Wer geschäftlich in China erfolgreich sein will, muss mit zwei kulturellen Eigenschaften der Chinesen klarkommen: mit guanxi und mianzi. Brigitte Ott-Göbel liefert einige Tipps fürs Geschäft mit dieser Kultur…
Mit dem Begriff guanxi werden komplexe zwischenmenschliche Beziehungsgeflechte bezeichnet, mianzi beschreibt den Umgang untereinander. Das schnellste Pferd kann ein im Zorn gesprochenes Wort nicht einholen, besagt schon eine Chinesische Weisheit…
Guanxi: Die Beziehung
Wörtlich übersetzt bedeutet guanxi „Beziehung“ oder „Wichtigkeit“ (Fargel, 2011). Der Begriff hat keinen negativen Beigeschmack. Guanxi stellt in China einen festen und bedeutenden Bestandteil des gesellschaftlichen und beruflichen Lebens dar. Guanxi-Netzwerke nehmen eine kaum zu überschätzende Rolle ein.
Die Nutzung dieser Netzwerke gilt in China keinesfalls als anrüchig, sondern bildet einen Teil der gesellschaftlichen Spielregeln. Diese persönlichen Netzwerke werden beständig durch gegenseitige Gefälligkeiten und Freundschaftsdienste gestärkt und weiterentwickelt. Es handelt sich um eine besonders intensive Form des Gebens und Nehmens innerhalb des eigenen Netzwerkes und einem Gefühl von persönlicher Verpflichtung gegenüber den Mitgliedern.
Auf dieser Basis werden in China beispielsweise Aufträge und Lizenzen vergeben. Lizenzen benötigt man für jegliche geschäftliche Aktivität, denn zum Verkaufen wird beispielsweise eine Verkaufslizenz benötigt. Um eine Produktion aufzubauen, ist eine Produktionslizenz notwendig. Auch Mitarbeiter und Kooperationspartner werden auf Basis dieser Netzwerke ausgesucht.
“Netzwerk ALS notwendiges Kapital”
Ein großes funktionierendes guanxi-Netzwerk bedeutet daher für den Chinesen zugleich ein enormes soziales Kapital und starken Einfluss in der chinesischen Gesellschaft. Führungskräfte und Mitarbeiter arbeiten stets daran, ihr persönliches guanxi zu pflegen und weiter auszubauen. Denn aus der Geschichte haben sie gelernt, dass sie sich in einer als unzuverlässig geltenden Umwelt ein Leben lang durch ihr persönliches Netzwerk absichern können (Fargel, 2011).
Wenn Chinesen heute das Phänomen guanxi erklären sollen, führen sie auch die noch unzulänglichen sozialen Systeme an, die es erforderlich machen, dass sich jedermann durch persönliche Beziehungen absichert, dass man einander hilft.
Chinesisches Beziehungssystem: „Eine Schüssel loser Sand“
Chinesen neigen stark dazu, ihre soziale Welt in ein „Innen“ und „Außen“ einzuteilen. Sun Yat- bezeichnete seine Landsleute einmal als „eine Schüssel loser Sand“ (Bergere, 2010), denn sie seien wie Milliarden von einzelnen Körnern, die nichts zusammenhält, außer dass es immer wieder Sandklumpen gibt, die sehr eng aneinander kleben. Diese Sandklumpen stehen als Metapher für die Familie, den Klan und den Freundeskreis, deren Mitglieder in China noch enger als in anderen Gesellschaften miteinander verbunden sind.
Die Abbildung zeigt die verschiedenen Zugehörigkeits- und Gruppengefüge der Chinesen. Von innen nach außen werden die Bindungen schwächer. Am stärksten fühlen sich die Chinesen ihrer Familie verpflichtet, es folgen die ehemaligen Mitschüler und Freunde. Gemeinsam verbrachte Zeiten oder schwere Erlebnisse verbinden ebenfalls.
Wie wichtig ist guanxi heute noch?
Insgesamt hat die Bedeutung heute abgenommen, junge chinesische Unternehmer sagen, dass sie nicht mehr so stark auf das persönliche Beziehungsgeflecht angewiesen sind, um ein Geschäft aufzubauen. Neue Technologien wie Internet erlauben es, Produkte an verschiedenste Kundengruppen zu vertreiben und Vertriebskanäle aufzubauen. Das gilt sicherlich für die „new economy“, doch in traditionellen staatlich geführten Unternehmen ist es immer noch essentiell, die wichtigen Beziehungen zu Parteikadern und Behörden zu pflegen.
Dazu gehörten in der Vergangenheit auch kleine Gefälligkeiten, Einladungen oder versteckte Geldzuwendungen. Die aktuelle Regierung von Xi Jinping hat kurz nach ihrem Amtsantritt 2012 der Korruption den Kampf angesagt und eine Kampagne gestartet, im Rahmen derer bisher rund 75.000 Funktionäre belangt, wenn auch nicht unbedingt angeklagt wurden (Kolonko, 2014). Nach Xi Jinpings Devise, sowohl „Fliegen“ als auch „Tiger“ zu jagen, sind auch etliche hohe Funktionäre abgesetzt und Verfahren gegen sie eingeleitet worden.
Die Kampagne kommt in der Bevölkerung gut an, hat aber in den Reihen der Funktionäre Angst und Schrecken verbreitet. Zudem leiden edle Restaurants und Luxusartikelhersteller unter Umsatzeinbußen, Experten haben sogar ausgerechnet, dass der Kampf gegen die Korruption China rund 1 % Wirtschaftswachstum pro Jahr kostet.
Mianzi: Das Gesicht
Mianzi bedeutet wörtlich übersetzt „Gesicht“. Man kann Gesicht geben und nehmen, man kann es verlieren und erlangen. Wohl das Unangenehmste überhaupt, das einem Chinesen passieren kann, ist der Gesichtsverlust. Wer dies verursacht, wird es schwer haben, einen guten Kontakt zu der betreffenden Person (wieder) herzustellen.
Beispiele sind offene Kritik vor anderen, Menschen vor einer Gruppe bloßzustellen, die Stimme zu erheben oder jemanden zu beschimpfen. So sollte man nie chinesische Mitarbeiter vor anderen kritisieren. Empfehlenswert für kritische Themen sind persönliche Vieraugengespräche, in denen Kritik in eher indirekter Form geäußert wird und gleichzeitig die Wertschätzung für den Mitarbeiter getont wird.
Drachen oder Panda? Im modernen China Geschäfte machen. Mehr dazu in diesem Buch…
Das Gesicht eines anderen zu wahren und ihn nicht durch eigene Handlungen oder Worte in eine unangenehme Situation zu bringen, ist eine der wichtigsten Verhaltensregeln für China. Darüber hinaus ist es nicht nur wichtig, das Gesicht des anderen zu wahren, sondern es gehört auch zum guten Ton, das Gesicht des anderen zu betonen und hervorzuheben.
Dazu gehören beispielsweise Komplimente über Sprachkenntnisse und andere Fähigkeiten sowie das Herunterspielen der eigenen Fähigkeiten. Westliches „Zur-Schau-Stellen“ der eigenen Fähigkeiten und der erreichten Ziele ist also fehl am Platz. Der Gelobte wird sich seinerseits bescheiden zeigen und das Kompliment sowie die eigenen Leistungen herunterreden, nicht ohne jedoch innerlich Stolz zu empfinden.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass von allen traditionellen Komponenten der chinesischen Kultur diese beiden, guanxi und mianzi, noch am stärksten gelten. Insbesondere die Wichtigkeit des Gesichtwahrens sollte in jeder Situation beachtet werden, da die Verletzung dieser Regel den Verlust der Vertrauensbeziehung zur Folge hat.
Weiterführende Literatur:
- Ott-Göbel, B.: Vom Drachen zum Panda – Führen, Lehren und Lernen im modernen China. literatur-vsm, 2014
- Kolonko, P.: Geldbergeim Wohnzimmer. Korruptionsbekämpfung in China, in: Frankfurter Zeitung 21.10.2014
- Vermeer, M.: China.de, Wiesbaden 2007
- Fargel, Y.: Strategisches Talentmanagement in China. Wiesbaden 2011
Über die Autorin
Die Autorin, Beraterin und China-Expertin Brigitte Ott-Göbel beschreibt die junge Generation in China, ihre veränderten Werte und ihre Einstellung in der Arbeitswelt in ihrem neu erschienenen Buch: Vom Drachen zum Panda – Führen, Lehren und Lernen im modernen China.
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