Sympathie ist das höchste Einstellungskriterium. Geht gar nicht? Ist aber so… Nervt euch das auch? Wir haben einen Unternehmer und Gründer gefragt, worauf ihr beim Bewerbungsgespräch besser achtet. Jörg Kopp arbeitet als Personalentwickler und Unternehmensberater…
Karriere-Einsichten: Herr Kopp, Sie unterstellen den HR’lern und Personalmanagern in Unternehmen, dass sie die Leute einstellen, die sie mögen. Wie kommen Sie darauf?
Jörg Kopp: Ja, allerdings. Ich behaupte sogar, dass sie ausschließlich diese Leute einstellen und befördern. Das erkennt ihr schon an der typischen ersten Frage nach einem Bewerbungsgespräch: „Und, fandet ihr den Bewerber sympathisch?“ So ein Blödsinn, da rollen sich mir die Fußnägel auf!
Karriere-Einsichten: Warum halten Sie es für so problematisch, dass wir Leute einstellen, die wir mögen? Ist das nicht ein Pluspunkt?
Jörg Kopp: Sicher ist es das. Aber die Leute, mit denen ihr euch gut versteht, mit denen ihr lachen könnt und gerne ein Bier trinken gehen würdet, sind nicht notwendigerweise am besten für die Stelle geeignet.
„Hey, der ist ja wie ich!“
Es ist menschlich, dass wir Leute mögen, von denen wir sagen können: Hey, der ist ja wie ich! Fürs Unternehmen ist das allerdings die falsche Entscheidung. Ihr braucht Leute, die den Kreis rund machen. Die euer Verhalten und Handeln ergänzen.
Seltener Besuch: Mitarbeiter, die anders sind als der Mainstream
Karriere-Einsichten: Das heißt, Sie raten dazu, Mitarbeiter einzustellen, die ganz und gar anders sind als wir selbst?
Jörg Kopp: Ja – unter einer Bedingung: Es geht nicht darum, auf Teufel komm raus „Andersartige“ einzustellen. Es gilt, Topleute einzustellen – auch wenn sie euch zunächst persönlich nicht liegen.
Ein CEO, mit dem ich gearbeitet habe, erzählte mir einmal von zweien seiner besten Vertriebler: „Mit meiner Tochter würde ich die nicht verheiraten.“ Aber sie machten einen prima Job und waren deshalb exakt richtig auf ihrem Platz! Es ist diese Unterscheidung, die wir hinkriegen müssen.
Denn solange ihr nur Menschen einstellt, die ihr mögt, weil sie euch ähnlich sind – tja, solange bastelt ihr an einer Armee aus Klonen. Aber ihr braucht andere Meinungen, Ansichten und Herangehensweisen, um euch weiterzuentwickeln, auch persönlich. Wenn an einem Platz zwei Menschen die gleiche Meinung vertreten, ist bereits einer davon überflüssig.
Karriere-Einsichten: Wie lässt sich eine solche Meinungsvielfalt, wie Sie sie fordern, also herstellen?
Jörg Kopp: Durch gute Vorbereitung. Bitte geht niemals in ein Bewerbungsgespräch mit dem Gedanken: „Ich schaue mal, wie der als Mensch so ist und ob ich mich mit ihm wohlfühle.“ Die Arbeit beginnt viel früher im Recruiting-Prozess:
Macht euch klar, dass ihr Leute, die anders sind, extrem gut brauchen könnt. Ich schaue dazu immer zunächst auf mein bereits bestehendes Team und suche bewusst nach unseren Lücken, unseren Defiziten, unseren Schwachpunkten.
Denn das verrät mir, was ich wirklich brauche. Welche fachlichen Qualifikationen uns beispielsweise noch fehlen oder welche charakterlichen Eigenschaften bei uns nicht vertreten sind, die wir für bestimmte Abläufe aber gut nutzen könnten.
Karriere-Einsichten: Das heißt, Sie stellen fachlich top qualifizierte Leute ein, auch wenn Sie sie nicht mögen?
Jörg Kopp: Exakt. Wenn ich die Skills der anderen Person als Geschenk für mein Team und mein Unternehmen verstehen kann, kommt auch die Akzeptanz: Es ist okay, wenn ich jemanden einstelle, mit dem ich nicht mein Wochenende verbringen möchte. Den ich aber als Kollegen sehr schätze, weil er mir mit einer Leichtigkeit Dinge aus dem Weg räumt, für die ich selbst kein Talent habe oder die mir nicht liegen.
Und ich habe mehr als einmal die interessante Beobachtung gemacht, dass Menschen, die sich zu Beginn nicht mögen, auf einmal zusammenwachsen, wenn sie erfolgreich miteinander sind.
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