Sie organisieren gern, handeln meist strukturiert, wollen gern präzise arbeiten. Dadurch produzieren die Deutschen eine Qualität, die weltweit gefragt ist. Freude macht ihnen der Job nicht immer, aber öfter im Netz…
Wer Ängste überwindet, Verantwortung übernimmt – schlicht „sein Ding“ macht – nutzt seine Chancen. Spaß und Effizienz kommen von alleine. Manchmal auch in Krisen. Tüftlergeist und Hightech-Spezialisierung. Deutschland ist im Ausland bekannt für tolle Produkte.
Kurzum werden die „Soft Skills“ immer wichtiger. Und die kann nur der Mitarbeiter einbringen, der Freude in seine Arbeit integrieren kann, Verantwortung übernimmt und sich mental auch mal vom System des „Das haben wir schon immer so gemacht“ trennen kann.
Umfragen belegen, dass nur wenige Deutsche wirklich Spaß bei der Arbeit haben. Das ergab auch ein Gespräch mit Professor Peter Guggemos, Arbeitsmarkt-Experte an der Uni Augsburg:
Neue Arbeitsphilosophie?
Weg von frustrierendem Zeitmanagement und Sicherheitsdenken um das Bestehen der Zukunft hin zu mehr Initiative, Service und Freude bei der Arbeit. Das könnte Deutschland gut gebrauchen. Dazu gehören eine Menge Mut und auch etwas Querdenken. Es muss heute nicht mehr ein Entweder-Oder sein.
In der globalisierten Welt sind neue Wege im Job besser möglich als je zuvor. Sie sichern das Alleinstellungsmerkmal vom Produkt und seinem Kopf dahinter. Wie Menschen ihr berufliches Schicksal selbst in die Hand nehmen, ihren Sinn selbst suchen und finden und am Ende Spaß bei der Arbeit haben, zeigen die folgenden Portraits von zwei Web-Unternehmen.
Mehr Team-Work
Hamburg. Friedrich Schwandt wünscht sich mehr Teamgeist. Zu viele Egotrips gebe es dort um Karriere und Posten. Heute hat er sich mit einem Statistik-Startup selbständig gemacht, um in einem kleinen Team bewusster zu arbeiten: Er will damit beginnen, ein Google von Statistiken für jedermann zu schaffen. Der Büro-Kicker und das gemeinsame Aufbauen von Ikea-Regalen entspannt beim Zahlensalat.
Über den Dächern der Hansestadt: Schwandt und seine Partner haben sich ihr eigenes Unternehmen aufgebaut. Im Geschäftsviertel Collonaden, unweit der Alster in der Hamburger Innenstadt. Erst vor kurzem ist Friedrich Schwandt mit seinen Kollegen hier eingezogen. Eben hat der Mann mit wuscheligem Haar, Jeans und Sakko noch einen Tisch zusammengeschraubt.
Der Hanseate gründete im Mai 2008 seine eigene Firma: „Statista“. Schwandts Idee: Ein Portal fürs Internet entwickeln und redaktionell so betreuen, dass statistischer Zahlensalat für jedermann verständlich wird. Schwandt ist sich sicher, dass das Geschäftsmodell seines Unternehmens erfolgreich sein wird.
„Motor sind Kollegen“
Sagt Schwandt über Menschen, die sich mit viel Elan in die Projektarbeit von Statista reinknien, Pflichtenhefte ohne Quengeln erstellen und noch Ikea-Aufbauanleitungen für den nächsten Schreibtisch entschlüsseln.
„Durch die kleinen Schrauben bekommen wir besser mit, was man den ganzen Tag gemacht hat“, sagt der schlaksige Typ. Positivdenken, Barrieren abbauen und mutig eigene Vorschläge einzubringen, gehöre dazu. Die schlanken Finger huschen über die Tastatur am selbst zusammen gebastelten Schreibtisch. Feinsäuberlich geordnet sitzt der Zahlenakrobat am nächsten Pflichtenheft.
Bürokratie und Institutionalisierung würden viel schöpferisches Potential verbrennen. Schwandt, ein Unternehmer mit schmaler Figur und Brille, kennt die Risiken, die mit einer Firmengründung verbunden sind. Startup-Pleiten und geplatzte Träume nach der anfänglichen Euphorie, das kennt er zu genüge aus seiner Erfahrung als Unternehmensberater. Und im Web 2.0.
Verantwortung als Unternehmer
Sechs Jahre lang arbeitete er bei Boston Consulting. Das waren lange Dienstzeiten vor Ort beim Kunden, die Teams bei der Arbeit wechselten oft. Solche und andere Spaßbremsen verstärkten seinen Wunsch, im Job freie Hand zu haben.
Den Pinsel nun selbst in der Hand zu haben, beschwingt Schwandt: „Selber die Farben zu mischen macht doch mehr Spaß, als anderen nur dabei zuzugucken“, sagt der promovierte Volkswirt – mit Schwielen an den Händen. Die habe er noch von seinem privaten Umzug gestern.
Einen reinen Spaßverein wollte er nicht gründen: Hohe Anforderungen habe er, biete aber genauso große Chancen, eine „Work-Spaß-Balance“. Die Startup-Euphorie kennt er noch aus den Tagen der New-Economy. Mit dem eigenen Unternehmen will er nicht an den Neuen Markt.
Statt Börsengang ist ihm persönliche Selbstbestimmtheit wichtiger. Gemeinsam mit selbst gewählten Kollegen einen Marathon zu laufen, das macht ihm Spaß: Bei Schwandt besteht dieser aus einer Million Statistiken, die noch bearbeitet werden müssen.
Family-Feeling inklusive
Berlin. Christian Laase wünscht sich eine offenere Kleiderordnung. Doch die Piercings sind dran geblieben. Statt Pinguin-Look im Dreiteiler, in Unternehmensberatungen meist üblich, läuft er barfuß durchs Büro, dank der eigenen Firma.
Individualität, Verantwortung und Macher-Mentalität sind ihm wichtiger als Kleidungsvorschriften. Privates und Berufliches will er nicht trennen, gemeinsames Go-Kart-Fahren inklusive.
Aufgeräumtes Büro: Laases Dreadlocks mussten runter, aber Buddha und Karo-Pullunder sind geblieben – auch bei Geschäftsbesuchen. Mit einem straßentauglichen Go-Kart brettert er durch die Berliner Innenstadt. 20 muntere IT-Freaks, fahren mit ihm als Hobbyrennfahrer um die Wette.
„Wir haben Spaß“
Sagt Christian Laase. So wie Statista gründete Laase das Geschäft vor ein paar Jahren, mit zwei Kollegen. Das war nach seinem Abschluss an derEuropean Business School in Oestrich Winkel.
Mit Dreadlocks und Piercings in Ohrläppchen, Lippe und Nase nahm er damals im Talar sein Diplomzeugnis vom Direktor der Karriereschmiede in die Hand. Für seine anschließende Karriere hat sich der bärtige Betriebswirt seine Dreadlocks abgeschnitten. Bei Verhandlungen über Risikokapitalkomme das nicht so gut, sagt er.
Aber im Büro läuft er weiterhin barfuß. Der „Pinguin-Look“ im Dreiteiler habe ihn bereits während seiner Praktika ermüdet. Ganz und gar nicht einschläfernd ist für ihn seine Firma, in der er manchmal auch übernachtet. Gestern ist es wieder spät geworden. 80 Stunden und mehr pro Woche sind drin, sagt Laase. Er nimmt das gerne in Kauf und vergleicht dabei „plista“ mit einer Familie.
Geht es doch darum, Verantwortung übernehmen: Für Laase ist das wie Babysitten des eigenen Kindes. Sowohl mit Produkten als auch Mitarbeitern im Unternehmen identifiziert er sich. „Input ist gleich Output“, sagt Laase über seine Firma. Plista heißt das neue Produkt-Baby, das jetzt mit Risikokapital großgezogen werden soll.
Die Idee klingt plausibel: ein Recommendation-Plugin entwickeln, das die Nachrichtenforen im Internet persönlicher macht. Damit die Benutzer nur noch das sehen, was sie interessiert.
Risikokapital der Firma
Das Geschäft läuft gut. Vor ein paar Jahren sah das noch anders aus: Laase musste einige Mitarbeiter wieder vor die Tür setzen. Zahlungsausfälle seien die Schattenseite eines Start-Up’s. „Geld allein macht keine Party”, sagt er dazu. Geld verdienen kann kein Selbstzweck sein. Apropos, Karriere-Einsichten kann ebenso mit dem Satteliten von “Plista” umworben werden.
Wenn es verdient ist, muss es klug investiert sein, damit man Freude daran hat und mit Freunden feiern kann. Mehr als zwei Dutzend Menschen empfinden heute auf bunten 200 Quadratmetern, bestückt mit selbstgemalten Leinen und Kugelkissen, Bierkisten und zwei Couches, Freude bei der Arbeit.
Arbeiten für einen Weltkonzern mit großformatigen Wertvorstellungen dagegen kommt für Laase einer Seelenmassage gleich.
Auch die Betriebswirtschaftslehre ist für ihn kein eingestampfter Karrierepfad sondern ein „notwendiges Toolset“. Kollegen von der Uni erlebt er trotz „Work hard, party hard“, dickem Portemonnaie und Renommee von großen Firmennamen wie McKinsey häufig frustriert.
Laase hat sich dagegen seinen Kindheitstraum erfüllt, den er über sein Auslandsstudium in Indien hinweg behalten hat. Im Vergleich zu Asien sei die Arbeit der Deutschen zwar viel effizienter, habe aber bei weitem nicht diese positive Energie: „Wir sind notorisch unzufrieden“, sagt Laase. Die Moral der Geschichte.
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