Stress zählt zu den größten Gesundheitsgefahren unseres Jahrhunderts. Fehlzeiten aufgrund psychischer Beschwerden wie Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen sind in den vergangenen 15 Jahren um fast 90 Prozent gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse. Und Simone Stargardt…
In meiner Akademie erlebe ich häufig, dass Studenten in Prüfungssituationen Stress und Nervosität belasten. Auch Rita Puhlmann, eine meiner Dozentinnen, war in ihren mehr als zehn Berufsjahren in der Industrie oft stressigen Situationen ausgesetzt. Inzwischen bietet die Wirtschaftsingenieurin unter anderem Trainings zur Stressbewältigung an und gibt den Teilnehmern Tipps, wie sie in herausfordernden Situationen die Nerven behalten.
„In unserer digitalen Welt sind wir dauernd erreichbar und ständig einer Flut an Informationen ausgesetzt. Dafür ist unser Organismus nicht ausgelegt“, erklärt mir die Systemische Beraterin einen Grund, warum wir Stresshormone entwickeln. Werden diese nicht regelmäßig abgebaut, erreicht unser Körper ein kritisches Level. Wir sind müde und anfälliger für Krankheiten, Magen-Darm-Beschwerden oder Tinnitus können die Folge sein, bis hin zum Burnout.
Unterschiedliche Stresstypen, unterschiedliche Methoden
Je nach Stresstyp eignen sind unterschiedliche Methoden, um wieder zu unserer inneren Mitte zu finden. Äußert sich Stress vorwiegend in muskulärer Verspannung, hilft Sport. Wer dagegen ständig gereizt ist, sollte es besser mit mentalem Training versuchen.
Während bei organischen Beschwerden, wie Augenzucken oder Magen-Darm-Beschwerden, ein Wellnesswochenende und gesunde, leichte Kost am besten wirken. „Viele Menschen sind Mischtypen“, weiß die Expertin aus ihrer Erfahrung.
“Mehr als ein Wellness-wochenende…”
Langfristig empfiehlt Puhlmann, an den inneren Antreibern zu arbeiten. Das sind Glaubenssätze wie „sei perfekt“ oder „sei stark“, die in unseren ersten Lebensjahren geprägt wurden. Wer sich von „wie muss ich sein“ hin zu „das darf ich mir erlauben“ bewegt, spürt oft bereits nach zwei bis drei Wochen erste Ergebnisse. Beispielsweise, dass er in fordernden Situationen gelassener bleibt. „Die Glaubenssätze langfristig umzukehren, ist allerdings eine Prozessgeschichte über mehrere Monate“, betont die Trainerin.
Individueller Charakter, individueller Coach
Wichtig ist ihr als Coach, Klienten unterstützend zum individuellen Charakter eine Auswahl an Werkzeugen an die Hand zu geben. Techniken, mit denen Stressgeplagte langfristig arbeiten können. „Können, ohne es zu müssen“, beschreibt die Gesundheitspraktikerin eine Qualität, die sie mit ihrer Arbeit vermitteln will. „Wer quirlig ist, darf sich gerne weiterhin in Meetings lebhaft zeigen.“ Schlägt das Lebhafte dagegen in nervöse Unruhe oder Aggression über, ist Stressmanagement gefragt.
Wenn unsere Nerven wieder einmal blank liegen in einer Situation, die wir eigentlich souverän angehen sollten – hier drei Tipps von Rita Puhlmann, die kurzfristig helfen:
- 60 Sekunden lang grinsen: Wenn wir die Mundwinkel nach oben ziehen, schüttet unser Gehirn Glückshormone aus. Dabei ist es egal, ob uns gerade tatsächlich zum Lachen ist oder nicht. Sind wir akut gestresst, müssen es 60 Sekunden am Stück sein, darunter ist diese Übung wirkungslos. (Am besten an einem privaten Ort ausüben, etwa auf der Toilette).
- Wasser trinken: In einer stressigen Situation ein großes Glas kühles, stilles Wasser zu trinken beruhigt sofort. Das Herz schlägt langsamer, die Atmung vertieft sich, wir kommen zur Ruhe.
- Bewusstes Atmen: Gezielte Atemtechniken senken die Herzfrequenz und helfen unserem Körper, sich zu entspannen. Um die Körperfunktionen zu beruhigen, sollte doppelt so lange aus- wie eingeatmet werden. Etwa locker auf einem Stuhl sitzend beim Einatmen langsam bis zwei, beim Ausatmen bis vier zählen und dies zehn bis 20 Mal wiederholen.
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