Wahrer Erfolg funktioniert nur, wenn Scheitern erlaubt ist und wir unsere Niederlagen knallhart analysieren, mit dem Ziel uns zu verbessern. Nur so finden Wachstum und Entwicklung statt, findet Markus Czerner…
Viele Menschen, aber auch viele Unternehmen, nehmen sich jegliche Form von langfristigem Erfolg, weil Fehlversuche einfach ignoriert und unter den Teppich gekehrt werden. Dann wird ein Vorhaben eingestellt, weil es gescheitert ist, anstatt es einfach noch mal zu versuchen – was sehr schade ist, denn mit jedem Misserfolg machen wir einen riesen Schritt in Richtung Erfolg.
Kaum jemand macht sich heutzutage noch die Mühe, Niederlagen und Rückschläge zu analysieren. Jeder Fehlversuch ist eine große Inspiration, wenn wir richtig damit umgehen. Richtig analysiert gibt jeder Fehlversuch Auskunft darüber, warum Versuch Nummer eins ein Fehlversuch war. Stattdessen werden Fehler ausgeblendet oder ignoriert.
Und, was noch viel schlimmer ist: es werden immer wieder die gleichen Fehler gemacht. Durch den gesellschaftlichen Druck unterschätzen wir zu sehr, wie viel wir aus unseren eigenen Fehlern lernen können. Dieser Druck führt dazu, dass wir nur einen Versuch unternehmen, unsere Ziele zu erreichen. Misslingt dieser Versuch, begraben wir unsere Ziele.
Die Schuld für Misserfolg liegt immer bei anderen
Erreichen wir ein Ziel nicht, sind die Gründe schnell gefunden: Man hatte einfach Pech. Oder aber das Leben ist einem nicht wohl gesonnen. Das findet sich dann in klassischen Aussagen wie „das Schicksal mag mich einfach nicht“ wieder. Viele Menschen nehmen nach Misserfolgen gerne die Opferrolle ein.
Zugegeben, es ist auch schön, wenn andere Schuld daran haben, dass wir nicht da sind, wo wir eigentlich gerne wären oder nicht das haben, was wir eigentlich gerne hätten, Hauptsache uns selbst trifft keine Schuld.
Wenn wir unsere Niederlagen nicht analysieren, wie zum Teufel wollen wir dann besser werden? Wenn uns immer alles auf Anhieb gelingt, wie wollen wir uns dann weiterentwickeln? Wie wollen wir ein nächst-höheres Niveau erreichen?
Wir brauchen wieder die Einstellung eines einjährigen Kindes
Die kleine Maya versucht zaghaft, ihre ersten Schritte zu gehen. Sie läuft zwei Schritte, stolpert über ihre kleinen Beinchen, fällt hin und lacht. Die Einjährige weiß noch nicht, dass sie gerade bei ihrem Versuch zu laufen gescheitert ist. Es ist ihr egal, dass sie hingefallen ist. Sie steht einfach auf und versucht es noch einmal.
Unterstützung bekommt die Kleine von ihren Eltern. Beide lachen und finden es total süß, dass Sie gerade gestolpert ist. Zugleich freuen sie sich über die ersten beiden Schritte. Sie umarmen ihre Tochter und reden ihr Mut zu, es weiter zu versuchen. Das Ziel: Jedes Mal einen kleinen Schritt mehr machen.
Bereits in unserem ersten Lebensjahr kommen wir mit dem Scheitern in Berührung. Nur wissen wir da noch nicht, dass wir gescheitert sind und dass es später in der Gesellschaft etwas Schlimmes und ein Tabu-Thema sein wird. Maya hat bei ihren ersten Versuchen zu laufen eine wichtige Lektion gelernt: Fallen und wieder aufstehen. Eine Fähigkeit, die sie ihr ganzes Leben brauchen wird.
Eine Fähigkeit, die ein stückweit über ihren Lebensweg entscheiden wird. Leider legen wir diese Fähigkeit in unserem ersten Lebensdrittel wieder ab.
Scheitern hat ein Imageproblem
Dabei sind Misserfolge in unserem Leben allgegenwärtig. Sie begleiten uns jeden Tag und sind fester Bestandteil unseres Alltags, beruflich wie privat. Leider vergessen wir mit der Zeit die früh gelernte Lektion „fallen und wieder aufstehen“.
Stattdessen bleiben wir einfach liegen oder unternehmen alles in unserer Macht Stehende, gar nicht erst zu fallen. Und warum? Weil uns die Gesellschaft in jungen Jahren bereits lehrt, dass Misserfolg etwas Schlimmes ist. Wer zu viele Fehler macht, wird schnell von unserer Gesellschaft abgestoßen. Fallen wir als Einjähriger bei unseren ersten Laufversuchen hin, klatschen alle um uns herum und wir werden ermutigt, weiter zu machen. Wir erhalten die Botschaft, dass es völlig okay ist, zu fallen, solange wir wieder aufstehen und weitermachen.
Fallen wir als Dreißigjähriger bei unseren ersten Versuchen in die Selbstständigkeit hin, steht niemand da und klatscht. Wir werden auch nicht ermutigt, weiterzumachen. Ganz im Gegenteil: Man legt uns ans Herz, es auf keinen Fall noch mal zu versuchen, stattdessen aber einen Weg einzuschlagen, bei dem wir keinesfalls noch mal hinfallen, zum Beispiel in einer Festanstellung.
Irgendwo zwischen unserem fünften und achtzehnten Lebensjahr ändern wir unsere Einstellung Fehlern gegenüber. Wir adaptieren die Null-Fehler-Toleranz unseres Umfelds und fangen an zu glauben, dass Fehler etwas Schlimmes sind. Da die meisten Menschen so denken, fühlen wir uns in unserer Denkweise schnell bestätigt. Wären Fehler was Tolles und Nützliches, würde sie jeder gerne machen. Die breite Masse läuft gerne der Herde hinterher und macht das, was alle machen, denn das muss ja richtig sein.
Wer nicht scheitert, hat es nicht versucht
Aber was wäre, wenn jede Niederlage in Wirklichkeit ein Gewinn ist? Ein Gewinn, der uns stärker und besser macht und auf den Erfolg vorbereitet. Wir müssen nur bereit sein den Gewinn zu sehen – und ihn zu nutzen. Alles, was wir dafür tun müssen, ist dem Wort Scheitern eine neue Bedeutung zu geben, und die Bedeutung ist klar: Wir scheitern nicht, wir lernen hinzu. Misserfolg sollte unser Lehrer sein, nicht unser Bestatter.
“Scheitern bedeutet lediglich Verzögerung, nicht Aufgabe.”
Scheitern bedeutet lediglich Verzögerung, nicht Aufgabe. Es ist ein vorübergehender Umweg, den wir einlegen müssen, mehr nicht. Wir müssen nur den Mut haben uns unseren Niederlagen zu stellen. Gepaart mit der Frage, was wir in Zukunft besser machen können.
Zu scheitern bedeutet, zu 98 Prozent nicht gut genug zu sein, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Das heißt aber nicht, dass wir nicht besser werden können. Wer Niederlagen als Grund nimmt, sein Vorhaben nicht weiter zu verfolgen, der hört auf sich zu entwickeln.
Mein Tipp zum Abschluss
Wenn ich Ihnen einen Tipp geben kann, dann werden Sie wieder zu dem einjährigen Kind. Werden Sie wieder die einjährige Maya, die hinfällt, aufsteht und es von Neuem versucht, bis sie laufen kann. Und wenn andere Menschen in Ihrem Umfeld Scheitern, dann werden Sie wieder zu den Eltern, die der kleinen Maya zujubeln und sie ermutigen, wieder aufzustehen und es weiter zu versuchen. Sagen Sie ja zu Fehlern. Scheitern bedeutet in den meisten Fällen doch nur, dass wir aktuell einfach noch nicht gut genug sind. Nicht mehr und nicht weniger.
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