Handel über Bits und Bytes war lange Zeit ein Job für Computer-Freaks oder schlecht rasierte Garagen-Gründer. Schon längst haben viele Firmen die möglichen Renditen im Web 2.0 erkannt…
Ein paar Zeilen programmierte Mark Zuckerberg während seiner Zeit in Harvard. Dann startete er Facebook. Was für die meisten Studis noch eher eine Mischung aus Privatvergnügen und etwas Netzwerken für den nächsten Karriereschritt ist. Es wird mit über 600 Millionen Usern zu einer gigantischen Vertriebsplattform. Sie versprechen Absolventen eine hohe Arbeitszufriedenheit – und mehr Geld als gedacht.
Immer mehr Firmen nutzen dieses Potential. Eine davon ist Groupon. Selbst die Klassiker im Geschäft, Amazon, Ebay oder Google seien nicht so schnell gewachsen, prahlt Gründer Andrew Mason bei Interviews in den USA.
Die Dot.Com-Krise vor neun Jahren, als viele Web-Unternehmen trotz Aufbruchsstimmung zwischen Pizza und Möbel-Kartons pleitegingen, sie scheint für Groupon passé zu sein.
Mit hohen Gewinnerwartungen: „wider dem Vorurteil, dass man im Netz kein großes Geld machen könne“, sagt Roman Rochel. Er studierte an der European Business School in Oestrich-Winkel klassische BWL, arbeitete einige Zeit bei der Unternehmensberatung Accenture in Frankfurt.
Nun betreut er als „Head of International Operations“ Prozesse und Systeme für die Partner von Groupon. Ins Deutsche lasse sich dieser Job kaum übersetzen.
Wachstum á la Amazon, Ebay oder Google
Der Kaufmann weiß, dass er laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes für das am schnellsten wachsende Unternehmen aller Zeiten arbeitet. Zumindest seitdem es Internet-Flatrates für jedermann gibt.
Dabei ist die Geschäftsidee recht simpel. Zum Beispiel: Ein „Casting“ von Fitness-Angeboten in einer Stadt, einen Partner gezielt für ein „Feature“ ansprechen.
Hat dieser Interesse, bewirbt Groupon diese Angebote mit Anzeigen über Affiliate-Netzwerke, Newsletter und Gruppen mit mehr als zehn Millionen Abonnenten. Darunter „Social Media“ wie Facebook. Der Kunde, z.B. ein Mountain-Biking-Veranstalter zahlt „per sale“, den tatsächlichen Verkauf eines bestimmten Produkts.
„First Mover“
Klassische Werbung mit Tausender-Kontaktpreisen sieht zwar schöner aus, scheint aber vor allem für mittelständische Kunden umständlicher und im Schnitt deutlich teurer zu sein. Es kann auch das etwas angestaubte Museum, das neue Yoga-Studio oder die kleine Eisdiele ums Eck sein.
Wie auch immer: „Der Vorteil für den Endkunden sind Rabatte von bis zu 70 Prozent im Vergleich zum Offline-Kauf im Laden“, wirbt Roman für das Vertriebsmodell im Netz.
Als „First Mover“ bietet ihm die Firma noch einen Vorteil: Groupon ist nun Teil des Lexikons für Online-Shopping. Heute in 26 Ländern.
Direkteinstieg: Reinschnuppern statt Online-Euphorie
Was rät Roman Absolventen, die eine Karriere im Web 2.0 anstreben? „Das Internet bietet dir echt viele Chancen“, sagt er über Alternativen zum herkömmlichen Handelsgeschäft.
Für ihn liegt darin die Zukunft: „Ich muss schneller agieren, vor allem bei der Geschwindigkeit mit der wir über einer Milliarde Dollar Umsatz erreichen werden.
Zudem ist die Hierarchie flacher, die Entscheidungswege sind schneller und die Verantwortung für die eigene Arbeit wird größer“, vergleicht er seine bisherigen Jobs. Roman gefällt das, trotz Bits und Bytes „greifbar zu sehen was man zu Feierabend geschafft hat“.
Allerdings rät er Quereinsteigern in den Online-Handel auch zur Vorsicht: Reinschnuppern vor dem Direkteinstieg, die Entwicklung eines Startups genauer unter die Lupe nehmen. Und nicht zuletzt schauen, wo eigentlich das Geld für die monatliche Miete herkommt.
Sprache: Unbekanntes erlernen und verhandeln
Die Umsätze von Busuu.Com sind nicht so groß wie die von Groupon. Aber „schon ziemlich bald im siebenstelligen Bereich pro Jahr“, sagt Bernhard Niesner. Zusammen mit einem MBA-Kommilitonen hat er diesen Online-Handel für Sprachunterricht gegründet.
Von dieser Idee sei er schon im Studium „absolut überzeugt“ gewesen. Ähnlich wie bei Groupon handelt es sich auch bei Busuu um einen globalen Wachstumsmarkt in dem jedes Jahr über 90 Milliarden US-Dollar umgesetzt werden.
Spätestens nächstes Jahr erwartet auch Bernhard den „Break-Even“, eine wichtige Marke ab der sein Portal richtige Gewinne einfährt. Aus der „finanziellen Gefahrenzone“, wie Bernhard es nennt, sind sie nach zwei Jahren nun endlich heraus. Sie haben ihre Balance bereits gefunden.
Erst kürzlich haben sie die Eine-Million-Marke für sprachbegeisterte Menschen „geknackt“. Sie sind nun Europas größte Online Community. Mit einigen Auszeichnungen wie dem Innovations-Preis der CeBIT.
Dabei werden keine Massagen oder Museumseintritte gehandelt, sondern interaktive Sprachkurse in sieben Sprachen. Direkte Kontakte zu Muttersprachlern aus der ganzen Welt bieten sie an. Sogar diese ausgefallene Stammessprache Afrikas.
Unternehmertum: Selber…
Bernhards größte Herausforderung beim Gründen seines eigenen E-Commerce? Den richtigen Geschäftspartner finden, sagt er. „Es bringt nicht viel, wenn alle im Team einen Marketing-Background haben“.
Sein Tipp für Interessierte: Kostenlos einen Blog zu dem Thema eröffnen, die erste Version der späteren Webseite. Und darauf sogenannten „Search-Engine-Marketing-Traffic“ schicken.
Damit könne man dann auch in Zahlen sehen, wie viele oder wenige Benutzer sich für das Thema ernsthaft interessieren. Und das abgerundet durch Offline-Gespräche: „Mit so vielen Leuten wie möglich austauschen, Familie und Freunden. Geschäftsideen im Internet seien relativ einfach und günstig austesten, findet Bernhard.
Die Gefahr, dass jemand die Geschäftsidee stehlen könnte sei ziemlich marginal, erklärt Busuu-Gründer Bernhard.
Somit erhalte man schon zu Beginn recht viel Feedback und wertvolle Anregungen, wie man die eigene Idee noch besser machen kann. Zum Beispiel diese Frage beantworten: Warum gehen Leute nachwievor in einen Buchladen?
Sie kaufen sich ein Grammatik-Buch und fahren mit der S-Bahn zur Sprachschule, um dort mit einem Dutzend gleichsprachigen Studenten zu versuchen, Spanisch zu sprechen?
„Der ganze Prozess kann mithilfe des Internets wesentlich einfacher, effizienter und vor allem günstiger durchgeführt werden“, sagt der Online-Unternehmer, ein Entrepreneur.
Der Austausch erfolgt nun über Chats und fotobasierte Lerneinheiten. So wie seine Webseiten das anstrengende Sprachenlernen „verspaßen“ sollen, hat der Gründer „extrem viel“ Freude in seinem neuen Job.
Mehr noch als Roman genießt es Bernhard, „für sich selber zu arbeiten, seinen eigenen Traum zu verwirklichen“. Auch er arbeitete zuvor als Consultant, sein „Workload“ sei vergleichbar: „Doch die Zeit vergeht wie im Fluge. Und ich habe Spaß daran“.
Los geht es morgens ab halb zehn, aber auch relativ lange. Im Schnitt sitzt er zwölf Stunden vor den Tasten, bevor er am Ende des Tages müde ins Bett fällt. In Madrid fällt ihm das viel leichter als früher, wo er in München als Angestellter arbeitete.
Grund für diesen sonnigen Standort ist neben seiner Liebe zu Tapas die lockere, spanische Lebensart. Den „extremen Nachholbedarf“ fürs Beherrschen von Fremdsprachen merke er auch dort. Nach neusten Statistiken versteht die Hälfte der Einwohner nämlich nur eines: Spanisch.
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