Geld gibt es nicht nur bei der Bank oder am Automaten, sondern auch im Internet. Zwei Geldmanager von Online-Kreditmarktplätzen erzählen, was sie tun, wie sie dahin gekommen sind und wie ihnen der Job gefällt…
Wer ein Haus kaufen will, muss zur Bank. Bisher jedenfalls. Nun soll eine Baufinanzierung bald so einfach sein, wie sich in ein selbstfahrendes Auto zu setzen. Zumindest wenn es nach Thomas Heiserowski geht. Der Vorstand von Europace,der größten deutschen Plattform für Immobilienfinanzierungen, sagt: „Eines meiner Ziele ist, das autonome Fahren in die Finanzwelt zu bringen“.
Heiserowskis Karriere beginnt nach dem Abitur mit einem Wirtschaftsinformatik-Studium in Berlin und London. 2005 steigt er als Berater und Teamleiter bei Europace ein – damals noch eine Tochtergesellschaft der Hypoport AG. Im selben Jahr veröffentlicht die Plattform zum ersten Mal einen Hauspreis-Index, der seitdem monatlich zeigt, wie sich die Preise für Wohneigentum entwickeln. Inzwischen wird jedes fünfte Eigenheim über den Online-Marktplatz finanziert. Verträge mit einem Gesamtvolumen von mehr als vier Milliarden Euro wickelt das Portal monatlich ab.
Hierarchien flach, Innovationen gefördert
Von Anfang an mit an der technischen Entwicklung beteiligt, wird der heute 37-Jährige im März 2017 Vorstand für strategische Produktentwicklung. Kaufen so einfach wie mieten zu machen, ist seine Vision. Um die zu erreichen, hat sich Heiserowski von traditionellen Organisationsformen verabschiedet: „Unsere 150 Beschäftigten arbeiten in selbstorganisierten Teams“, sagt er. Europace hat die Holakratie eingeführt: Hierarchien sind flach, Innovationen werden gefördert, die Kommunikationswege sind kurz und Mitarbeiter arbeiten eigenverantwortlich. „So erhält jeder die Chance, sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln“, skizziert Heiserowski, wie es ist, bei einem Fintech zu arbeiten.
Auch Geldmanager Christopher Grätz will Neues entwickeln und die Finanzwelt „vom verstaubten Image befreien“. Der Mitgründer und Geschäftsführer des Kreditmarktplatzes Kapilendo vermittelt Summen bis zu 2,5 Millionen Euro. Mit seinen 30 Kollegen finanziert der 31-Jährige den Mittelstand: einen Webshop für schicke Herrensocken oder Haarpflege, eine Restaurant-Kette oder eine Likörbrennerei.
Aber auch Hightech-Firmen, wie ein Messgeräte-Hersteller oder ein italienischer Autotuner, haben sich über die Plattform Kredite besorgt. Das Geld kommt von Investoren und Privatleuten, die über die Portal-Webseite und Anzeigen in Sozialen Medien von den Projekten erfahren.
“nicht in einer klassischen Bank arbeiten”
Grätz selbst merkt schon früh, dass er nicht in einer klassischen Bank arbeiten will. Der Berliner absolviert nach dem Abitur eine Ausbildung zum Bankkaufmann, der ein BWL-Studium folgt. Danach lernt er als strategischer Berater in einem großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen neben Großbanken auch große Aktiengesellschaften und DAX-Unternehmen von innen kennen.
Im Gegensatz zu vielen Kollegen, die zu einem Kunden wechseln und ihre Karriere in einem Konzern fortführen, hat der Finanzkopf anderes im Sinn: „Mein Ziel war und ist es, den Finanzdienstleistungssektor zu revolutionieren.“ Er will das Kreditgeschäft „emotional und spannend“ gestalten, weg von Bürokratie und nüchternen, trockenen Zahlenlandschaften.
Neue Jobchancen entstehen
So entsteht vor rund drei Jahren Kapilendo. Seit Sommer 2015 hat die Plattform mehr als 100 Projekte finanziert, dafür fast 27 Millionen Euro eingesammelt. „Es gibt Projekte, die innerhalb von Minuten finanziert sind“, sagt Grätz. Wer einmal auf eine Kreditzusage einer Bank gewartet hat, weiß, dass dies manchmal Wochen dauern kann.
Die beiden Berliner Beispiele zeigen, wie rasant sich aktuell die Finanzwelt wandelt. Und wo neue Jobchancen entstehen. Gefragt sind neben Bankkaufleuten und Betriebswirten vor allem Informatiker. Denn bei aller Emotionalität sind es Bits und Bytes, die die virtuellen Geldhähne zum Leben erwecken – und die wollen programmiert werden. Geldmanager hingegen bewegen sich immer mehr in der Onlinewelt fantastischer Finanzen.
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