei mit Smileys und wöchentlichen Anrufen, damit es weniger Missverständnisse gibt.
Regelmäßige Videokonferenzen mit dem Partner Cisco machen die Gespräche persönlicher, sollen das „gemeinsame Erlebnis“ stärken – trotz dezentraler Organisation. Menken und Brandstetter verlassen sich darauf, dass sich die Team-Kollegen auch über das eigentliche Projekt hinaus untereinander verbinden, virtuell wie zum Beispiel im Business-Portal XING. Aber auch persönlich.
Onlinedialog: „Piraten im Nadelstreifen“
Die meisten im 15-köpfigen „Managementteam“ würden sich mehr Networking wünschen, durchaus auch im Privaten. Menken dazu: „Du bist, was du teilst“. So freut er sich darauf, die „Piraten im Nadelstreifen“ (so nannte sie ein Partner neulich) in den kommenden Wochen, noch besser kennenzulernen. Auch Brandstetter will sich gerne noch mehr in die Gemeinschaft der Social Entrepreneurs einbringen. Die Sinnfrage steht für ihn und alle anderen im Vordergrund.
Kooperationspartner beeindrucke, dass sich das Team mehrere Stunden pro Woche für die Managerfragen hineinkniet, „obwohl sie den ganzen Tag in ihren Fulltime-Jobs hart arbeiten“, ergänzt Menken. So sei die T-Systems (neben Cisco) als Partner für die Aktivitäten im Web 2.0 im Gespräch.
Hinzu kommen weitere Partner aus Universitäten, sowie aus dem gemeinnützigen Bereich, z.B. Wikipedia oder die Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik. Ihr Ziel bis 2015? Dass der Dialog zwischen Bürgern und Managern selbstverständlich geworden ist.
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