Eigentlich klingt das absurd: Während in Spanien hoch motivierte, gut ausgebildete junge Leute händeringend nach einem Job suchen, beschweren sich in Deutschland Personaler über fehlende qualifizierte Kandidaten. Warum stellen deutsche Unternehmen nicht einfach spanische Professionals ein? Ein Lagebericht…
Die einzige Hürde, die bis heute die meisten Unternehmen davon abhält, diesen Schritt zu wagen, ist die Sprache. Personalverantwortliche können sich schwer vorstellen, dass es möglich ist, einen Mitarbeiter innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmen und Budgets sprachlich so fit zu machen, dass er seinen Job zu 100 Prozent erfüllen kann.
Zu Beginn des Jahres wandte sich ein mittelständisches Unternehmen mit Schwerpunkt SAP-Beratung und -Entwicklung an arenalingua, eine Sprachschule. Ihre Anforderung: geeignete Mitarbeiter in Spanien gewinnen und deren Deutschkenntnisse für den neuen Job zu schulen. Dank eines ausgeklügelten Konzepts aus Recruitment, Schulung, Zeitmanagement, Erfolgskontrolle und Testing wurde dieses Projekt abgeschlossen.
Zunächst wurden geeignete Kandidaten vor Ort in Spanien gesucht und die vielversprechendsten sechs Kandidaten in das Sprachprogramm übernommen. Innerhalb von fünf Monaten wurden diese Teilnehmer fünf Tage die Woche acht Stunden täglich geschult, im Verlauf des Kurses wurden alle 14 Tage Grammatik, Vokabular, Hörverständnis, Leseverständnis, Schreiben und Sprechen über 45 Minuten getestet.
Motivation ist (fast) alles
Über die gesamte Zeit verzeichneten die Trainer 100% Anwesenheit, es kam niemand auch nur einmal zu spät. „Die Teilnehmer sehen die Maßnahme als Riesenchance“, sagt Günter Heinecker, arenalingua-Geschäftsführer und Projektverantwortlicher. „Das sind junge, motivierte Akademiker, die den Kurs als Sprungbrett für ihre berufliche Zukunft sehen. Sie sind das Lernen gewohnt, und vor allem wollen sie es auch“.
“Karriere-Sprungbrett”
Bei der Abschlussprüfung ging es dann um Alles. Einen ganzen Tag lang wurden die Kandidaten über vier Unterrichtsstunden schriftlich und je 20 Minuten lang mündlich geprüft: Die Sprachschule forderte im mündlichen Prüfungsteil freies Sprechen und ein Rollenspiel, die Fachbereichsleiter wollten ein Vorstellungsgespräch simuliert haben – dann hieß es Bangen und Warten, während sich das Prüferteam zur Beratung zurückzog. Und dann gab es auf allen Seiten Grund zur Freude:
Alle sechs Kandidaten haben die Prüfung mit Bravour bestanden und beginnen im Oktober ihre dreimonatige Ausbildung, um danach ihren neuen Job in Deutschland anzutreten. „Von null – keinerlei Vorkenntnisse – auf hundert – CEF (Common European Framework) Stufe B1 in fünf Monaten, das ist wirklich eine beeindruckende Leistung von unseren Teilnehmern und Trainern“, lobt Günter Heinecker.
Am Ende mehr als Spanisch verstehen
„Ich bin von dem Ergebnis mehr als positiv überrascht“, sagt einer der Fachbereichsleiter, die die Maßnahme begleitet haben. „Ich muss zugeben, dass ich meine Zweifel hatte, ob es die Kandidaten wirklich packen, und jetzt haben tatsächlich alle unsere sechs Spanier den Abschluss geschafft, das ist ein super Ergebnis.
Wir freuen uns auf die neuen Kollegen.“ Und auch die Teilnehmer waren mit dem Programm sehr zufrieden und sind bereit, in ihr neues Leben in Deutschland zu starten. Ein Projekt, das Schule machen sollte: ganz im Sinne des europäischen Gedankens, eine Win-Win Situation für junge Spanier und deutsche Unternehmen.
Wer heute jung, gut ausgebildet und Spanier ist, hat ein Problem. Spanien leidet aufgrund seiner wirtschaftlichen Schieflage seit langem unter der höchsten Arbeitslosigkeit Europas, heute ist fast jeder vierte Spanier im erwerbsfähigen Alter arbeitslos. Noch schlimmer trifft es junge Menschen unter 25, hier ist jeder Zweite ohne Aussicht auf einen Job.
Wer heute Personalverantwortlicher eines mittelständigen Unternehmens in Deutschland ist, hat ein Problem. Deutschland gehen die Fachkräfte aus: Laut einer Studie der Prognos AG zur „Arbeitslandschaft 2030“ werden dem Arbeitsmarkt im Jahr 2015 fast drei Millionen Kräfte fehlen. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen leiden unter dem bereits deutlich spürbaren Fachkräftemangel, da die wenigen verfügbaren Mitarbeiter von großen Unternehmen mit potenteren HR-Abteilungen abgefangen werden.
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