Der stationäre Arbeitsplatz im Büro, aktuell ist das noch Status Quo. Nur jeder fünfte Beschäftigte nutzt (un)regelmäßig diese Möglichkeit: Homeoffice. Dabei gibt es doch moderne Smart-Working Ansätze wie das Flex-Office. Klingt komisch? Wir fassen das mal zusammen…
Dabei gehören vor allem für die jüngeren Generation Selbstbestimmung und Flexibilität zu den wichtigsten Lebenszielen; die Karriere ordnet sich diesen Wünschen laut dem Zukunftsinstitut Frankfurt bei Millenials eher unter. In den letzten Jahren haben daher immer mehr Menschen beschlossen, tatsächlich ihren Traum von der Unabhängigkeit zu lesen und ziehen seitdem als digitale Nomaden durch die Welt.
Nomaden der Neuzeit – immer auf Achse
Einen festen Wohnsitz oder ein eigenes Büro benötigen sie nicht, sondern nur ein Notebook und eine stabile Internetverbindung: Sie sind die Nomaden der Neuzeit, die mal in Thailand am Strand sitzen, mal in New York im Café; ihre Arbeit bildet einen fließenden Übergang zur Freizeit. Manchmal wissen sie heute nicht, wo sie den morgigen Tag verbringen werden. Nicht nur das feste Büro, sondern auch das Homeoffice lassen sie weiter hinter sich, denn sie besitzen keine eigenen vier Wände, ihre Heimat ist die ganze Welt.
Wer denkt, dass so ein Leben reichlich teuer sein muss, der irrt: Oftmals benötigen diese Kleinunternehmer und Social Influencer weniger Geld zum Leben als Menschen mit festen Wurzeln und einer gemütlichen Stadtwohnung. Sie halten sich gern an Orten auf, wo sich der Lebensunterhalt deutlich günstiger bestreiten lässt als daheim – und wo die Sonne heller scheint, wie zum Beispiel in den Ländern Südamerikas und Asiens. Trotzdem ist der Kontostand nicht immer im Plus, der Nervenkitzel gehört zu diesem Lebensentwurf einfach dazu.
Die Basis: virtuelle Existenzgründung
Wer sind diese Menschen, die die Freiheit zu ihrer Agenda machten und ihre Talente im digitalen Raum entfalten? Sie arbeiten als Blogger, Grafikdesigner und IT-Profis, schreiben E-Books und bieten virtuelles Coaching. Einige von ihnen besitzen sogar einen festen Arbeitsvertrag, doch ihr Job erfordert keine persönliche Anwesenheit am Arbeitsplatz.
Die meisten digitalen Nomaden jedoch arbeiten selbständig für einen wechselnden oder festen Kundenstamm, sie haben sich ihre Existenz mit Beharrlichkeit und Geschick oftmals über Jahre hinweg selbst aufgebaut. Eine weitere Gruppe erwirtschaftet sich ein steigendes passives Einkommen, zum Beispiel aus dem Verkauf von E-Books oder durch eigene Webseiten mit Werbeeinträgen.
Das Wörtchen »passiv« täuscht dabei allerdings ein wenig, denn aktive Arbeit ist konstant gefragt: E-Book-Autoren präsentieren sich so dem Web oftmals als eigene Marke, ihre Werke bleiben nur dann dauerhaft gefragt, wenn regelmäßig nachgeliefert wird.
Ebenso steht es mit der Betreuung von Affiliate-Seiten, die, um bei Google »oben« zu bleiben, ständig neuen Content benötigen und auch den wechselnden technischen Gegebenheiten sowie aktuellen SEO-Trends angepasst werden müssen.
Wenn es gut läuft, dann addieren sich mit den Jahren die Einnahmen aus alten Werken und neuen Zutaten, sodass ein wachsender Teil des Gewinns tatsächlich nicht mehr aktiv erwirtschaftet werden muss, von der allgemeinen Markenpflege mal abgesehen. Ein bekanntes Beispiel für diesen Lebensstil ist hier der Bestseller-Autor Tim Ferris, der in seinem Buch „The 4-Hour Workweek“ effektiv beschreibt, wie eine solche Struktur zu errichten ist.
Glücksritter der Moderne
Manche der digitalen Nomaden haben sich einer anderen Profession verschrieben, nämlich dem Pokerspiel. Entgegen der landläufigen Meinung braucht es hier nicht nur Glück, sondern vor allem auch taktisches Geschick und strategisches Denken, um erfolgreich zu sein. Im Online-Poker besteht heutzutage nicht nur die Möglichkeit, hohe Gewinne abzusahnen, sondern auch, sich zu hoch dotierten Live-Events zu qualifizieren wie der inoffiziellen Pokerweltmeisterschaft in Las Vegas.
Nicht zu verwechseln sind diese Weltenbummler, die mal von Rio de Janeiro, Bangkok oder Wien aus ihrer Profession nachgehen, mit den Profis, die aufgrund von veränderten Lizenzierungsbestimmungen ihre Heimatländer dauerhaft verlassen, um von Mexiko oder Kanada aus unter ganz neuen Vorzeichen ihrer Leidenschaft zu frönen. Ein Beispiel dafür bietet das amerikanische Poker-Ass Randy Lew, der als amerikanischer Staatsbürger nun aus dem Ausland seiner Arbeit nachgeht. Und um einen echten Job handelt es sich tatsächlich, denn er bringt Jahr für Jahr recht hohe Einnahmen mit nach Hause, gilt er doch als einer der erfolgreichsten Online-Spieler aller Zeiten.
Prägende Zeit mit MacBook und Reisekoffer
Doch die meisten Eichhörnchen ernähren sich erfahrungsgemäß eher mühsam, wie zum Beispiel Barbara Riedel, die als selbständige Übersetzerin, Bloggerin und E-Book-Autorin nicht nur ihren Lebensunterhalt verdient, sondern auch ihre Reisen finanziert. Sie sieht diese fraglos prägende Zeit mit MacBook und Reisekoffer als eine Art Durchgangsstation, die irgendwann auch wieder vorübergeht, auch wenn sie diese mit vollem Herzen genießt. Ursprünglich, so gibt Riedel zu, wollte sie als Dolmetscherin in Brüssel anfangen, doch sie spürte, dass diese eingeengte Lebensart nichts für sie war.
Heute genießt sie die Wärme südlicher Länder und die gesunde mediterrane Ernährung, obwohl der Kontostand nicht immer erquicklich aussieht. Irgendwann will die Jungunternehmerin sesshaft werden und eine eigene Familie gründen, doch bis dahin vergeht sicher noch einige Zeit. Ihre Ausbildung mit den beiden abgeschlossenen Master-Studiengängen kommt ihr sicher sehr entgegen, wenn es darum geht, neue Kunden zu werben und diese von der Solidität ihrer Arbeit zu überzeugen.
Micro-Jobs für digitale Jobber
Doch auch wer keine solche Vorbildung besitzt, kann durchaus die Chance ergreifen und sein Leben in der Fremde virtuell finanzieren. Sogenannte Micro-Jobs machen es möglich, diese werden auf Plattformen wie Fiverr und Clickworker vergeben und stellen keine besonderen fachlichen Anforderungen. Adressen recherchieren, Fotos knipsen oder kleine Texte schreiben – das kann fast jeder. Allerdings liegt die Bezahlung eher im niedrigen Bereich, darum gilt es, fleißig zu sein und an einem preisgünstigen Ort zu leben.
Ganz allein sein will kaum jemand
Dass diese Lebensweise nur etwas für Singles oder eingefleischte Einsiedler ist, die sich keine festen Beziehungen wünschen, gehört zu den weit verbreiteten Vorurteilen über digitale Nomaden. Es gibt sogar nomadisch lebende Familien, wie zum Beispiel die Journalisten- und Fotografenfamilie Reichert mit drei Kindern im Teenageralter.
Oder die Auswandererfamilie Sundance, auch unter dem Namen »Rohkostfamilie« bekannt, die mit 5 Kindern ihrer Basis in Costa Rica aufgeschlagen hat, aber meistens weltweit unterwegs ist. Sie betreiben eine Coaching-Schule, geben E-Books mit Ernährungstipps heraus und betreiben einen eigenen gut-frequentierten Blog. Andere Unternehmer vernetzen sich digital oder auch analog, sie reisen und leben zusammen oder pflegen einen regen Informationsaustausch über das Netz sowie bei regelmäßigen Treffen. Ganz allein sein will kaum jemand, darum zieht es die meisten auch immer wieder zurück in die alte Heimat – und sei es nur für ein paar Wochen im Jahr.
Digitale Nomaden Konferenz als analoge Austauschplattform
Auf der 2014 ins Leben gerufenen jährlichen »Digitale Nomaden Konferenz« trifft sich diese besondere Spezies nicht nur zur reinen Kontaktpflege, sondern auch um die wichtigsten aktuellen News zu erfahren und neue Impulse für das Geschäft zu erhalten. Der Zutritt ist nicht gerade günstig, die Preise liegen bei bis zu 400 Euro pro Ticket. Vielleicht zeigt sich an dieser Stelle auch nur wieder ein Symptom dieser wundersamen Klientel, denn es handelt sich schließlich um Unternehmer, die keine Wohltätigkeiten zu verschenken haben. Ausverkauft waren die Tickets bei den ersten Events recht schnell, die Themen Bloggen, Online-Marketing, Unternehmensgründung und günstiges Reisen wirken bei der gegebenen Zielgruppe eben wie ein Magnet.
Das moderne Nomadenleben zeigt sich vielfältig und voller Abenteuer, doch es benötigt auch eine solide Basis. Von der offiziellen Gewerbeanmeldung über die technische Ausrüstung bis zum eigentlichen Unternehmenskonzept will an alles gedacht sein, damit das Projekt nicht mit leeren Taschen auf einer karibischen Insel scheitert. Denn die Freiheit, überall auf der Welt zu Hause zu sein, gibt es leider nicht geschenkt.
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