Nachhaltigkeit ist gerade in mittelständischen Unternehmen in aller Munde. Offensichtlich: Unternehmenswerte und Leitbilder haben viele. Ihre Umsetzung steht auf einem anderen Papier! Eine neue Studie klärt auf, wie sich Wirtschaftsethik “rechnen” kann. Wie wäre es mit sozialer Verantwortung als Tool-Kit im Kampf gegen Fachkräftemangel?
Das Thema soziale Verantwortung ist fest im deutschen Mittelstand verankert: 79 Prozent aller Mittelständler sehen die Einführung einer nachhaltigen Unternehmensführung als sehr wichtig bzw. wichtig an. So hat ein Großteil der mittelständischen Unternehmen nachhaltige Steuerungsinstrumente im Unternehmen eingeführt: Sechs von zehn Mittelständlern haben ein Unternehmensleitbild, ebenso viele verfügen über fest definierte Unternehmenswerte.
Dies sind Ergebnisse der bereits zum zweiten Mal durchgeführten Studie „Nachhaltige Unternehmensführung – Lage und aktuelle Entwicklungen im Mittelstand“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young, für die 500 Gesellschafter, Geschäftsführer, Unternehmenssprecher und Bereichsleiter mittelständischer Unternehmen befragt wurden.
„Die große Verbreitung der Leitbilder und Unternehmenswerte im Mittelstand lässt erkennen, dass die soziale, ökonomische und ökologische Verantwortung eine wichtige Säule des unternehmerischen Selbstbilds ist“, erklärt Peter Englisch, Leiter Mittelstand und Partner bei Ernst & Young und ergänzt: „Diese Instrumente bilden die Grundlage, auf der alle Managementaktivitäten beruhen“.
Nachhaltigkeit bei 2/3 aller Unternehmen “Chefsache”
Mit ihrer nachhaltigen Unternehmensführung reagieren die Unternehmen auch auf den Fachkräftemangel, dem 58 Prozent der Mittelständler eine große bzw. sehr große Bedeutung beimessen. Mit auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Maßnahmen versucht der Mittelstand, zukünftige Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen und aktuelle Mitarbeiter an sich zu binden.
Die Qualität der Unternehmensführung wird dabei mit einem Mittelwert von 1.92 auf einer Skala von „1“ (sehr wichtig) bis „5“ (überhaupt nicht wichtig) als wichtigstes Instrument bewertet. Das Angebot von Aufstiegs- und Bildungsmaßnahmen und die Förderung der Mitarbeiterfähigkeiten folgen in diesem Ranking mit einer durchschnittlichen Einstufung von jeweils 1,98 auf dem zweiten Platz.
“Work-Life-Balance-Angebote als Differentiator”
Familienfreundliche Arbeitszeitmodelle werden vom Mittelstand nur als die sechstwichtigste Maßnahme angesehen. „Dabei sind die Themen Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeitgestaltung jedoch gerade für junge Fach- und Führungskräften ein wichtiger Parameter bei der Wahl des Arbeitgebers“, erläutert Peter Englisch. Mit besseren Work-Life-Balance-Angeboten könne sich ein mittelständisches Unternehmen vom Wettbewerb differenzieren und dementsprechend attraktiver positionieren.
Nachhaltigkeit, Öffentlichkeit und Umwelt
Nachhaltige Unternehmensführung im Mittelstand ist nicht nur auf die eigenen Beschäftigten fokussiert. Neben den Mitarbeitern zählen die Kunden zur wichtigsten Zielgruppe: Gegenüber beiden Gruppen fühlen sich alle Studienteilnehmer verantwortlich.
Während Mitbürger, Öffentlichkeit und Allgemeinheit 2007 nur auf Platz zehn im Ranking landeten, sind sie in diesem Jahr die zweitwichtigste Zielgruppe der Unternehmen bei ihren nachhaltigen Aktivitäten. Spenden und Sponsoring zählen hier zu den wichtigsten Maßnahmen, mit denen der Mittelstand das Gemeinwesen und die gesellschaftliche Entwicklung unterstützt.
Nachhaltigkeit schließt bei vielen Mittelständlern auch die Umwelt mit ein. Zwar versuchen die Unternehmen mit betrieblichen Maßnahmen zum Umweltschutz beizutragen, der konkreten Reduzierung der CO2-Emissionen und damit dem Kampf gegen den Klimawandel wird dagegen nur eine geringe Bedeutung beigemessen.
Am intensivsten verfolgen die mittelständischen Unternehmen Recycling-Maßnahmen und ein energieeffizientes Gebäudemanagement. Während die Verringerung der CO2-Emissionen auf der Liste der wichtigsten Umweltschutzaktivitäten auf Rang vier liegt, wurde dem Einsatz alternativer Energien die geringste Bedeutung aller Maßnahmen zugesprochen.
Auch Kunden und Lieferanten im Fokus
Der Mittelstand orientiert sich nicht nur selbst an seinen Ansprüchen zur sozialen und ökologischen Verantwortung, sondern erwartet auch, dass Investoren, Kunden, Lieferanten und die eigenen Mitarbeiter diese einhalten. Besonders die Einhaltung von Sozialstandards und Menschenrechten wird von den mittelständischen Unternehmen stark nachgefragt.
So erwarten 83 Prozent der Befragten von ihren Lieferanten, dass diese die Menschenrechte einhalten. Zwei Drittel der Studienteilnehmer bestehen darauf, dass ihre Lieferanten einen Verhaltenskodex haben, der im Wesentlichen mit ihrem eigenen Kodex übereinstimmt. Bei der Auswahl der Lieferanten werden auch ökologische Richtlinien zu Grunde gelegt: 65 Prozent der Mittelständler wählen einen Zulieferer nach dessen Standort bzw. dessen Entfernung zum eigenen Unternehmen aus, 59 Prozent berücksichtigen die Wahl der Transportwege.
„Insgesamt gehört die Nachhaltigkeit bereits zur DNA vieler Unternehmen. Der Mittelstand muss aber auch die möglichen Risiken berücksichtigen, die eintreten könnten, wenn das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen vernachlässigt wird“, meint Peter Englisch von Ernst & Young. Schließlich entfalte Nachhaltigkeit auch eine positive Wirkung auf das eigene Unternehmen und helfe langfristig dabei, zukunftsfähig zu bleiben.
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