Vorgesetzte, da sind sich Angestellte auf der ganzen Welt einig, sind eine ganz besondere Spezies. Man sieht das an ihren Krawatten, an diesen »Ich chef das schon«-Auftritten und natürlich an den Sprüchen, die ihre Untergebenen in einer Mischung aus Ohnmacht und Spott zitieren. Hier eine Auswahl von Klaus Werle…
Natürlich klingt das alles andere als freundlich – aber seien wir ehrlich: Wir wollen es ja nicht anders. Wir wollen, dass unsere Chefs auffallen, im Guten wie im Schlechten. Wir wollen, dass sie Marotten haben und Macken. So wie echte Stars eben – wie Christina Aguilera, die vertraglich festlegen lässt, dass ihr eine Polizeieskorte gestellt und im Catering keinesfalls umweltschädliches Styropor oder Plastik verwendet wird und sie Sojamilch mit Vanille-Geschmack bekommt.
Hingeraunzte Satzfetzen, die auf der Grenze zwischen Bonmot und Beleidigung balancieren, wie etwa diese:
- »Solange Sie nicht tot sind, können Sie arbeiten!«
- »Wer es bis zum Arzt schafft, schafft es auch ins Büro.«
- »Grippe ist Charakterschwäche.«
- »Seien Sie froh, dass Sie nicht soviel verdienen, dann zahlen Sie auch weniger Steuern.«
- »Wenn ich Sie wäre, wäre ich lieber ich.«
- »Ich bin nicht arrogant, das sieht nur von unten so aus.«
Weil aber im handelsüblichen deutschen Büro die Dichte an Showbiz-Stars eher überschaubar ist, brauchen wir Ersatz: Über wen sollen wir uns sonst in der Kantine das Maul zerreißen? Da sind wir nicht anders als die Äffchen, die in einem Experiment wählen konnten zwischen süßem Saft und Bildern von Affen, die in der Horden-Hierarchie über ihnen standen. War erstmal der Hunger gestillt, wählten die meisten die Bilder der Affen-Chefs.
Eine Prise Steve Jobs
Bei dieser Faszination stellt sich die Frage: Was macht eigentlich einen Chef aus? Wird man als Bestimmer geboren oder kann man das lernen? Reicht ein schicker Anzug, oder muss es etwas mehr sein? Klar ist: Etwas Entscheidungsstärke, Durchsetzungskraft, Dynamik, ein Schuss Aggressivität und, das mag jetzt viele überraschen, auch eine Prise Intelligenz können nicht schaden.
Darüberhinaus aber ist auffällig, wie viele Chefs, die doch tagtäglich mit Hunderten Menschen umgehen müssen, in puncto Sozialkompetenz noch etwas, nun ja, Luft nach oben haben. Der verstorbene Apple- Lenker Steve Jobs etwa: Ein Genie, sicher, doch im Umgang mit Mitarbeitern als äußerst launenhaft und tyrannisch verschrien.
Der Psychiater Robert Hare vertritt sogar die These, dass in den Führungsetagen von Wirtschaft und Politik überdurchschnittlich viele Menschen mit schweren Persönlichkeitsstörungen arbeiten. Meist überdurchschnittlich intelligent, charmant und redegewandt, gepaart mit starker Risikobereit- schaft und einer gewissen Ruchlosigkeit – diese Kombination, die auch für Psychopathen charakteristisch ist, sei für den Aufstieg hilfreich gewesen.
Mein Chef, ein Irrer?
Welcher Angestellte würde nicht freudig der Behauptung zustimmen, sein Chef sei ein Irrer? Belegen lässt sich das nicht, sicher aber ist: Wer es bis ganz nach oben schaffen will, muss anders sein als alle anderen. Er muss herausragen aus der grauen Büromasse. Alleine gute Leistungen sind meist zu wenig – denn schlau, diszipliniert und effizient sind ab einer gewissen Ebene alle.
Eine Marotte, eine kleine soziale Auffälligkeit, die im Gedächtnis bleibt, ist da schon hilfreicher. Wie schwierig es ist, etwas Besonderes zu sein, damit kämpft Achtenmeyer wie Tausende mittlere Führungskräfte jeden Tag aufs Neue. Aber wer es schafft, an den wird man sich erinnern, wenn die nächste Beförderung ansteht.
Über den Autor: Klaus Werle studierte Geschichte, Anglistik und Germanistik in Heidelberg. Klaus ist Absolvent der Henri-Nannen-Journalistenschule. Seit 2004 ist er beim manager magazin Redakteur für die Ressorts Trends und Karriere. Neben „Die Perfektionierer“ hat er auch das Buch „Ziemlich beste Feinde“ geschrieben…
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