Manager leisten fast nichts. Verlangen dafür aber fantastisch viel Geld. Wie wäre es da mit einer glänzenden Karriere bei Ihnen? Gunter Dueck hält ein paar (satirische) Rezepte bereit…
Das Kind schreit wie am Spieß. Es will ein zweites Eis essen. Die Eltern schwitzen unter den kritisch-höhnischen Blicken der Zuschauer des Dramas. Sie schämen sich und versuchen, sich als gute Erzieher zu präsentieren. Gute Gründe werden ins Feld geführt.
Die Gesundheit, die finanzielle Lage der Familie und die Notwendigkeit von Regeln zur Erhaltung der Menschheit werden ausgiebig ausgebreitet. Das Kind schreit wie am Spieß. Es scheint jetzt, dass das Kind wohl wahrhaft überschnappt und möglicherweise Schaden nimmt.
Die Mutter bekommt Angst. Ihr Blick flackert unentschlossen. Der Vater will zuschlagen, was er aber vor den vielen Leuten absolut nicht tun darf. Die Angst der Mutter steigt schnell. Sie weiß, dass sie allein noch rational denken kann.
Sie allein wird die Entscheidung treffen, sie wird für dieses eine Mal die heiligen Regeln der Familie brechen, sie wird für dieses eine Mal von allen ehernen Grundsätzen abrücken.
Eine Notlage! Eine Ausnahme muss gefunden werden! Todesmutig geht sie zum Kiosk und kauft ein zweites Eis, ein kleines. Das Kind schaut kurz hinüber und schreit lauter, viel lauter und ganz schrill. Da nimmt sie das große Eis und gibt es dem Kind.
Es isst unter trocknenden Tränen, tritt noch kurz nach seinem grimmig-ohnmächtigen Vater. Die Leute tuscheln über das Unerhörte. Eine Ehekrise bahnt sich an. „Ich werde mich nicht so einfach von einem Winzling beherrschen lassen!“, brüllt der Vater die Mutter an – und die flüstert bittend: „So beherrsche dich doch! Du vergisst dich! Du musst ein Vorbild sein!“
Kinder bekommen ganz direkt, was sie wollen
Verstehen Sie, was ich Ihnen zeigen wollte? Das Eis muss nicht zwangsläufig verdient werden. Nein, mit etwas Energie lassen sich sogar zweite oder dritte Portionen herausschlagen. Das Kind verhält sich trotzdem sehr ungeschickt. Mit etwas Klugheit hätte es die Gereiztheit nach dem Eiskauf aus der Atmosphäre nehmen können.
Es hatte ja das Eis. Warum tritt es nach? Warum schaut es die Mutter trotzig an? Es könnte doch herzig glucksen und mit zitterndem Blicke sagen: „Ich glaubte kurz in meiner Verzweiflung, ich müsste wahnsinnig werden, wenn ich kein Eis bekäme. Danke, Vater.“
Und dann hätte es den Blick in die Runde schweifen lassen können: „Ich bitte Sie alle um Verständnis. Es ist nicht einfach für mich.“ So würde ein vernünftiges Kind reden, das auch morgen wieder ein zweites Eis erfolgreich für sich fordern will!
Dreißig Jahre später. Die Chefsekretärin lobt den General Manager Dr. Scheffel, dass er einen bestimmten jungen Abteilungsleiter ins mittlere Management befördert hat. „Der war oft hier, auch bei Ihnen, Dr. Scheffel. Er hat sich so viele Sorgen gemacht, ob er vorankommt.
Netter Kerl, er hat sogar mal Blumen mitgehabt.“ – „Oh Gott, Herta, er ist die pure Nervensäge. Wenn ich genug Zeit hätte, könnte ich ihn ganztags auf dem Schoß sitzen haben und ihm versprechen, ihn noch und noch einmal zu befördern. Solche Leute sind ganz unausstehlich.
Beförderung für etwas Ruhe vorm Anderen
Wenn ich sie nicht ab und zu befördere, explodieren sie. Lieber nicht.“ – „Leistet er denn nicht sehr viel, dieser nette Mensch?“ – „Er macht Karriere, damit ist er voll ausgelastet. Das schafft er auch. Dagegen ist nichts zu sagen.“ – „Aber warum befördern Sie ihn dann?“ – „Damit wir wieder etwas Ruhe vor ihm haben.
Außerdem hat er mit jeder Beförderung eine höhere Chance, einen großen Fehler zu begehen. Dann feuern wir ihn. Solche Leute wie er kann ich nicht wegen eines kleinen Fehlers feuern, dann geht es gleich zum Arbeitsgericht. Der Fehler muss schon so groß sein, dass er ihn wenigstens selbst sieht.“ – „Aha, Dr. Scheffel.
Aber ein großer Fehler ist doch sehr teuer?“ – „Ist so, Herta. Die meisten Manager sind ja so treu und dumm, gut zu arbeiten. Solche, die nur direkt Karriere machen wollen, sind relativ selten. Wir winken diese wenigen Karrieresüchtigen zügig nach oben durch, damit sie schneller straucheln, und schieben sie dann augenblicklich mit einer tollen Abfindung raus.
“Vergleichsweise langweilig”
Alle anderen Methoden kosten mich Nerven, und die brauche ich eigentlich für die Firma. Ich kann ja nicht mehr befördert werden, Herta.“ – „Waren Sie denn früher auch so, Dr. Scheffel?“
Oh, erinnern Sie mich nicht! Ach damals! Da habe ich schnell neben der Arbeit noch vier Wochen den Doktor an einer ausländischen Dorfuni gemacht. Dafür musste ich einen Kredit aufnehmen.
Heute ist mein Leben vergleichsweise langweilig geworden. Ich wünschte, ich hätte auch einmal einen großen Fehler gemacht. Mich juckt es jetzt oft, die ganze Firma auf etwas Exotisches zu verwetten, damit wieder etwas los ist.
Strenge Auslese für das höhere Management
Ein bisschen zündeln würde ich nur zu gern.“ – „Es reicht Ihnen nicht, jedes halbe Jahr Ihr Gehalt zu verdoppeln und Ihre Geliebte zu verjüngen, Dr. Scheffel?“ – „Das ist nur Ablenkung mit immer mehr Silikon und Peroxid, Herta. Es ist nicht dasselbe wie Karriere. Sie verstehen mich nicht.“
Die Theorie schreibt vor, Menschen nach gezeigter Leistung zu befördern. Manager müssen als erfahrene Führungspersönlichkeiten charismatisch beeindrucken. Sie gehen sozial kompetent mit ihrer harmonischen Umgebung um und bringen hohe Fachkenntnis in das Unternehmen ein.
Der Personalbereich entwickelt Führungskräfte entlang dieser Ziele und führt anhand objektiver Kriterien und transparent-gerechter Laufbahnprozesse die strenge Auslese für das höhere Management durch. Im Zweifel wird mit Beförderungen gewartet. Die Prinzipien strenger Managementauslese ähneln stark denen im Weinbau der Edelklasse und verweben sich auf höchstem Niveau mit psychologischer Kunst.
So weit die Theorie. Stufe für Stufe müht sich der Mensch, verdienstvoll nach oben zu kommen. Diese Theorie hat sich bewährt und ist den meisten Menschen und Karriereanwärtern gut bekannt. Sie ist ja in jedem Führungshandbuch beschrieben.
Die meisten Menschen und Manager gehen diesen Weg, weil sie ihn so gut kennen. Die meisten Menschen kennen ihn deshalb, weil sie die Personalabteilung nach dem normalen Weg gefragt haben – und die Personalabteilung hat ihnen den langsamen Aufstieg mit großer Rückenlast erklärt und ihnen indirekt ein mühevolles Eseldasein untergeschoben.
Der direkte Weg zur Karriere, der sich über diese künstlich definierten Anforderungen erhebt, wird mit gutem Grund geheim gehalten. Ein Unternehmen will von seinen Mitarbeitern eigentlich nur Leistungen sehen. Dafür belohnt es einige mit Beförderungen, Privilegien und hohen Zahlungen.
Tanz fremder Pfeifen und künstliche Hürden
Das Unternehmen kann an zu schnellen Beförderungen oder gar Gratiskarrieren nicht interessiert sein. Deshalb stellt die Personalabteilung lauter Hürden auf, die ein Bewerber um eine Führungsposition in großer Zahl überspringen muss. Er soll bis zum Zieleinlauf immer tüchtig für das Unternehmen springen.
Warum einfach wenn’s auch kompliziert geht?
In diesem Buch gebe ich Ihnen Ratschläge für die Direkt-Karriere. Laufen Sie neben den Hürden vorbei! Lassen Sie doch zum Beispiel andere vorlaufen, zurückkommen und Ihnen den Pokal schenken. Was auch immer, Sie müssen kreativer werden. Sie dürfen keine Skrupel haben.
Überlegen Sie einmal selbst: Sind ausgerechnet solche Kollegen, die nach fremden Pfeifen tanzen und regelmäßig getaktet über künstliche Hürden springen, genau die Führungspersönlichkeiten, die das Unternehmen braucht, um in der globalen Wirtschaft Kopf und Kragen zu riskieren?
Normale Karrieren gründen sich auf gute Leistung und große Verdienste. Über den Umweg der Leistung kann eine Beförderung erreicht werden. Die Direkt-Karriere-Strategie ist eine, die das Dogma dieses künstlichen Leistungsumweges beiseite lässt. Sie löst das Problem unmittelbar.
Machen Sie Direkt-Karriere! Wenn Sie unbedingt gut arbeiten wollen, können Sie damit noch jederzeit später anfangen. Sie sehen das oft bei den Elder Statesmen, die ihre Karriere längst hinter sich gelassen haben und nun wirklich fruchtbar wirken können. Ohne ihre vorherige Direkt-Karriere aber wären sie nichts, allenfalls elderly.
Über den Autor: Gunter Dueck war nur fünf Jahre Mathe-Professor in Bielefeld. Dann wurde er schon abgeworben und machte 20 Jahre bei IBM Karriere. Sein Titel heute? Chief Technology Officer. Und kümmert sich als Experte um alles, das nach „Zukunftsmusik“ klingt…
Artikelbild: beawolf/ Fotolia.com