„Als ich wieder zu mir kam, kniete die dicke Negerin neben mir, Putzerin, die ich vorher nicht bemerkt hatte … ihre weißen und schwarzen Augen, Groß-Aufnahme aus Afrika.“ Ein Vorurteil, das sich nicht nur bei Max Frischs „Homo Faber“ im Kopf abspielt…
Alltag für Reinigungsdame Elena Semenov (Name geändert). Ob bei Mac Donald’s, Kaufhof oder Karstadt. Will man sich seiner Notdurft entledigen, heißt es erstmal vorbei an dem Tisch mit dem kleinen weißen Tellerchen, wo sich drei zwanzig Cent Münzen verlieren. Der Hinweg ist meist noch einfach. Schließlich hat man ja einen Grund sich zu beeilen.
Der Rückweg allerdings stellt jeden vor die gleiche Wahl: Die letzten Münzen aus dem Portemonnaie kramen, sie dann entweder mit aufgesetztem Lächeln oder mit verschämt gesenkten Blick schnell auf das besagte Tellerchen fallen lassen. Oder mit aufgesetztem Lächeln oder verschämt gesenktem Blick vorbeihuschen ohne der Dame auf dem Stuhl einen Obolus dazulassen. Szenen, die Elena Semenov nur zu gut kennt.
Gebildet, vielseitig interessiert
Die gebürtige Russin arbeitet seit sechs Jahren als Klodame. Sie hat schon viele Erfahrungen mit ihren Kunden gemacht und eines fällt ihr da besonders auf: „Die Leute sind meistens sehr nett. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass sie Vorurteile haben.“ Obwohl Elena nicht unbedingt in das für Max Frisch typische Muster einer Klofrau passt, spürt sie dennoch, dass die Toilettenbesucher häufig voreingenommen sind.
Im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen und Kolleginen spricht Elena gut Deutsch. Trotzdem reagiert die Putzfrau nicht auf die Äußerungen oder Blicke der wertenden Kunden. „Manchmal werden Kunden frech zu mir und beschimpfen mich als dumm, weil ich Klos putze. Aber das ist mir egal.
Ich bleibe dann einfach ruhig. Ich brauche mich doch nicht zu schämen.“ Die 42-jährige kam vor zehn Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland. Elena hat deutsche Wurzeln, ihre Urgroßeltern kamen zur Zeit Katharinas der Großen nach Russland. Deshalb hat sie schon sehr früh Deutsch gelernt und viel zu Hause gesprochen.
Mehr Zeit für die Familie
Bevor sie ihr Geschäft mit dem Geschäft begann, arbeitete sie als Putzkraft in einem Hotel. Als ihre jüngste Tochter vier Jahre nach ihrer Ankunft eingeschult wurde und da ihr Mann viel arbeitete, entschloss sie sich in ihrer Arbeit kürzer zu treten. „Ich wollte einfach mehr Zeit für meine Familie haben.
Das ist mir wichtiger als meine Arbeit“, sagt sie entschlossen. Während ihr ein soeben erleichterter Kunde „noch einen schönen Tag“ wünscht und einen Euro auf das Tellerchen klirren lässt. Ein flinker Handgriff und die Münze verschwindet hinter Elenas Rücken. „Wenn der Teller voller Münzen wäre, würden die Leute nichts mehr geben“, verrät sie ihre Taktik. Arbeitsalltag.
Elena verdient ein Festgehalt von 430 Euro im Monat und arbeitet drei Tage in der Woche. Der Lohn wird vom Trinkgeld bezahlt und das restliche Geld für Toilettenpapier, Seife und Putzmittel ausgegeben.
Tapetenwechsel
Obwohl ihr die Arbeit Spaß macht, will sie nicht für immer Toiletten sauber halten. Das sei nicht ihr „Traumjob„. Jetzt wo ihre Tochter älter ist, würde sie gerne wieder Vollzeit arbeiten, Bewerbungen sind schon geschrieben. „Was genau, ist mir egal. Einfach mal was anderes machen. Vielleicht zusammen mit einer Freundin in einer Putzfirma.“ Eile hat ihr Vorhaben jedoch nicht.
„…es muss ja einer machen“
Sie arbeitet gerne als Toilettendame. Die Arbeit sei nicht schwer und sie habe viel Freizeit. „Außerdem muss es ja einer machen und es ist gutes Geld. Wenn sich niemand um die Toiletten kümmern würde, sähe es hier in einer halben Stunde aus wie Hund.“ Immer wieder kontrolliert Elena sorgfältig die Toiletten, sie bringt Papier, wischt den Boden und die Schüssel, füllt die Seifenspender und schenkt jedem ein Lächeln. Schließlich will sie ihre Kunden zufrieden stellen.
Dennoch erwidert nicht jeder ihr Lächeln. „Bei den Frauen ist es oft sehr schmutzig. Sie passen nicht auf. Und wenn sie einen Fleck sehen, kommen sie sofort und schimpfen. Oder sie machen noch mehr Dreck. Die Männer sind da anders. Sie passen auf und sind freundlicher.“
Elena kann nicht verstehen, wieso ihr manche Kunden mit dieser Gleichgültigkeit begegnen. Aber das ist für sie noch lange kein Grund ins gleiche Horn zu blasen. „Ich putze zwar Klos aber deshalb bin ich doch nicht dumm. Es ist doch egal was man macht, solange die Arbeit Spaß macht. Mensch ist Mensch. Egal ob schwarz oder weiß, Klofrau oder Bundeskanzler. Da gibt es keine Unterschiede.“
Über die Autorin: Sabrina Kurth war nie bewusst, was der Job als Klofrau eigentlich alles mit sich bringt und war umso erschrockener mit wie vielen Vorurteilen die Frauen zu kämpfen haben. Sie bewundert das Durchhaltevermögen ihrer Protagonistin…
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