Honig ums Maul schmieren, den Bauch pinseln, in den ihr-wisst-schon-wo kriechen – auch Brown-Noser genannt. Oder: offen die Meinung geigen, ständig Veränderung anstreben und keine Fünf gerade sein lassen. Was ist denn nun der richtige Weg nach oben auf der Karriereleiter? Peter Holzer hat als Geschäftsführer eines Mittelstandsfonds dessen Umsatz verzwanzigfacht. Und verrät uns ein paar Insights. Debattenbeitrag für eine neue Streitkultur in Unternehmen…
„Oh mein Gott, was macht denn der Chef heute wieder? Wenn der weiter so mit dem Kunden umspringt, dann können wir die Zusammenarbeit gleich vergessen. Wie gerne würde ich ihm später in der Pause mal ein paar Takte zu seinem Verhalten sagen … Soll ich ihm heute einfach mal die unbequeme Wahrheit ins Gesicht sagen oder behalte ich meine Gedanken doch lieber für mich?“
Eine gute Frage, die sich sicherlich schon von viele von uns in ihrem Berufsleben einmal gestellt haben. Wie viel Klartext gegenüber Kollegen und Führungskräften verträgt eine Karriere?
Die Lösung für diese Zerrissenheit zwischen Ansprechen und Mundhalten ist eigentlich ganz einfach: Choose your battles!
Pinkeln oder nicht?
In meinen Coachings kriege ich direkt an dieser Stelle oft schon Widerworte: „Was soll der Mist, da brauche ich gar nicht groß drüber nachdenken. Eine Hierarchieleiter pinkelt man auf gar keinen Fall nach oben, wenn man seine Karriere nicht ruinieren möchte.“ Ist ja auch einleuchtend.
Schließlich sehen die meisten Chefs es überhaupt nicht gerne, wenn sie von Mitarbeitern beurteilt, korrigiert und letztlich auch bloßgestellt werden. Eine Streitkultur gibt es eben nur einseitig – und zwar von oben nach unten. Traurig, aber wahr: Dadurch werden die notwendigen und gleichzeitig unbequemen Wahrheiten viel zu wenig ausgesprochen.
Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass die unbequemen Botschaften die wichtigsten sind. Denn sie legen den Finger in die Wunde. Nur wenn ihr sie aussprecht und an einer Lösung arbeitet, sorgt ihr für die Zukunftssicherheit eures Unternehmens. Steigert die Qualität. Und baut den Vorsprung zum Wettbewerb aus.
Deswegen bin ich davon überzeugt: Wenn ihr richtig weit nach oben wollt, müsst ihr den Mund aufmachen. Gerade dann, wenn es unbequem wird. Denn dadurch stiftet ihr Nutzen, werdet ihr wertvoll. Zu einem Ziel, einem persönlichen Horizont gehört nun mal auch, Haltung zu zeigen und dafür zu kämpfen. Schöner Nebeneffekt: Wer von euch diese Qualitäten lebt, verschafft sich letztlich auch Respekt und ein besseres Standing im Unternehmen.
Wenn der Chef das Zepter schwingt
Wenn die unbequeme Wahrheit uns also weiterbringt, warum scheuen wir uns dann so unglaublich davor? Die Antwort ist recht einfach: Weil wir Menschen Angst haben. Wir schrecken automatisch vor Hierarchie zurück, denn wir haben Angst vor dem Machtzepter der Führung. Dieses Zepter besteht aus drei Zacken: die Bestimmung über das Gehalt, die Hoheit über Beförderung oder Boni und die Entscheidungskraft, Mitarbeiter entlassen zu können.
“Reden ist Silber und Schweigen ist Gold”
Wenn eine Führungskraft nun eine oder mehrere Zacken an ihrem Zepter hat, hat sie Macht. Und damit ist klar, warum den Mitarbeitern die unbequemen Wahrheiten im Halse stecken bleiben: Wir wollen nun mal die negativen Konsequenzen der Macht nicht am eigenen Leib spüren.
Der Volksmund weiß: Reden ist Silber und Schweigen ist Gold. Und leider ist diese Volksweisheit an dieser Stelle meist gerechtfertigt. In vielen Unternehmen gibt es genau solche Chefs. Chefs, die mit Macht führen und bei denen persönliche Befindlichkeiten und der eigene Status im Zentrum stehen.
Ihnen unter diesen Voraussetzungen eine heikle Botschaft zuzurufen, ist ein riskantes Unterfangen.
Mitarbeiter brauchen bei solchen Gesprächspartnern besonders viel Mut, um die unbequeme Wahrheit auszusprechen.
Denn der Preis kann sein, dass sie sich danach einen neuen Job suchen müssen.
Den Elefant aus dem Gebüsch holen
Doch ich bin überzeugt, dass diese Überwindung alle Mühe wert ist. Deshalb schrecke ich auf keinen Fall davor zurück, anderen Menschen den Finger in die Wunde zu legen.
Früher arbeitete ich mal als Geschäftsführer eines Private Equity Fonds und war für das Fundraising verantwortlich. Mein Kompagnon hatte einmal zu mir gesagt: „Du bist unbequem. Du musst immer die unangenehmen Themen ansprechen. Das nervt ungemein. Doch ich weiß, dass es notwendig ist.“ Mich nervte das genauso wie ihn. Doch nur durch das konkrete Ansprechen und Anpacken der heiklen Themen wurden wir erfolgreich. Immerhin verzwanzigfachte ich mit meinem Team den Umsatz in weniger als fünf Jahren.
Heute werde ich als Berater für das Aussprechen der heiklen Botschaften in Unternehmen bezahlt. Ich nenne es: den Elefanten aus dem Gebüsch holen. Nein, mein großes Hobby ist es nicht, anderen Menschen ans Bein zu pinkeln. Ich möchte die Zukunft verbessern – meine und die meines Gegenübers.
Und das sollte doch auch das Ziel eines jeden Mitarbeiters im Unternehmen sein. Und wenn ihr selber die Führungskraft seid und jemand den Mut aufbringt, euch eine heikle Botschaft zu überbringen, nehmt die Botschaft nicht persönlich. Vielleicht ist dieser Mut einfach nur der größte Vertrauensbeweis eures Mitarbeiters – und er macht den Mund nur zu eurem Besten auf.
Ein bisschen Darling
Bitte lernt daraus jetzt nicht, den Menschen permanent unnötig auf den Senkel zu gehen mit unbequemen Wahrheiten in Dauerschleife. Immerzu unbedacht den Mund aufzumachen, führt lediglich dazu, dass ihr von Everybody’s Darling zur nervenden Reißzwecke werdet.
Ich habe gelernt, dass immer ein bedachtes Mittelmaß hilfreich ist. Die Themen, die wirklich entscheidend und wichtig sind, spreche ich an, auch wenn es eine heikle Botschaft ist. Doch für die ganzen Nebenkriegsschauplätze gilt die Devise: Einfach mal den Mund halten. Gerade bei Kleinigkeiten finde ich es schlauer, die Faust in der Tasche zu machen und mir meine Energie für die großen Themen aufzusparen.
Doch wie unterscheide ich die wesentlichen Themen, bei denen es sich lohnt, den Mund aufzumachen, von den Nebenkriegsschauplätzen? Das lässt sich schön an einem Geld-Beispiel festmachen. Wenn jemand 500-Euro- und 5-Euroscheine durch den Raum wirft und euch zuruft: Alles, was du in den nächsten 30 Sekunden aufsammelst, kannst Du behalten. Auf welche Scheine stürzt ihr euch?
Wohl kaum auf die 5-Euroscheine. Heißt übersetzt: Wie wichtig ist die Situation für mich, für mein Unternehmen, für die Zukunft? Handelt es sich um ein 500-Euroschein-Thema? Wenn ja und wenn ich hier substanziell und in wichtigen Fragen anderer Meinung bin, dann spreche ich die unbequeme Wahrheit an. Und bei den 5-Euroschein-Themen kann ich ruhigen Gewissens damit leben, auch mal die Klappe zu halten. Choose your battles – das gilt auch und vor allem auf der Karriereleiter.
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1 Kommentar
Ja-Sager bevorzugt. Eindeutig. Meine Empfehlung: Unbedingt immer den Mund halten, nur wenn man selbst die Konsequenzen tragen muss, “Nein” Sagen bzw. schlauer: gerade abwesend sein.