Corona ist schuld. Zwar haben Videocalls durch die Pandemie einen Schub erfahren. Doch die kollektive Teams- oder Zoom-Erschöpfung ist allenthalben zu spüren….
Kaum einer mag noch an einem Video-Meeting teilnehmen. Der starre Blick auf den Bildschirm ermüdet nicht nur die Augen. Er tötet auch jede Kreativität. Wer hingegen den Blick während eines Telefonats durch den Raum schweifen lässt – oder noch besser aus dem Fenster ins Grüne schauen kann – bekommt frische Gedanken und mitunter zündende Ideen. Und siehe da, das klassische Telefongespräch erlebt ein Revival. Denn oft reicht die Tonspur vollkommen aus, um im Kontakt zu sein. Das sagt Telefon-Experte Felix Pflüger im Interview. Der Geschäftsführer von Peoplefone Deutschland liefert zudem Tipps wie das perfekte Telefonat gelingt. Wichtig, in Zeiten von Chats und Messengern, da viele dieses Skills zunehmend verlieren.
Herr Pflüger, mitunter schicken Menschen zuerst Mails, bevor sie anrufen – ist diese Reihenfolge günstig?
Nicht immer. Wir alle kennen den Satzanfang: „Ich habe Ihnen gestern eine Mail geschickt …“ Und oft denkt der Angerufene: „Ja und?“ Der durchschnittliche Bürobeschäftigte bekommt täglich 40 E-Mails. Werbung, Newsletter und Spam noch gar nicht mitgerechnet. Und alle Absender erwarten möglichst am gleichen Tag noch eine Antwort. Oft ist das der Beginn eines E-Mail-Ping-Pong. Und oft wäre es günstig, vor dem Drücken des Sende-Pfeils kurz inne zuhalten. Um den Gedanken zuzulassen: Ich rufe besser erstmal an.
Wer sich dazu durchgerungen hat, dem empfehlen Sie einen guten Plan vor dem Telefonat. Könnten Sie das erläutern?
Es ist klug, sich vorab bewusst zu machen, welche Ziele ich erreichen will. Ich empfehle, in drei Stichworten festzuhalten, was ich besprechen will. Ein gutes Beispiel hierfür ist, wenn ein Kunde mich anruft, um über ein Angebot zu sprechen. Es ist wichtig, dass ich vorab festlege, welche Punkte ich unbedingt klären möchte, um das Gespräch effizient zu gestalten.
Das klingt nach einem praktischen Ansatz. Wie sieht es mit der Begrüßung am Telefon aus?
Eine freundliche Begrüßung ist essenziell, um den Einstieg positiv zu gestalten. Bei bekannten Anrufern kann man persönlicher werden, ansonsten empfehle ich eine formelle Anrede mit Firma, Vor- und Nachnamen. Wichtig ist, langsam und deutlich zu sprechen, um Zeit zu geben, sich auf das Gespräch einzustellen. Ein Beispiel dafür wäre: „Peoplefone, Felix Pflüger, Guten Tag!“.
Rückfragen sind oft unvermeidlich. Wie sollte man damit umgehen?
Rückfragen sind legitim, deshalb sollte ich gut vorbereitet sein. Etwa, wenn ein Kunde während des Gesprächs Details zum Produkt wissen möchte. Hier ist es wertvoll, wenn ich gut informiert bin und Fragen kompetent beantworten kann, um ein Gefühl von Professionalität zu vermitteln.
Aber Achtung: Auch am Telefon gilt Datenschutz. Buchhaltungs- oder persönliche Fragen zu Kollegen eher nicht beantworten. Auch Anfragen, ob Rechnungen an eine andere Adresse gesendet werden kann, sind zu verneinen. Vieles, aber nicht alles funktioniert per Telefon. Manches benötigt aus Sicherheitsgründen eine E-Mail.
Oft stellt sich die Frage, was die bessere Alternative ist: Telefonanruf oder Videocall – wie sehen Sie das?
Nach Corona sind viele müde geworden, jedes Gespräch als Videocall zu machen. Nicht nur, dass die Augen schneller ermüden, wenn wir die ganze Zeit auf den Bildschirm gucken. Der starre Blick kostet auch Kreativität. Die stellt sich ein, wenn der Blick umherschweifen kann – oder noch besser: es gibt ein Fenster und ich kann rausschauen. Das lockert emotional, aber auch die Gedanken.
“lockert emotional, auch die Gedanken”
Deshalb erlebt das klassische Telefongespräch wohl aktuell ein Revival…
Ich denke ja. Denn oft reicht die Tonspur vollkommen aus, um im Kontakt zu sein. Zumal viele Telefonate ja mit bekannten Personen stattfinden. Oder der Anrufer nur schnell etwas fragen will. Es braucht nicht immer mehrere Sinneskanäle, um Fakten zu klären. Vielmehr geht es eher darum, für den passenden Anlass den richtigen Kanal zu finden.
Und wie sieht da Ihre Empfehlung aus?
Felix Pflüger: Ich persönlich empfinde Videocalls passend für Kennenlerngespräche. Und um Reisezeit zu sparen. Statt von Stuttgart nach Hamburg zu fliegen, um einen Kunden zu besuchen, kann der Videocall erhebliche Ressourcen schonen. Auch um zu präsentieren, ist natürlich eine Kamera sinnvoll. Aber alles, was mit Erstkontakt zu tun hat oder um etwas schnell zu klären, empfehle ich nach wie vor zu telefonieren.
Wie stehen Sie zum Thema Smalltalk am Telefon?
Smalltalk kann in hilfreich sein, um die Beziehungsebene zu klären, besonders bei neuen Kontakten. Allerdings schätzt nicht jeder Smalltalk. Viele wollen kein Warm-up am Telefon und stattdessen einfach Fragen klären. Den Smalltalk heben sie sich fürs persönliche Treffen auf.
Und wie sieht es mit der Länge der Gespräche aus?
Es ist wichtig, Gespräche nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Stattdessen immer wieder verifizieren und das Gehörte kurz zusammenzufassen, um sicherzustellen, dass beide auf derselben Seite sind. Fragen Sie daher zum Beispiel: „Habe ich das Thema richtig verstanden?“ oder „Ihnen ist es wichtig, … Sie empfehlen“.
Wie können wir sicherstellen, dass unsere Stimme klar und deutlich übertragen wird?
A und O sind eine deutliche Aussprache. Achten Sie darauf, dass sie gut verständlich sind. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist durch Sprechübungen vorab, ähnlich wie es Schauspieler tun. Dazu finden sich Übungen im Internet, die helfen, die Aussprache zu verbessern. Auch das klare Aussprechen von Namen ist wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden. Nachfragen zu Namen oder Begriffen sind übrigens nicht peinlich, sondern zeigen Interesse an Person oder Thema.
Wie können wir störende Nebengeräusche minimieren?
Nebengeräusche können die Konzentration beeinträchtigen. Das Klappern auf der Tastatur lenkt ab. Auch Essen oder Rauchen während eines Gesprächs können als respektlos empfunden werden. Um solche Störungen zu vermeiden, nutzen Unternehmen Headset mit Noice-Canceling-Funktion. Schnurlose Headset haben den Vorteil: Man kann sich während des Telefonats im Büro frei bewegen.
Wie können wir verhindern, dass wir uns beim Multitasking verlieren und wichtige Informationen vergessen?
Während eines Telefonats ist es ratsam, sich voll und ganz auf das Gespräch zu konzentrieren. Das bedeutet: Apps und Ablenkungen abschalten und das Telefonieren nicht mit anderen Aufgaben kombinieren. Parallel Mails zu checken, ist tabu. Um sicherzustellen, dass wichtige Informationen nicht verloren gehen, hilft es, sich bereits während des Gesprächs die Kernpunkte zu notieren. Die Notizen helfen, Gespräch am Ende zusammenzufassen, um gemeinsame To-Dos zu definieren. Und diese im Anschluss im CRM-System festzuhalten. Einige Unternehmen verwenden KI-Systeme, um Telefonate automatisch zusammenzufassen und wichtige Informationen zu extrahieren.
Danke fürs Gespräch!
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