Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Wie im Privatleben, so auch am Arbeitsplatz. Dort hat das Kind einen anderen Namen: Privilegien. Über neue Abhängigkeiten…
Ihre riskante „Nebenwirkung“? Das Betriebsklima nachhaltig zu belasten. Logisch: Der neue Abteilungsleiter hat seinen ersten Arbeitstag, und der führt ihn nach dem Einchecken in der Zeiterfassung gleich wieder außer Haus – zum nächst gelegenen Autohändler. Im Anstellungsvertrag steht das Wörtchen „Dienstwagen“.
Der muss schnell beschafft werden, sonst wird das ja nichts mit dem „Dienst“. Welcher Fahrzeugtyp wird es sein? Allein diese Fragestellung dürfte das personelle Umfeld des „Neuen“ auf den Fluren, in der Kaffeeküche und auch am Arbeitsplatz einige Zeit beschäftigen. Wird der Wagen eher sportlich oder eher bieder ausfallen, welche Farbe, Limousine oder Kombi, welche Motorisierung, und so weiter, und so fort.
Einmal abgesehen von der verlorenen Arbeitszeit, die das interne Getratsche um solch ein Thema unweigerlich mit sich bringt, ist gerade die „Dienstwagenfrage“ von immenser psychologischer Bedeutung. Sie entscheidet über das persönliche Bild des Vorgesetzten gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sie prägt andererseits auch den Eindruck gegenüber Kunden.
Dienstwagen & Limousine – ein Imageproblem
Wer auf sportlich-aktiv setzt und den Satz Golfschläger immer auf der Rückbank hat, aber in seinem eigentlichen Aufgabenfeld nicht wirklich schnell vorankommt, dürfte schnell ein Imageproblem haben. Umgekehrt gilt das auch für den Limousinen-Typ, der seriös und ein wenig behäbig daher kommt, aber gerne mit seinen sportlichen Leistungen glänzt (ob es die nun gibt, oder nicht).
So gilt: Wenn der Firmenwagen dazu gehört, dann ist Vorsicht geboten. Vielerorts sind Wagentyp und –klasse vorgegeben, dann stellt sich das Problem nicht. Anderenfalls sollte der erste Dienstgang nicht ins Autohaus führen, sondern eher zum eigenen Vorgesetzten. Oder in die Personalabteilung, um eine Empfehlung hinsichtlich der Handhabung zu bekommen – das zeugt übrigens auch vom Bewusstsein eigener Verantwortung, selbst scheinbare „Kleinigkeiten“ ernst zu nehmen. Und der Dienstwagen ist eben gerade keine Kleinigkeit.
Mittagstisch & Karte – wer mit wem?
Niemanden wundert es, wenn der Chef mal mit seiner Sekretärin zum Mittagessen geht. Die Arbeit wird einfach fortgesetzt, das Notwendige mit dem Nützlichen verbunden. Doch was, wenn das gemeinsame Chef-Sekretärin-Essen zur täglichen Routine wird? Die Gerüchteküche wird schnell brodeln.
Darüber zu stehen, erfordert Charakter, den nicht jeder im erforderlichen Maße besitzt. Umgekehrt gibt es nicht wenige Chefsekretärinnen, die den Kontakt mit ihrem Vorgesetzten außerhalb dienstlicher Aktivitäten konsequent meiden; doch auch dort lauert eine Falle: „Die verstehen sich wohl nicht?“
„Restrisiko“
Mithin: Wie man es macht, macht man es irgendwie falsch. Gleichwohl bleibt immer ein „Restrisiko“, wenn Unternehmensangestellte unterschiedlicher Führungsebenen privat – und eben dazu zählt auch das gemeinsame Mittagessen – miteinander unterwegs sind. Bis hin zu der – durchaus realistischen – Möglichkeit, dass argwöhnische Vorgesetzte auf die Idee kommen: wenn der mit dem und der mit der, dann ist da was im Busch.
Absurde – aber doch so reale Wirtschaftswelt. In diese Kategorie fällt auch die Frage der „Reiseklasse“. Geht es auf eine größere Dienstreise, so dürfte der Chef bei Bahnfahrten die erste Klasse bevorzugen, im Flugzeug die Business-Class. Klar, das steht ihm – oder ihr – auch zu. Doch wer reist an seiner oder ihrer Seite? Der Abteilungsleiter? Niemand?
Miles & More – nach vorne oder hinten
Gerade wenn Teams auf Reise gehen und der Chef dabei ist, können die Auswahlkriterien für die Platzierung schnell sensibel werden. Der eine Abteilungsleiter darf zum Chef in die Business-Class – der andere muss mit dem übrigen Team Economy reisen. Signal an die Beschäftigten: Da stimmt wohl die Chemie nicht. Umgekehrt sitzt plötzlich ein „einfacher“ Mitarbeiter an der Seite des Chefs – was hat er da zu suchen? Der neue Favorit für die Nachfolge des Abteilungsleiters?
Das Reisethema ist heikel und braucht viel Fingerspitzengefühl der Unternehmensführung. Wenn der Chef über ein Projekt noch detailliert informiert werden möchte, macht es durchaus Sinn, den zuständigen Mitarbeiter an seine Seite zu nehmen – auch Reisezeit ist Geld. Wird der Grund dieser Entscheidung aber nicht sachlich und offen kommuniziert, sind Missverständnisse programmiert. Souveräne Chefs verzichten immer häufiger auf das eigene Privileg der „Höherstufung“ und setzen sich selbstverständlich zur „Mannschaft“.
Einmal abgesehen von den gesparten Kosten, schafft das zusätzliches Vertrauen, und gerade während einer Dienstreise sind Mitarbeiter in lockerer Umgebung eher bereit, über ihre Sorgen und Nöte zu berichten – für den Vorgesetzten die ideale Gelegenheit, „Basisstimmung“ einzufangen. All das gilt auch für die Wahl eines Hotels: Besteht der Chef auf „Vier Sterne plus“ und lässt für „die anderen“ Garni reservieren, dann trägt das nicht unbedingt zur Motivation bei. Sich in der Mitte zu treffen, ist immer noch besser, als Extreme zu schaffen.
Bonus & Tantieme – Leckerbissen oben drauf
Die Diskussion um die Ebene des internationalen Spitzenmanagements soll an dieser Stelle keine Rolle spielen – was es dazu zu sagen gibt, wurde längst gesagt und aufgeschrieben. Interessanter ist die Frage der Bonuszahlungen in kleineren Unternehmenseinheiten und auf niedrigeren Führungsebenen: Manche Unternehmen sind inzwischen dazu übergegangen, die Verteilung von Boni den Beschäftigen selbst zu überlassen.
Ob das der „Königsweg“ ist, sei dahingestellt – und hängt neben der Firmengröße auch von Faktoren wie der Branche, dem Grad der Selbstverwaltung oder der Altersstruktur ab. In einem „schlanken“ Dienstleistungsunternehmen mit vielen jungen Beschäftigten wird diese Form der Prämienverteilung weitaus leichter zu realisieren sein, als in einem klassischen Produktionsvertrieb mit Betriebsrat und gewerkschaftlicher Unterstützung.
Letztlich sind und bleiben Boni-Zahlungen willkürlich – wer kann schon den tatsächlichen „Geldwert“ einer Leistung errechnen und ausdrücken, es sei denn, die Arbeit einer einzelnen Person führt nachweislich zu Kosten- oder Effizienzsteigerungen in definierten Unternehmensteilen. Boni sind und bleiben Realität – „gerecht“ werden sie nie sein.
Der mit Abstand größte „Haken“ bei den kleinen und größeren Privilegien ist diese Tatsache: Wer sie einmal hat, möchte sie keineswegs wieder verlieren. In der Praxis bedeutet das nicht selten, dass „die Privilegierten“ eher bereit sind, ohne Murren Überstunden zu akzeptieren oder Aufgaben zu übernehmen, die gar nicht in ihr Arbeitsgebiet fallen.
Wer seine Privilegien los wird, weil er in diesem Sinne einmal „nicht funktioniert“, kann sich der Schadenfreude seines Umfeldes gewiss sein. Der Segen wird dann schnell zum Fluch.
Über den Autor: Lutz Ruminski fotografiert nicht nur gerne, sondern beobachtet Menschen bei ihrer Arbeit. Ob Dienstwagen, Mittagstisch oder Bonuszahlung. Für ihn sind das Privilegien, von denen auch manche Journalisten träumen. Ihn mal ausgenommen…
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