60 Prozent können mit Karfreitag und Ostern nichts mehr anfangen. Aber: Zwei von drei Jugendlichen gehören einer Kirche in Deutschland an. Warum?
Über Religion spreche man nicht, sagen die Einen. „Lebe so, dass du nach deinem Glauben gefragt wirst“, sagen andere. Über das, was Jugendliche glauben. Beten könne man ja immer, sagt Carina Feil. Sie weiß ganz sicher, dass Gott bei ihr ist. Der Glaube helfe der 14-Jährigen, „Gott einen großen Schritt näherzukommen“.
Till Utner dagegen zögert etwas. Natürlich gingen viele seiner Freunde in den Konfirmanden-Unterricht, „weil es die Eltern so wollen, die Oma es sich wünscht“, sagt er. Christliche Feste mit Geschenken, das erste Mofa, Geld für den Führerschein, das sei aber nicht alles.
Glück und Geborgenheit im Glauben
Dietmar Heydenreich, Pfarrer der evangelischen Landeskirche in Baden, überrascht noch ein anderes Statement: „Das große Glück, ganz viel Spaß haben“, sagen ihm viele Schüler auf die Frage, warum sie Gemeinschaft mit anderen Christen suchen.
Der Glaube scheint, Vorurteilen zum Trotz, kein Spaß-Verderber zu sein. Fromme Jugendliche treffen sich auch während der Pausen zum Beten. Nach Angaben der Studentenmission in Deutschland gibt es an mehr als 800 Schulen Gebetskreise. Viele suchen nach Geborgenheit.
Mittwochs geht Till Utner in den Konfirmanden-Unterricht, lernt mit anderen über Gott, was längst nicht mehr jeder Jugendliche auswendig weiß: Psalm 23 („Der gute Hirte“), Glaubensbekenntnis und Vaterunser-Gebet. Ohnehin vertreten nicht alle jungen Leute die strenge christliche Lehre.
Ein Drittel glaubt nach Angaben der 15. Shell Jugend-Studie an Engel und gute Geister. Ein weiteres Drittel glaubt, dass Schicksal und Vorbestimmung ihr Leben beeinflusse. Ebenso viele glauben an einen persönlichen Gott. Und viele von ihnen beten, regelmäßig.
Glauben und Zweifeln des Lebensentwurfs
Der „Religionsmonitor“, eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung, teilt die Jugendlichen in Deutschland in fünf Gruppen ein: evangelisch 35 Prozent, katholisch 30 Prozent, konfessionslos 25 Prozent, freikirchlich und muslimisch je fünf Prozent. In den Antworten der 12- bis 25-jährigen Befragten wird deutlich: Trotz Kirchenmitgliedschaft kommen sonntags um zehn kaum junge Besucher in den Gottesdienst. Die einen wollen lange schlafen. Andere sind am Wochenende häufig unterwegs. Und manche haben keine gläubigen Eltern.
Fromme Jugendliche treffen sich auch während der Pausen zum Beten. An über 800 Schulen in Deutschland gibt es Gebetskreise nach Angaben der SMD, einem Netzwerk von Christen an Schulen.
Vom Wissen des Nichtwissens…
Professor Ulrich Hemelunterrichtet Religionspädagogik an der Uni Regensburg. Er selbst ist sich nicht so sicher, ob er im Glauben etwas suche oder nicht: „Vielleicht hat der Glaube ja mich gesucht. Suchen und Finden sind komplementär“, sagt er.
Der Theologe bringt seinen christlichen Glauben auf diese Formel: Trost, Zuversicht, Hoffnung. „Eine plausible Erklärung dafür, wie ich mit dem Nichtwissen des Nichtwissens umgehen kann“, sagt der katholische Pädagoge. Das Ziel seiner Sehnsucht will er auch zu Weihnachten nicht als „Leerstelle der Wirklichkeit“ begreifen. Sondern als Gegenüber, „bei dem ich mich auf immer wieder neue Formen der Begegnung freue“, sagt Hemel.
Sinus-Milieus U27 „moderner Performer“ oder ein Exzellenz-Cluster an der Universität Münster. Zur Religiosität von Jugendlichen werden regelmäßig Studien veröffentlicht.
Erstere teilt sie in fünf Gruppen nach Zugehörigkeit ein: evangelisch 35%, katholisch 30%, konfessionslos 25%, freikirchlich und muslimisch beide 5%. Rund 2500 Jugendliche zwischen 12 und 25 Jahre alt wurden befragt. So gesehen sind zwei Drittel aller Jugendlichen in Deutschland Mitglied einer christlichen Kirche.
Hier noch ein paar allgemeine Infos zum Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung, die auch verschiedene Online-Umfragen durchgeführt hat. Es geht um ein Instrument, das weltweit Fragen von Religiosität und Glaube untersucht. Es wurde von Religionswissenschaftlern, Soziologen, Psychologen und Theologen entwickelt. 2007 zum ersten Mal angewendet, haben 21.000 Menschen aus allen Kontinenten und Weltreligionen geantwortet.
Über Weltanschauung und Lebenssinn, ihre religiöse Praxis und Gottesbilder. Das Projekt werde in regelmäßigen Abständen wiederholt und weiter ausgebaut, sagen die Betreiber, „um auch die Entwicklung von Religiosität empirisch einfangen und abbilden zu können“:
Insititutionen auf schwindendem Posten
Sonntags um zehn dagegen kommen kaum junge Besucher in den Gottesdienst. Die einen wollen lang schlafen. Andere sind am Wochenende häufig unterwegs.
Und manche haben keine gläubigen Eltern. Mittwochs geht Till in den Konfirmanden-Unterricht, lernt mit anderen über Gott, was nicht jeder Jugendliche auswendig weiß: Psalm 23, Glaubensbekenntnis und Vater-Unser-Gebet.
„Para-Religion“
Die „Para-Religion“ ist weit verbreitet. Ein Drittel glaubt an Engel und gute Geister nach Angaben der Shell Jugend-Studie. Ein weiteres Drittel glaubt, dass Schicksal und Vorbestimmung ihr Leben beeinflusse. Ebenso viele aber glauben an einen persönlichen Gott in Jesus Christus.
Doch nicht nur christliche Jugendliche suchen neue Wege, den alten Glauben zu leben. „Ich bin gläubig. Aber nicht im traditionellen Sinne“, sagt auch die Muslimin Tijen Onaran. Ihre Eltern kommen aus der Türkei, leben in Karlsruhe. Sie selbst faste nicht, gehe kaum in die Moschee.
Modelle einer Patchwork-Religiosität
Trotzdem füllt die Politikstudentin an der Universität Heidelberg ihren Glauben: „Für mich selbst, nicht mit anderen zusammen“, sagt die 24-Jährige. Viele Menschen suchten im Glauben Antworten, die sie sich selbst nicht geben können. Auf sie treffe das nicht zu.
Die Muslimin sucht im Glauben nicht die geniale Antwort, sondern Anregungen für ein gelingendes Leben. Darum geht es auch im Religionsunterricht. 2009 überraschte eine Bürgerinitiative mit dem Programm „Pro Reli“. Zwar wurde der Volksentscheid in Berlin verloren, für mediale Aufmerksamkeit sorgte er aber dennoch:
Ob das Rocken eines Osterkonzertes bei Kerzenschein, Hören der Luther-MP3-Bibel beim Joggen, Surfen im Internet bei Evangelisch.de oder Beten in einer Second-Life-Kirche. Vor allem kirchliche Kreise bleiben Jugendlichen im Kopf hängen.
Von der Krabbelgruppe bis zum Konfirmanden-Treff, der Jungschar bis zum Jugendclub. Symbole wie das Kreuz im Klassenzimmer oder das Kruzifix als um den Hals oder Rückspiegel hängender Modeschmuck, sie kommen hinzu.
Was suchen die Jugendlichen im Glauben? Was bringt ihnen das? Besuche von Schulen in pietistisch geprägten Regionen Süddeutschlands Ende 2009 brachten folgendes Ergebnis:
Viele suchen nach Geborgenheit. Auch heute noch. Die Jugendlichen einer Hauptschule in Baden fassen ihren Glauben in drei Begriffe: Freude, Sicherheit und Mut.
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