Top Gehalt, top Position, Prestige en masse – und doch im falschen Job. Peter Holzer hat inmitten seiner steilen Finanzkarriere alles hingeschmissen und neu angefangen. Und ob ihr nun Berufsanfänger oder alte Hasen seid – vielleicht ist es auch für euch an der Zeit, zu überdenken, ob ihr in eurem aktuellen Job glücklich werdet…
Karriere-Einsichten: Herr Holzer, Sie waren über Jahre beruflich sehr erfolgreich in der Finanzbranche. Dann kam der Umbruch – weshalb?
Peter Holzer: Ich bin dabei einem Gefühl erlegen, das ihr wahrscheinlich alle kennt: Ihr startet beruflich durch, merkt, dass ihr erfolgreich seid und das zündet in euch eine unheimliche Euphorie. Einen Tatendrang. Ihr tretet schließlich für eine Sache, für euer Unternehmen an! So war das damals auch für mich.
Mit der Zeit kam ich jedoch immer häufiger ins Grübeln. Der Erfolg stimmte auf dem Papier und auf dem Konto, keine Frage. Doch ich musste feststellen, dass meine Werte und fundamentalen Ansichten immer weniger in mein Umfeld passten und immer weniger denen meiner Kollegen entsprachen.
Karriere-Einsichten: Hätten Sie damals nicht einfach die Reißleine ziehen und gehen können?
Peter Holzer: Hätte, hätte! ;-) Natürlich hätte ich das tun können. Und im Nachhinein sagt man sich ja oft: Mann, war ich blöd, warum bin ich denn nicht gegangen?! Aber Geld ist wie eine Droge: Wir wollen immer mehr davon. Es macht süchtig. Und so bin ich trotz der Unzufriedenheit geblieben. Wir Menschen sind nun einmal extrem gut darin, den wichtigen Fragen auszuweichen, indem wir uns einfach noch mehr beschäftigen. Wir verkaufen uns, warum es noch nicht der richtige Zeitpunkt ist, und erfinden Stories, warum es sinnvoll ist, das tote Pferd weiterzureiten.
“Wir strampeln uns tagtäglich ab…”
Wenn wir aber ehrlich zu uns wären, würden wir feststellen: Wir strampeln uns tagtäglich ab, kritisieren und ärgern uns immer wieder über dieselben Dinge – und im Laufe der Zeit verändert sich dennoch nichts.
Karriere-Einsichten: Wann kamen Sie letztlich also aus dieser Sackgasse heraus?
Peter Holzer: Die Einsicht hatte sich bei mir schon länger etabliert, ich handelte nur nicht danach. Deshalb brauchte ich Nachhilfe vom Leben. Ein Schilddrüsentumor wurde plötzlich bei mir diagnostiziert. Ich musste zweimal unters Messer und diverse Therapien durchstehen. Der Krebs zwang mich in die Knie und ich kapierte endlich auch emotional: Dieses Leben ist einmalig und begrenzt.
Und die Erkenntnis wurde noch krasser: Wenn du verstanden hast, dass Lebenszeit begrenzt ist, warum verschwendest du sie dann mit Dingen, die du eigentlich gar nicht machen willst?
Das würde ich mir an eurer Stelle immer wieder vor Augen halten. Gerade bei den beruflichen Themen. Ihr habt nur ein Leben – wollt ihr diese Lebenszeit wirklich in euren aktuellen Job investieren?
Karriere-Einsichten: Sie wollten das nicht …
Peter Holzer: Richtig. Meine Erkrankung führte dazu, dass ich lernte, mit mir selber in Dialog zu kommen. Nicht so sehr auf das ganze Gelaber von außen zu hören: Du musst, du sollst, … Ich lernte, auf das zu hören, was meine innere Stimme mir sagte. Was will ich wirklich machen? Wozu will ich einen Beitrag leisten? Am meisten Klarheit gewann ich durch die Frage: Was macht dieser Job aus mir, wenn ich dort langfristig arbeite? Wie sieht die Zukunftswelt aus, zu der ich hier einen Beitrag leiste?
Diese innere Stimme wird schnell durch oberflächliche Bedenken wie finanzielle Verpflichtungen und Sachzwänge unterbrochen. Das ist gefährlich. Denn wir machen uns bald abhängig davon. Vielleicht bedeutet der berufliche Wechsel Erfüllung, aber eben auch ein kleineres oder zumindest schwankendes Einkommen. Da hilft nur: frei machen und mutig sein. Ein kleineres Auto fahren oder das schicke Haus aufgeben und in eine Wohnung ziehen. Wenn ihr einen erfüllenderen Job haben wollt, müsst ihr eben eine Entscheidung treffen und den Preis zahlen.
Außerdem könnt ihr sehr gut im Beruf Erfüllung finden und damit gutes Geld verdienen. Mein Umsatz ist heute zum Beispiel deutlich höher als damals in der Finanzbranche.
Karriere-Einsichten: Das heißt, in Ihrem jetzigen Job als Coach und Speaker sind Sie rundum glücklich?
Peter Holzer: Natürlich nicht. Und rundum glücklich zu sein, halte ich auch für das falsche Ziel im Job. Als Redner spreche ich im Jahr netto rund 40 Stunden vor Menschen.
Das liebe ich. Das erfüllt mich. Ich kann mir keinen besseren Job vorstellen. Doch um diese 40 Stunden möglich zu machen, muss ich mehr als 45 Tage in Autos, Flugzeugen, Zügen, Taxen, Leihwagen und Hotelbetten verbringen. Diesen Teil hasse ich.
Ich glaube, es gibt keinen Job, der unbegrenzt glücklich macht. Jeder Beruf hat eben seine Schattenseiten. Entscheidend ist für mich, dass mich der Kern meiner Arbeit erfüllt. Wenn weder der Kern noch das Drumherum stimmen, dann ist es an der Zeit für euch, etwas zu ändern – und eventuell einen radikalen Neuanfang zu wagen.
Über den Gastautor: Peter Holzers Karriere hätte kaum bilderbuchhafter verlaufen können: Bereits mit 24 Jahren verantwortete er den Vertrieb eines Private Equity Fonds. Doch mitten auf diesem Höhenflug überraschte ihn eine plötzliche Krebserkrankung. Der Tumor bedrohte nicht nur sein Leben, sondern auch seine Stimme. Damals fasste Holzer den Mut, einen kompletten Neustart zu wagen. Heute unterstützt er Unternehmen und Führungskräfte dabei, ihre Ideen mutig in die Praxis umzusetzen…
Artikelbild: Suchota/ Shutterstock